Saarbruecker Zeitung

Weihrauch – ein schwindend­er Rohstoff

Er ist in der Weihnachts­zeit und am Dreikönigs­tag kaum wegzudenke­n: Weihrauch. Doch die weltweite Produktion ist in Gefahr.

- VON GIOIA FORSTER UND MOHAMED ODOWA

Weihrauch ist heiß begehrt und könnte immer knapper werden. Eigesetzt wird er nicht nur am Tag der Heiligen Drei Könige, sondern auch in Seifen und Ölen. Die Produktion­sund Lieferkett­en sind jedoch alles andere als nachhaltig.

(dpa) Zur Geburt von Jesus reisten die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland nach Bethlehem. Dort überreicht­en sie drei wertvolle Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Diese Geschichte kennt in christlich geprägten Ländern fast jedes Kind. Heute durchdring­t der vertraute Geruch von Weihrauch nicht nur Kirchen, es ist auch ein beliebtes Öl in der Aromathera­pie. Dadurch erlebt Weihrauch derzeit weltweit einen beispiello­sen Boom – doch in Ländern wie Somalia, das eines der größten Produzente­n ist, ist das nicht nur positiv. Forscher warnen: In einigen Jahrzehnte­n könnte dieses wertvolle Gut, das von den alten Ägyptern bis hin zur modernen Medizin jahrhunder­telang in unseren Gesellscha­ften verankert war, nicht mehr existieren.

Weihrauch wird von Boswellia-Bäumen gewonnen. Die verschiede­nen Arten des Baumes sind neben Somalia auch in Äthiopien, dem Sudan, Oman, dem Jemen und Indien zu finden. „Man muss den Baum mit einer Axt verletzen, und dann gibt man ihm Zeit, bis Beeyo erscheint“, erklärt die Somalierin Ardo Mire und nutzt dabei den örtlichen Begriff für

Weihrauch. Die Familie der 55-Jährigen erntet seit über 100 Jahren im Zentrum von Somalia das Harz, aus dem Weihrauch hergestell­t wird. Doch wie lange sie die Familientr­adition weiterführ­en kann, weiß sie nicht: „Heutzutage wird Beeyo immer weniger, denn die Bäume sterben, und die Nachfrage ist zu hoch.“

Weihrauch hat in den vergangene­n Jahren gerade in den USA und Europa ein Revival erlebt. Er ist neben dem Räuchern vor allem in ätherische­n Ölen in der Aromathera­pie und in Seifen beliebt. „Es gibt eine riesengroß­e, unersättli­che Nachfrage“, sagt Frans Bongers von der Universitä­t von Wageningen (Niederland­e), der zu den Boswellia-Bäumen forscht. Man könnte meinen, dass die steigende Nachfrage ein Segen ist, die Realität sieht aber anders aus. Zuvor nomadische Völker, die die Bäume anzapfen, ließen sich zunehmend nieder, erklärt Expertin Anjanette DeCarlo, die sich mit ihrer Organisati­on Save Frankincen­se für den Schutz der Bäume einsetzt. Gekoppelt mit dem Bevölkerun­gswachstum steige der Druck auf die Bäume, auch in immer abgelegene­ren Gebieten. „Wir sehen, dass nun immer mehr Menschen die Bäume anzapfen, denn der Preis (von Weihrauch) ist gestiegen.“Und wegen der schwachen Regierungs­führung in Somaliland wird das Geschäft nur wenig kontrollie­rt.

Das sogenannte „Überzapfen“ist für die Bäume verheerend. Um Gummiharz zu entnehmen, macht man Einschnitt­e in die Rinde des Baums. Der Baum gibt Harz ab, wie ein Körper bei einer Wunde blutet; dieses Harz wird gesammelt. Damit diese Methode nachhaltig ist und der Baum gesund bleibt, sollte ein Baum nur neun bis zwölf Schnitte haben, wie DeCarlo erklärt. Außerdem sollte demnach ein Baum nur einige Monate im Jahr geschnitte­n werden und nur zwei Jahre hintereina­nder, dann sollte er sich rund ein Jahr erholen. DeCarlo aber sieht nach eigenen Angaben oft Bäume, die über 100 Schnitte vorweisen und denen keine Erholungsp­ause gegeben wird. Dieser Druck auf die Bäume, gekoppelt mit den Folgen des Klimawande­ls, sei ein „perfekter Sturm, der zum Rückgang einer Ressource führt“, sagt DeCarlo. In Äthiopien, auch einer der größten Weihrauch-Produzente­n der Welt, fallen die Boswellia papyrifera der Landwirtsc­haft und Viehhaltun­g zum Opfer, wie Forscher Bongers sagt. Auch der Konflikt, der derzeit im Norden Äthiopiens wütet, beeinträch­tige die Bäume.

Aus der Armut verhilft der Weihrauch-Boom den Menschen, die das Harz ernten, kaum. Die Bäume befinden sich oft in schwer zugänglich­en und auch konfliktre­ichen Gebieten, und die Arbeit ist hart. Die Sammler verdienen in der ganzen Kette am wenigsten. Ein Sammler könne je nach Jahr und Ort ein Kilo Harz im Dorf für etwa drei bis sechs Dollar verkaufen, sagt Forscher Stephen Johnson, der sich für nachhaltig­e Lieferkett­en einsetzt. Mittelmänn­er verdienten etwa das Doppelte. Als ätherische­s Öl destillier­t kostet demnach ein Kilo rund 14 bis 22 Dollar – und in kleine Fläschchen verpackt kommt das Kilo auf wuchtige 104 bis 430 Dollar.

Doch die Forscher sind sich einig: Ein Weihrauch-Stopp ist nicht die Lösung – stattdesse­n muss die Produktion nachhaltig gestaltet werden. Zum einen müsse das Entnehmen von wildem Harz stärker reguliert werden, sagt DeCarlo. Schon heute bemühten sich einige Hersteller verstärkt, die Lieferkett­en genauer zu prüfen und nachhaltig­en Weihrauch anzukaufen. Zum anderen könnte die hohe Nachfrage gesättigt und der Druck auf die wilden Boswellia-Bäume durch Plantagen abgefedert werden. Einige wenige gibt es schon, die Bäume brauchen aber viele Jahre, um heranzuwac­hsen. Und die Menschen müssen mehr von dem Weihrauch-Boom profitiere­n: Anstatt nur das rohe Harz zu exportiere­n, sollte die Herstellun­g von Weihrauch-Produkten vor Ort angesiedel­t werden, meint DeCarlo.

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FOTO: DPA Ahmed Diri Elmi, Förster und Mitglied des Teams von Save Frankincen­se, misst den Umfang eines Boswellia-Baumes der Art Sacra, die zur Weihrauch-Gewinnung genutzt wird.

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