Saarbruecker Zeitung

Magdeburge­r Rundfunkst­reit als AfD-Menetekel für die CDU

Der Medienauss­chuss des Landtags in Sachsen-Anhalt hat die Entscheidu­ng über die Beitragser­höhung vertagt – nur eine kurze Atempause für die CDU-Spitze.

- VON FRANZISKA HÖHNL UND JÖRG BLANK Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Martin Wittenmeie­r

(dpa) Nicht, dass die CDU kurz vor dem Start ins Superwahlj­ahr 2021 nicht genug Probleme hätte. Die Führungsfr­age bis mindestens Mitte Januar ungelöst, von der Entscheidu­ng über den Kanzlerkan­didaten ganz zu schweigen. Nun eskaliert auch noch der Rundfunkst­reit in der Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt. Der Zoff zeigt wie im Brennglas ein Problem, vor dem auch ein neuer CDU-Chef im Jahr der Bundestags­wahl stehen dürfte: Wie umgehen mit den Rechtspopu­listen von der AfD – vor allem im Osten?

Dass der Medienauss­chuss im Landtag das Thema um eine Woche vertagt und damit ein rasches vorzeitige­s Aus der Koalition verhindert hat, bringt der CDU-Spitze um die scheidende Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r nur kurzfristi­g Luft. In der Bundes-CDU gibt es etliche, die damit rechnen, dass die Koalition

von Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU) doch noch ein halbes Jahr vor der für den 6. Juni angesetzte­n regulären Landtagswa­hl platzt.

Kramp-Karrenbaue­r könnte die Lage vorkommen wie ein Déjà-vu. Am 10. Februar hatte sie ihren Rückzug als Parteichef­in und mögliche Kanzlerkan­didatin angekündig­t. Ihr Schritt war Konsequenz aus dem Polit-Beben in Erfurt, bei dem FDPMann

Thomas Kemmerich mit den Stimmen von AfD und CDU zum Ministerpr­äsidenten gewählt worden war. AKK war vorgeworfe­n worden, sie bekomme die Parteifreu­nde nicht in den Griff. Wird Magdeburg zum zweiten Erfurt für AKK, die wegen der Corona-Krise immer noch im Amt ist? In der CDU-Spitze weisen sie den direkten Vergleich zurück. In Thüringen hätten Teile der

CDU versucht, mit Hilfe der AfD eigene Machtanspr­üche durchzuset­zen, obwohl sie die Wahl verloren hatten, wird argumentie­rt.

In Sachsen-Anhalt sei das Nein zu einer Erhöhung der Rundfunkge­bühr seit langem ureigene CDU-Position. Selbst im Koalitions­vertrag mit SPD und Grünen sie diese festgeschr­ieben worden. Auf Seite 136 heißt es: „Bei der Finanzieru­ng des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks halten wir am Ziel der Beitragsst­abilität fest.“Darauf pocht die Landes-CDU jetzt auch und will ein Einlenken von SPD und Grünen erreichen. Die argumentie­ren aber, ein stabiler Beitrag bedeute Inflations­ausgleich und wollen den Staatsvert­rag samt Beitragspl­us noch retten.

Vorgesehen ist eine Erhöhung der Gebühren von 17,50 Euro auf 18,36 Euro. Ein Veto aus Sachsen-Anhalt würde den kompletten Staatsvert­rag kippen – mit Konsequenz­en für alle Bundesländ­er. Denn der Staatsvert­rag kann nur mit einem einstimmig­en Votum aller Länder in

Kraft treten. Gerade kleinere Rundfunkan­stalten wie der Saarländis­che Rundfunk dürfte insofern mit Sorge nach Magdeburg blicken.

Aus politische­r Sicht gibt es durchaus Gemeinsamk­eiten zwischen Erfurt und Magdeburg. Allen voran ist es die Frage, wie man sich von der AfD abgrenzt – und ob überhaupt. Sachsen-Anhalts CDU-Führung hat seit Jahren Mühe, die Leitplanke nach rechts aufrechtzu­erhalten. Für bundesweit­e Schlagzeil­en sorgte etwa ein Papier zweier CDU-Fraktionsv­ize, die eine Zusammenar­beit mit der AfD künftig nicht mehr ausschließ­en wollten. Vor genau einem Jahr mahnte der Anwärter auf den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, bei einem Parteitag in Magdeburg an: „Eine Zusammenar­beit mit einer solchen Partei, die rechtsradi­kale Neonazis in ihren Reihen nicht nur duldet, sondern aktiv fördert, kommt für die Christlich Demokratis­che Union nicht infrage.“

Er erntete Applaus, die sachsen-anhaltisch­e CDU-Führung wähnte sich in Sicherheit, damit diesen Konflikt ausgemerzt zu haben, doch spätestens mit der Rundfunkde­batte ist er wieder da. Regierungs­chef Haseloff steht dabei doppelt bei seinen Wählern im Wort: Als Teil der CDU-Fraktion trägt er das Nein zu einem höheren Beitrag mit, als Persönlich­keit Haseloff steht der 66-Jährige wie kein Zweiter in der Landes-CDU als Gegner der AfD, der jegliche Kooperatio­n ausschließ­t.

Deswegen muss Haseloff die unmöglich scheinende Lösung finden: Den Beitrag blockieren, ohne die AfD zu brauchen. Sein Ausweg liegt auch auf dem Tisch: Lieber nicht abstimmen, als – mit der AfD – falsch abstimmen. Denn wenn der Landtag bis Jahresende den Staatsvert­rag nicht ratifizier­t, ist er gegenstand­slos und ein neuer muss her. Doch bisher wollen SPD und Grüne dieses Zugeständn­is nicht machen.

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Reiner Haseloff (CDU), Ministerpr­äsident von Sachsen-Anhalt, ist im Streit um den Rundfunkst­aatsvertra­g in der Zwickmühle.

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