An der Küste der explodierenden Köpfe
Der Saarbrücker ComicKünstler Erik legt seinen jüngsten Band vor: „Mir platzt gleich der Schädel“führt in die Normandie und stellt den brummeligen Detektiv Dédé vor ein ziemlich großes Rätsel.
Er hat ja schon einiges erlebt. Und überlebt. Aber ein Tourist unter französischer Sonne, dessen Kopf explodiert? Parbleu! Der kopflose Urlauber ist nicht die einzige Merkwürdigkeit, mit der der Pariser Privatdetektiv Deschamps alias Dédé in seinem jüngsten Abenteuer konfrontiert ist. „Mir platzt gleich der Schädel“heißt es naheliegenderweise und ist der fünfte Comicband über den Pariser Ermittler mit Hang zu schlechter Laune und Übergewicht. Das Debüt „Sind Sie tot, Madame?“erschien 2010 und brachte dem Saarbrücker Zeichner/Texter Erik gleich den renommierten Branchenpreis Icom in der Sparte „herausragendes Artwork“ein.
Der jüngste Fall führt Dédé von seiner durchaus praktisch gelegenen Wohnung (über einem Bistro) in die Normandie. Ein sehr reicher und sehr unsympathischer Industrieller engagiert ihn, da dieser erpresst wird. Sollte er nicht eine Million Euro zahlen, dann werde ihm genauso der Kopf explodieren wie dem Urlauber – denn man sei in Besitz einer Strahlenwaffe, sagt der Erpresser. Dédé soll das Geld übergeben, aber schon das läuft anders als geplant. Dédé grübelt, und Autor Erik blättert ein Tableau skurriler und verdächtiger Figuren auf. Haben Militärtests über dem Meer mit der Sache zu tun? Oder Ultraschall-Experimente, um mit Hunden zu kommunizieren? Einige falsche Fährten werden gelegt in diesem sehr vergnüglichen Band, der Spannung und schwarzen Humor ineinander fließen lässt. Auch die optische Gestaltung ist gewohnt exzellent, mit atmosphärischen, enorm plastischen Bildern und großem Detailreichtum.
Anderthalb Jahre von der ersten Idee bis zur Abgabe an den Verlag hat Erik – bürgerlich Frank Weissmüller – an dem Band gearbeitet, „um einiges länger als gedacht“. Zuvor hatte er seinen „Deae ex Machina“-Zyklus um die Abenteuer dreier Schicksalsgöttinnen abgeschlossen; der erschien nach zehn Jahren Arbeit komplett, 400 Seiten in fünf Bänden – ungewöhnlicherweise bei zwei Verlagen, nach Finanzproblemen eines Verlegers (wir berichteten). Danach wollte Erik „ungebremst weiterarbeiten, aber das hat nicht funktioniert“. Wenn die „Deae“auch kein Loch in seinem Leben hinterließen, dann doch „zumindest eine Delle“. Er brauchte seine Zeit.
Den Ort der Handlung kennt Erik gut. Die Normandie hat er einmal mit Freundin im Winter bereist, ist dort im Schlamm am Meer gewandert, „das Wetter war grauenhaft, aber die Steilküste ist bei jedem Klima atemberaubend“– sie spielt im Band eine große Rolle. Erik hat vor Ort unzählige Motive fotografiert und verwandte sie als Inspiration im Saarbrücker Home-Office, das für ihn schlichter Zeichner-Alltag ist, keine Folge der Pandemie. Corona war für ihn bisher kein so großes Problem wie für viele andere. „Es ist eben ein Vorteil, wenn man so ein eigenbrötlerischer Comiczeichner ist“, sagt er. Für seinen ersten Webcomic ab 2009 (die erwähnten „Deae“) hatte er „jahrelang zuhause gesessen und gezeichnet“. So gesehen haben ihn die Kontaktbeschränkungen wenig getroffen – allerdings hätte er sich persönliche, reale Gespräche abseits von Bildschirmkonferenzen durchaus für seinen Brotberuf in der Werbung gewünscht; den braucht er, können von ihrer Comic-Kunst alleine in Deutschland doch die wenigsten Künstlerinnen und Künstler leben.
Diplom-Designer Erik hat lange als Art Director in einer Saarbrücker Agentur und dann als Texter in Düsseldorf gearbeitet. 2005 ging er als Freiberufler nach Saarbrücken zurück, wo er nun halbtags in einer Agentur arbeitet. Das sichert ihm den Lebensunterhalt und eben die Freiheit, auch noch an seinen Comics zu arbeiten.
Wie geht es nun weiter bei ihm? Zwar hätten die abgeschlossenen „Deae“inhaltlich „ein Hintertürchen“in Richtung Fortsetzung, das aber wohl geschlossen bleiben wird. Also der nächste Dédé? „Ich muss erstmal schauen, wie der ankommt.
Wenn das Interesse nicht da ist, hat es ja eigentlich keinen Sinn.“Immerhin ist der erste Dédé-Band mittlerweile in Belgien erschienen, dem Mutterland der frankobelgischen Comics, der zweite Band soll folgen. Diese Tatsache würde ein an Eigen-PR interessierterer Künstler als Erik, der sich ohnehin lieber Handwerker nennt, wohl blumig ausschmücken. Bei Erik klingt es bodenständiger: Millionär werde man da nicht, der Verlag sei ein Ein-Mann-Unternehmen. „Aber ein schöner symbolischer Erfolg ist es doch“.
Abseits von Dédé hat Erik schon zwei Szenarios geschrieben, „mit ganz anderen Figuren“, mit denen er „vielleicht auch mal grafisch anders arbeiten“will. Zugleich ist ein Band mit Dédé-Kurzgeschichten geplant, drei Manuskripte liegen schon in der Schublade, „aber ich weiß noch nicht, wann ich das angehe“. Freunde des brummeligen Ermittlers müssen aber nicht verzagen. Im Frühjahr 2021 erscheint ein Sammelband mit den ersten vier Geschichten, die ausverkauft und nur noch schwer zu haben sind – angereichert mit einer Dédé-Kurzgeschichte, die 2018 auf dem Comicsalon Erlangen als Messeveröffentlichung präsentiert wurde: „Ein bisschen Unfall, ein bisschen Mord“– für den Detektiv also ganz normaler Arbeitsalltag.
Erik: Dédé – Mir platzt gleich der Schädel. Kult Comics, 48 Seiten, 17 Euro.
Info: www.kultcomics.net
Seite des Autors: www.eriks-comics.de