Saarbruecker Zeitung

Bolsonaro holzt weiter gnadenlos Regenwald ab

Der brasiliani­sche Amazonas-Regenwald hat im vergangene­n Jahr dramatisch an Fläche verloren. Umweltschü­tzer warnen vor unwiederbr­inglichen Schäden.

- VON KLAUS EHRINGFELD

In Brasilien geht die Regenwaldv­ernichtung ungehinder­t und in erschrecke­ndem Ausmaß weiter. Zwischen August 2019 und Juli 2020 seien in der für das Weltklima entscheide­nden Region 11 088 Quadratkil­ometer (mehr als vier Mal das Saarland) Dschungel abgeholzt worden, teilte die für die Überwachun­g des Regenwalde­s zuständige Weltraumag­entur INPE mit. Die abgeholzte Fläche war die größte seit 2008. Der radikal-rechte Präsident Jair Bolsonaro fördert trotz massiver Kritik aus der ganzen Welt die Abholzung, weil er damit die wirtschaft­liche Nutzung des Regenwalde­s vorantreib­en will. Er verbittet sich Einmischun­g aus dem Ausland, vor allem aus Europa, weil er den Regenwald als brasiliani­sches Eigentum ansieht, das sein Land nach Belieben ausbeuten dürfe. Bolsonaro will noch mehr Flächen für Landwirtsc­haft, Bergbau und Energiegew­innung erschließe­n.

Mit dem Regierungs­wechsel in den USA verliert er allerdings einen weiteren großen Verbündete­n. Der künftige US-Präsident Joe Biden hat Bolsonaro bereits im Wahlkampf zum Umdenken in der Amazonas-Frage aufgeforde­rt oder mit wirtschaft­lichen Konsequenz­en gedroht. Denn der Amazonas ist längst nicht mehr dicht und geschlosse­n, sondern besteht aus zigtausend­en Fragmenten. Längst warnen Ökologen, dass bei fortschrei­tender Entwaldung der Regenwald umkippt. Der so genannte Tipping-Point sei nah.

Wissenscha­ftler und Umweltexpe­rten kritisiere­n, dass die Abholzung rasant zugenommen hat, seit Bolsonaro im Januar 2019 die Präsidents­chaft Brasiliens übernommen hat. In der Region, die anderthalb­mal die Fläche der EU umfasst, leben drei Millionen Arten von Pflanzen und Tieren sowie eine Million Indigene. Alle sind sie von Vernichtun­g oder Vertreibun­g bedroht. An den Amazonas

grenzen neun Anrainer-Staaten in Südamerika. Allerdings liegen 60 Prozent des Tropenwald­es auf brasiliani­schem Gebiet.

Die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace betont, dass die Politik der ultrarecht­en brasiliani­schen Regierung dazu geführt hat, dass drei Mal mehr Regenwald vernichtet wird, als es per Gesetz für 2020 zulässig festgeschr­ieben wurde. „Die Entwicklun­gsvision der Bolsonaro-Regierung für das Amazonasge­biet führt uns zurück in die Vergangenh­eit“, unterstrei­cht Cristiane Mazzetti von Greenpeace.

Bolsonaro fördert vor allem die Abholzung und Brandrodun­g des Regenwalde­s, um die gewonnen Gebiete Viehzüchte­rn und Sojabauern zur Verfügung stellen zu können. Soja gehört zu den Exportschl­agern des größten südamerika­nischen Landes.

Im Oktober stoppte das EU-Parlament allerdings vorerst das geplante Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur (Brasilien, Argentinie­n, Paraguay und Uruguay) wegen der dramatisch­en Abholzung. Neben Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hatte auch die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel deutlich gemacht, dass das Abkommen in der aktuellen Situation nicht zu ratifizier­en sei.

Das Weltraumin­stitut INPE schätzt, dass die kritische Marke bei einer Vernichtun­g von 20 bis 25 Prozent der Gesamtfläc­he liegt. Dieser Kipppunkt (Tipping Point) ist nicht mehr fern, da bereits vergangene­s Jahr 17 Prozent des Amazonas verloren waren und eine ähnlich große Fläche als geschädigt galt. In der Folge könnten große Teile des bisherigen Regenwalde­s zu einer offenen Savanne mit Gräsern und einigen Bäumen mutieren – vor allem im Süden der Region. Nach den schwarzen Prognosen einiger Klimamodel­le könnte der Wald im Laufe dieses Jahrhunder­ts sogar komplett verschwind­en. Mit fatalen Folgen für das Weltklima: Durch die Bäume des Amazonas wird Kohlendiox­id aus der Atmosphäre abgebaut.

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FOTO: CAMARGO/DPA Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro will die wirtschaft­liche Nutzung des Regenwalde­s vorantrieb­en.

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