Löw bleiben viele Baustellen
Die Rückendeckung für den Bundestrainer ist für den DFB riskant.
(dpa) Mit der nächsten letzten Chance für den „ewigen“Joachim Löw nimmt der Deutsche Fußball-Bund die Baustellen des Bundestrainers mit ins nächste Jahr. Am Tiefpunkt der Stimmung rund um die Nationalmannschaft darf der 60-Jährige seinen streitbaren „Weg der Erneuerung“ungehindert fortsetzen – ein wohl kalkuliertes Risiko mit ungewissem Ergebnis. Denn die Probleme werden nicht kleiner – auch in Bezug auf die EM 2021.
WELTMEISTER-TRIO: Die Bayern Jérôme Boateng, Thomas Müller und Mats Hummels (Borussia Dortmund) stehen sinnbildlich für Löws schleppenden Neuanfang nach der schmachvollen WM 2018. Nun stimmte der DFB aber Löw zu, dass die WM 2022 und die EM 2024 „bereits zum jetzigen Zeitpunkt in den weiteren sportlichen und personellen Überlegungen eine Rolle spielen müssen“. Das liest sich wie eine weitere Absage an das erfahrene Weltmeister-Trio. Die Fragen nach einem Comeback der in ihren Vereinen überzeugenden Routiniers werden spätestens dann wieder aufflammen, wenn die März-Länderspiele in der WM-Qualifikation nicht überzeugend verlaufen. Die Quali-Gegner werden am kommenden Montag ausgelost. Immerhin ist Deutschland in Topf 1 gesetzt.Die richtig starken Gegner wie Spanien, England und Frankreich drohen deshalb nicht.
FAN-INTERESSE: Der enge Zeitplan erhöht das Risiko für den DFB und Löw. Noch einen Rückschlag wie das frühe Aus bei der WM 2018 kann sich Löw, kann sich der DFB nicht leisten. Es geht auch um die Gunst des Publikums. Die geringen TV-Einschaltquoten zuletzt sind ein Warnsignal – auch für den für die Nationalteams verantwortlichen DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Zwar bleiben Löw nun mehrere Monate, um die ersehnte Aufbruchstimmung vorzubereiten. Der in sich gekehrte Bundestrainer fiel bislang jedoch nicht als großer Motivator auf. Gehen die zwei Testspiele kurz vor der EM schief, würde das bei den Fans die Lust auf die EM-Vorrundenspiele daheim gegen Frankreich, Portugal und Ungarn im Juni 2021 in München schmälern.
KADER: Löws Hoffnungen ruhen nun umso stärker auf den Säulen seines Teams. Neben den wenigen verbliebenen Weltmeistern wie Manuel Neuer oder Toni Kroos soll der noch verletzte Joshua Kimmich als zentraler Baustein in Löws Kadergerüst die Mannschaft tragen. Weitere wichtige Spieler wie Leon Goretzka sind angesichts des XXL-Kalenders der Topclubs an der Belastungsgrenze. Das gilt auch für die im Angriff gesetzten Timo Werner, Serge Gnabry und Leroy Sané. Dass Löw trotz allem derzeit formstarken Ex-Nationalspielern wie etwa Max Kruse eine Chance gibt, scheint genauso ausgeschlossen wie eine Rückkehr von Boateng, Hummels oder Müller. Auch das gehört seit Jahren zu Löws Weg, der nie allein nach dem Leistungsprinzip, sondern mit Blick auf die Turniere auch nach dem für ihn besten Kadergefüge nominiert hat.