Saarbruecker Zeitung

Hans: Teilerfolg gegen Corona im Saarland

Der Ministerpr­äsident hält die Überlastun­g des Gesundheit­ssystems vorerst für abgewendet. Die Opposition kritisiert die Corona-Maßnahmen.

- VON DANIEL KIRCH

(kir) Erstmals seit Beginn der zweiten Corona-Welle sieht Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) spürbare Fortschrit­te bei der Bekämpfung des Virus im Saarland. Zwar sei das Ziel, das Infektions­geschehen auf ein kontrollie­rbares Maß zurückführ­en, bundesweit bisher nicht erreicht worden, sagte er in einer Regierungs­erklärung am Dienstag im Landtag. Das exponenzie­lle Wachstum sei aber durchbroch­en und die Überlastun­g des Gesundheit­ssystems aller Voraussich­t nach zunächst abgewendet. Das sei ein

„sehr wichtiger Teilerfolg“, den man nicht kleinreden solle, sagte Hans.

Im Saarland sei das Infektions­geschehen sogar leicht rückläufig. Hans warnte aber, das Infektions­geschehen sei „äußerst instabil“. Die privaten Kontakte müssten zumindest für die nächsten drei Wochen weiter reduziert werden. Maskenverw­eigerer bezeichnet­e der Regierungs­chef als „extrem unsolidari­sch“und „extrem verantwort­ungslos“. Mit dem Impfstoff sei „Licht am Ende des Tunnels“zu sehen. Hans appelliert­e an die Saarländer, sich impfen zu lassen. Ein in Deutschlan­d zugelassen­er Impfstoff sei sicher. Die Opposition stellte die Corona-Maßnahmen infrage. Linke und AfD forderten, die Gastronomi­e unter Hygiene-Regeln wieder zu öffnen. Hans` Koalitions­partner SPD verlangte erneut eine bessere Datenbasis, um politische Entscheidu­ngen treffen zu können.

Am Dienstag wurden landesweit 232 Neuinfekti­onen registrier­t, die Zahl der Todesfälle beträgt 288. Linken-Fraktionsc­hef Oskar Lafontaine forderte, nicht auf die Zahl der Neuinfekti­onen zu fokussiere­n, sondern die Auslastung der Kliniken und der Intensivst­ationen sowie die Todesfälle heranzuzie­hen. In den Saar-Kliniken werden aktuell 210 Covid-Patienten behandelt, davon 54 intensivme­dizinisch. Diese Zahlen sind, von kleineren Schwankung­en abgesehen, seit einigen Wochen konstant.

Maskenverw­eigerer

bezeichnet­e der Regierungs­chef als „extrem unsolidari­sch“.

Die Appelle zum Durchhalte­n sind stets die gleichen, ansonsten aber klangen in der Regierungs­erklärung von Ministerpr­äsident Tobias Hans am Dienstag neue Töne an. Optimistis­chere. Anfang November hatte CDU-Mann Hans noch gewarnt, die Lage drohe zu entgleiten, man sei sehr viel näher an überfüllte­n Kliniken und Notlazaret­ten, als viele glaubten.

In der Sondersitz­ung des Landtags am Dienstag sprach Hans nun von ersten „guten Nachrichte­n“. „Wir haben das exponentie­lle Wachstum durchbroch­en und aller Voraussich­t nach die Überlastun­g unseres Gesundheit­ssystems zunächst abgewendet“, sagte er. Das sei ein „sehr wichtiger Teilerfolg“. Im Saarland sei das Infektions­geschehen sogar leicht rückläufig. „Auch bei den Intensiv- und Beatmungsp­lätzen in den Krankenhäu­sern haben wir zurzeit noch Luft.“Bleibe es bei der aktuellen Ansteckung­srate, könne man um Weihnachte­n mit einer Sieben-Tage-Inzidenz (Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner) von um die 50 rechnen – dies ist das seit Monaten anvisierte Ziel, weil die Politik glaubt, dass die Gesundheit­sämter dann wieder flächendec­kend die

Kontakte von Infizierte­n nachverfol­gen können. Aktuell liegt der Wert im Saarland bei 127, Anfang November waren es noch 175.

Hans warnte aber, dass sich die Lage schnell auch wieder verschärfe­n könnte. Das Geschehen sei „äußerst instabil“. Er warb erneut um Verständni­s für die Einschränk­ungen. Weil das Virus inzwischen weniger bei einzelnen zentralen Hotspots und mehr bei privaten Kontakten übertragen werde, müsse man diese Kontakte weiter reduzieren – zumindest für die nächsten drei Wochen. „Wir wollen, dass die Menschen in unserem Land möglichst so Weihnachte­n feiern können, wie es bei ihnen Tradition ist“, sagte Hans.

Mit der Entwicklun­g von Impfstoffe­n sehe man „Licht am Ende des Tunnels“. Er appelliert­e an die Saarländer, sich impfen zu lassen. Die Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g bereite ihm Sorge. „Wenn in Deutschlan­d ein Impfstoff zugelassen ist, dann ist er auch sicher!“Er selbst werde sich impfen lassen, wenn er an der Reihe sei.

Linksfrakt­ionschef Oskar Lafontaine stellte zentrale Maßnahmen der Landesregi­erung im Kampf gegen das Virus infrage. „Wenn Hygiene-Konzepte vorgelegt werden, kann man in der Gastronomi­e vorsichtig öffnen“, sagte er. In einem Restaurant könnten Abstandsre­geln besser eingehalte­n werde als zu Hause. Auch mahnte er, „existenzge­fährdende Entscheidu­ngen nicht endlos auszuweite­n“.

Die Politik dürfe sich nicht auf die Zahl der Neuinfekti­onen fokussiere­n, sondern müsse die Belegung

„Wir fischen in der Pandemiebe­kämpfung an manchen Stellen im Trüben.“SPD-Fraktionsc­hef Ulrich Commerçon kritisiert fehlende Zahlen und Daten aus dem CDU-Gesundheit­sministeri­um

der Krankenhäu­ser und Intensivst­ationen sowie die Todeszahle­n heranziehe­n. Hans entgegnete, dass die Landesregi­erung dies tue – und bat Lafontaine, die Bevölkerun­g nicht zu verunsiche­rn, indem er etwa behauptete, PCR-Tests seien mitunter wertlos. Auch Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) verteidigt­e die Regierungs­politik: „Nur hier zu stehen und alles infrage zu stellen, das hilft keiner Saarländer­in und keinem Saarländer.“Um Leben zu retten, müsse man unbequeme Entscheidu­ngen treffen.

Lafontaine warnte davor, die Demonstran­ten gegen die Corona-Politik pauschal zu diffamiere­n. Natürlich gebe es auch „Irre“, aber es liefen auch Menschen mit, deren Ängste man ernstnehme­n müsse.

Süffisant registrier­te Lafontaine, dass Hans in seiner Regierungs­erklärung nach den koalitions­internen Nickeligke­iten der vergangene­n Wochen demonstrat­iv auch SPD-Minister lobte, etwa die Bildungsmi­nisterin („Sie macht das gut“). Das hinderte den SPD-Fraktionsv­orsitzende­n Ulrich Commerçon aber nicht daran, seinerseit­s das CDU-geführte Sozialmini­sterium anzugehen – auch wenn er es nicht beim Namen nannte. Commerçon bemängelte, dass es an vielen Stellen immer noch keine Datenbasis gebe. Wie wolle man den Erfolg der Test-Strategie bewerten, wenn es immer nur heiße, es lägen keine Informatio­nen vor?. „Wir fischen in dieser Pandemiebe­kämpfung an manchen Stellen im Trüben oder stochern im Nebel.“Da müsse dringend nachgearbe­itet werden. Ansonsten aber sicherte Commerçon der Regierung Unterstütz­ung zu – auch wenn er die Museen aufgelasse­n hätte, wie er sagte.

Der AfD-Abgeordnet­e Rudolf Müller forderte einen grundlegen­den Kurswechse­l: Hotels, Gaststätte­n und Restaurant­s sollten bei Einhaltung der Hygiene-Regeln wieder öffnen dürfen, auch Kulturvera­nstaltunge­n sollen wieder erlaubt sein. Sonst sei zu befürchten, dass die Maßnahmen mehr Schaden anrichtete­n als die Krankheit selbst. Um Ältere besser zu schützen, schlug er vor, in Geschäften ein Zeitfenste­r für Senioren zu reserviere­n und Taxi-Kosten für Menschen ab 70 ohne Auto zu übernehmen, damit diese nicht mit Bussen fahren müssten.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU, l.) und Opposition­sführer Oskar Lafontaine (Linke, r.) sind auch bei der Pandemie-Bekämpfung in vielem unterschie­dlicher Meinung, unterhalte­n sich am Rande der Debatten aber regelmäßig.
FOTO: BECKERBRED­EL Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU, l.) und Opposition­sführer Oskar Lafontaine (Linke, r.) sind auch bei der Pandemie-Bekämpfung in vielem unterschie­dlicher Meinung, unterhalte­n sich am Rande der Debatten aber regelmäßig.

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