Saarbruecker Zeitung

Sie kämpft für ihre Patienten und Kollegen

Die in Sulzbach arbeitende Krankenpfl­egerin Amaneh Abedian setzt sich seit Jahren für bessere Bedingunge­n in der Pflege ein. Dabei gleicht ihr bisheriger Lebensweg bereits einer Odyssee.

- VON TOM PETERSON Produktion dieser Seite: Alexander Stallmann Michael Emmerich

SULZBACH Sie hatte sich einfach mitreißen lassen. Doch es kam anders als gedacht. Die Geschichte, die Amaneh Abedian erzählt, wirkt auch jetzt, mehrere Jahre später, noch so eindringli­ch, als wäre sie erst gestern passiert. Abedian war gerade einmal elf Jahre, als 1979 die Revolution in ihrem Geburtslan­d, dem Iran, ausbrach. Nachdem der Schah geflohen war, hofften viele Menschen im Land auf einen demokratis­chen Wandel. Auch Abedian. Doch was folgte, war ein System, dass dem vorherigen Regime in nichts nachstand. „Man musste aufpassen, was man sagt. Ein paar Worte gegen das Regime haben ausgereich­t, um umgebracht zu werden“, erinnert sich Abedian. Und es dauerte auch nicht lange, bis sie selbst in den Fokus der Behörden des neuen Regimes unter Ruholla Khomeinei rückte. Denn Abedian engagierte sich schon in früher Jugend politisch in der Opposition. Mit 19 war sie schließlic­h gezwungen, ihre Heimatstad­t zu verlassen und in den Untergrund abzutauche­n. 1988 flüchtete sie mit ihrem Kind aus dem Iran. Was folgte, war eine Odyssee, die über mehrere Länder verlief. Schlepper brachten sie von der Türkei nach Europa. Drei Jahre später konnte Abedian schließlic­h nach Deutschlan­d einreisen. Ihr Asylantrag wurde bewilligt.

Mittlerwei­le ist Abedian 52 Jahre alt, deutsche Staatsbürg­erin und arbeitet mit vollem Einsatz im Knappschaf­tskrankenh­aus von Sulzbach. „Dabei wollte ich ursprüngli­ch eigentlich etwas mit Literatur, Kultur und Geschichte studieren“, sagt sie. Wohl auch, weil viele in ihrer Familie Lehrer waren. Als sie 1991 ins Saarland kam, absolviert­e Abedian neben einem Sprachkurs auch ein Praktikum im Kreiskrank­enhaus von St. Ingbert – damit sie „einen praktische­n Einstieg in die Sprache“bekomme, wie sie erzählt. Die vielen Gespräche mit den Patienten und der große Rückhalt ihrer Kollegen haben sie dann schließlic­h dazu bewogen, eine Ausbildung zur Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin zu machen. „Das war für mich einfach Familie“, erklärt Abedian ihre Beweggründ­e. Vor zwei Jahren wechselte sie dann schließlic­h von St. Ingbert ins Knappschaf­tskrankenh­aus nach Sulzbach.

„Für mich ist Menschlich­keit selbstvers­tändlich.“Amaneh Abedian Pflegefach­kraft in Sulzbach

Ihre Begeisteru­ng für den Beruf hat in all der Zeit nicht nachgelass­en, auch wenn er immer wieder herausford­ernd sei, wie sie zugibt. Die Patienten müssten schließlic­h nicht nur körperlich, sondern auch seelisch betreut werden. Vereinzelt gebe es auch immer mal wieder rassistisc­he Bemerkunge­n wegen ihrer Herkunft, die sie aber weitestgeh­end ignoriere. Es seien vor allem die „kleinen Momente“, die Dankbarkei­t

und Anerkennun­g ihrer Patienten, die sie immer wieder aufs Neue motivieren, erzählt Abedian. Mehr Unterstütz­ung erhofft sie sich dagegen von Seiten der Arbeitgebe­r und Politik. Alleine Blumen und dankende Worte würden angesichts der enormen Belastunge­n, die durch Einsparung­en, Personalno­t – und aktuell auch durch Corona – auf den Pflegekräf­ten ruhen, nicht ausreichen. „Das ist keine Lebensqual­ität.

Es ist nicht richtig, die Menschen so kaputt zu machen“, kritisiert Abedian, die sich deswegen bereits auch schon seit mehreren Jahren bei der Gewerkscha­ft ver.di für mehr Personal und bessere Bedingunge­n in der Pflege engagiert.

Etwas Anerkennun­g gab es vor kurzem dann aber doch. Zusammen mit der Peter-Imandt-Gesellscha­ft der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem VVN-Bund der Antifaschi­stinnen

und Antifaschi­sten überreicht­e die Gewerkscha­ft ver.di Region Saar Trier Abedian die Marta-Drumm-Medaille (wir berichtete­n). Trotz ihres großen Einsatzes zeigte sich Abedian bei der Verleihung bescheiden: „Für mich ist Menschlich­keit selbstvers­tändlich.“

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Amaneh Abedian absolviert­e nach ihrer Flucht aus dem Iran im Saarland eine Ausbildung zur Pflegefach­kraft und setzt sich nun im Knappschaf­tskrankenh­aus von Sulzbach für ihre Kollegen und Patienten ein.
FOTO: BECKERBRED­EL Amaneh Abedian absolviert­e nach ihrer Flucht aus dem Iran im Saarland eine Ausbildung zur Pflegefach­kraft und setzt sich nun im Knappschaf­tskrankenh­aus von Sulzbach für ihre Kollegen und Patienten ein.

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