Die andere Seite von „Saarbrooklyn“
2019 rückte ein Spiegel-TV-Beitrag Saarbrücken in ein schlechtes Licht. Ein neuer Dokumentarfilm zeigt nun ein ausgewogeneres Bild.
Es war Dienstag, der 16. Juli 2019. An diesem Tag las Marisa Winter morgens eine Nachricht, die sie zum Nachdenken brachte und den Beginn einer Idee markierte. „Es hatte sich damals ein Facebook-Fan gemeldet, der die Spiegel-TV-Dokumentation über Saarbrücken gesehen hatte und danach verunsichert war, ob er wirklich zum Studium hier herziehen solle“, erzählt die Mitgründerin der Social-Media-Initiative „I love SB“.
Jan-Luca Blaß
Die Dokumentation sei ihr vorher so nicht bekannt gewesen, und sie habe sich den Beitrag danach erst einmal angesehen.
Dabei wurde Winter schlagartig klar: Das dort gezeichnete Bild der Stadt kann so nicht stehen bleiben. „Ich habe die Chance gesehen, zu zeigen, wie Saarbrücken wirklich ist“, sagt Winter, „diese einseitige und rein auf negative Aspekte beschränkte Darstellung wollte ich nicht auf sich beruhen lassen.“Insbesondere der Titel „Saarbrooklyn – der Randbezirk der Gesellschaft“war ihr ein Dorn im Auge. „Der Begriff „Saarbrooklyn“steht für mich für viel Positives, für eine kreative und hilfsbereite Stadt“, sagt die gebürtige Saarbrückerin. Doch all diese Assoziationen wurden für Marisa Winter durch den Beitrag zunichtegemacht. Daher setzte sie sich zum Ziel, die Deutungshoheit über diesen Begriff ein Stück weit wiederzuerlangen und eine umfassendere Perspektive einzunehmen.
Gemeinsam mit dem Mediengestalter und Filmemacher Jan-Luca Blaß begann sie mit den Arbeiten zu einer rund 60-minütigen Dokumentation mit dem Titel „The Other Side of Saarbrooklyn“. „Wir wollten auch die schönen Seiten der Stadt aufzeigen, ohne dabei die vorhandenen Probleme zu verschweigen“, schildert der 20-jährige Blaß. Dabei war den beiden vor allem eines wichtig. „Die Menschen sollten selbst zu Wort kommen und die Geschichte aus ihrer persönlichen Sicht erzählen können“, sagt er. So drehten sie auf der Saarbrücker Folsterhöhe, die von Spiegel-TV ausschließlich negativ dargestellt worden war. Winter und Blaß geben den Bewohnern im Film einen Platz, damit sie ihren Blick auf den Stadtteil schildern können.
Dabei verschweigen die Menschen keineswegs existierende Probleme. Doch sie berichten auch von positiven Entwicklungen und einem Stadtteil, in dem man gerne lebt und füreinander da ist. Neben der Folsterhöhe zählten unter anderem die Innenstadt aber auch St. Arnual zu den Drehorten. Dabei werden beispielsweise die Themen
Wohnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit von Jugendlichen angesprochen.
Zugleich thematisiert der Film jedoch auch, wie den Menschen in Saarbrücken geholfen wird. „Wir haben versucht, die Realität und bestehende Probleme darzustellen. Im gleichen Atemzug aber auch die Tatsache, dass es hier eine riesige Hilfsbereitschaft der Menschen gibt, wodurch unglaublich viel Positives entsteht“, sagt Marisa Winter. Diese Solidarität und das ehrenamtliche Engagement seien für sie in Deutschland nahezu einmalig. Bei den Dreharbeiten lernten die Filmemacher, die das Projekt komplett alleine umsetzten, die Stadt selbst nochmals neu kennen. „Wir haben unglaublich tolle Menschen getroffen und Facetten gesehen, die wir vorher nicht kannten“, berichtet der Riegelsberger Blaß.
Die Finanzierung des Films haben sie größtenteils aus privaten Mitteln gestemmt. Allerdings haben das saarländische Kultusministerium, die Sparkasse Saarbrücken und die Stadt Saarbrücken das Projekt unterstützt. Vor dem Filmprojekt hatte es 2019 bereits eine Button-Aktion der Initiative „I love SB“gegeben. Da eine Premiere im Kino während des Lockdowns nicht möglich ist, soll der Film an Weihnachten kostenlos im Internet uraufgeführt werden. Eine „echte“Premierenfeier ist aber vorgesehen, sobald es die Umstände zulassen. „Wir möchten uns damit bei allen bedanken, die zum Gelingen des Projekts beigetragen haben“, sagen Blaß und Winter unisono, „wir wollten zusammen mit ihnen eine objektivere Geschichte von Saarbrücken erzählen und das ist uns, glauben wir, auch gelungen.“Eine, die eben auch „The Other Side of Saarbrooklyn“zeigt.
„Wir wollten auch die schönen Seiten der Stadt aufzeigen,
ohne dabei die vorhandenen Probleme
zu verschweigen.“
Filmemacher
Mehr Infos zu I love SB: www.facebook.com/ichliebesb