Magdeburger Rundfunkstreit als AfD-Menetekel für die CDU
Der Medienausschuss des Landtags in Sachsen-Anhalt hat die Entscheidung über die Beitragserhöhung vertagt – nur eine kurze Atempause für die CDU-Spitze.
(dpa) Nicht, dass die CDU kurz vor dem Start ins Superwahljahr 2021 nicht genug Probleme hätte. Die Führungsfrage bis mindestens Mitte Januar ungelöst, von der Entscheidung über den Kanzlerkandidaten ganz zu schweigen. Nun eskaliert auch noch der Rundfunkstreit in der Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt. Der Zoff zeigt wie im Brennglas ein Problem, vor dem auch ein neuer CDU-Chef im Jahr der Bundestagswahl stehen dürfte: Wie umgehen mit den Rechtspopulisten von der AfD – vor allem im Osten?
Dass der Medienausschuss im Landtag das Thema um eine Woche vertagt und damit ein rasches vorzeitiges Aus der Koalition verhindert hat, bringt der CDU-Spitze um die scheidende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nur kurzfristig Luft. In der Bundes-CDU gibt es etliche, die damit rechnen, dass die Koalition
von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) doch noch ein halbes Jahr vor der für den 6. Juni angesetzten regulären Landtagswahl platzt.
Kramp-Karrenbauer könnte die Lage vorkommen wie ein Déjà-vu. Am 10. Februar hatte sie ihren Rückzug als Parteichefin und mögliche Kanzlerkandidatin angekündigt. Ihr Schritt war Konsequenz aus dem Polit-Beben in Erfurt, bei dem FDPMann
Thomas Kemmerich mit den Stimmen von AfD und CDU zum Ministerpräsidenten gewählt worden war. AKK war vorgeworfen worden, sie bekomme die Parteifreunde nicht in den Griff. Wird Magdeburg zum zweiten Erfurt für AKK, die wegen der Corona-Krise immer noch im Amt ist? In der CDU-Spitze weisen sie den direkten Vergleich zurück. In Thüringen hätten Teile der
CDU versucht, mit Hilfe der AfD eigene Machtansprüche durchzusetzen, obwohl sie die Wahl verloren hatten, wird argumentiert.
In Sachsen-Anhalt sei das Nein zu einer Erhöhung der Rundfunkgebühr seit langem ureigene CDU-Position. Selbst im Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen sie diese festgeschrieben worden. Auf Seite 136 heißt es: „Bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks halten wir am Ziel der Beitragsstabilität fest.“Darauf pocht die Landes-CDU jetzt auch und will ein Einlenken von SPD und Grünen erreichen. Die argumentieren aber, ein stabiler Beitrag bedeute Inflationsausgleich und wollen den Staatsvertrag samt Beitragsplus noch retten.
Vorgesehen ist eine Erhöhung der Gebühren von 17,50 Euro auf 18,36 Euro. Ein Veto aus Sachsen-Anhalt würde den kompletten Staatsvertrag kippen – mit Konsequenzen für alle Bundesländer. Denn der Staatsvertrag kann nur mit einem einstimmigen Votum aller Länder in
Kraft treten. Gerade kleinere Rundfunkanstalten wie der Saarländische Rundfunk dürfte insofern mit Sorge nach Magdeburg blicken.
Aus politischer Sicht gibt es durchaus Gemeinsamkeiten zwischen Erfurt und Magdeburg. Allen voran ist es die Frage, wie man sich von der AfD abgrenzt – und ob überhaupt. Sachsen-Anhalts CDU-Führung hat seit Jahren Mühe, die Leitplanke nach rechts aufrechtzuerhalten. Für bundesweite Schlagzeilen sorgte etwa ein Papier zweier CDU-Fraktionsvize, die eine Zusammenarbeit mit der AfD künftig nicht mehr ausschließen wollten. Vor genau einem Jahr mahnte der Anwärter auf den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, bei einem Parteitag in Magdeburg an: „Eine Zusammenarbeit mit einer solchen Partei, die rechtsradikale Neonazis in ihren Reihen nicht nur duldet, sondern aktiv fördert, kommt für die Christlich Demokratische Union nicht infrage.“
Er erntete Applaus, die sachsen-anhaltische CDU-Führung wähnte sich in Sicherheit, damit diesen Konflikt ausgemerzt zu haben, doch spätestens mit der Rundfunkdebatte ist er wieder da. Regierungschef Haseloff steht dabei doppelt bei seinen Wählern im Wort: Als Teil der CDU-Fraktion trägt er das Nein zu einem höheren Beitrag mit, als Persönlichkeit Haseloff steht der 66-Jährige wie kein Zweiter in der Landes-CDU als Gegner der AfD, der jegliche Kooperation ausschließt.
Deswegen muss Haseloff die unmöglich scheinende Lösung finden: Den Beitrag blockieren, ohne die AfD zu brauchen. Sein Ausweg liegt auch auf dem Tisch: Lieber nicht abstimmen, als – mit der AfD – falsch abstimmen. Denn wenn der Landtag bis Jahresende den Staatsvertrag nicht ratifiziert, ist er gegenstandslos und ein neuer muss her. Doch bisher wollen SPD und Grüne dieses Zugeständnis nicht machen.