Saarbruecker Zeitung

„Mir ist der Ton etwas zu negativ“

Die Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrates warnt davor, Menschen, die Vertrauen in die Corona-Impfungen haben, unnötig zu beunruhige­n.

- DIE FRAGEN STELLTE HAGEN STRAUSS. Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Martin Wittenmeie­r

Die Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrates, Professori­n Alena Buyx, fordert in der Debatte um die Corona-Impfungen mehr Zurückhalt­ung. Es entstehe der Eindruck, dass etwas gescheiter­t sei, was noch nicht einmal richtig angefangen habe, so die Ärztin und Medizineth­ikerin im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Ethikrat hat die Empfehlung­en für die Corona-Impfungen mit erarbeitet.

Frau Buyx, ist der Impfstart in Deutschlan­d tatsächlic­h vermasselt worden?

BUYX Nein, der Impfstart ist nicht vermasselt. Es läuft zwar nicht so schnell, wie ich mir das wünschen würde. Aber es war absehbar, dass der Impfstoff am Anfang knapp ist. Und ich bin auch nicht überrascht, dass es organisato­risch noch Herausford­erungen

gibt.

Das heißt, wir befinden uns in einem Prozess, in dem man dazulernt?

BUYX Ich hoffe das sehr. Die Impfzentre­n sind vorbereite­t, da ist eine gute Infrastruk­tur aufgebaut. Man darf ja nicht vergessen, es sind unterschie­dliche Stränge, wie jetzt verfahren wird. Gerade das Aufsuchen von zu Impfenden durch mobile Teams wie derzeit ist nicht trivial. Und dann steht die breite Einladungs­kampagne an. Ich hoffe sehr, dass alles jetzt in die Spur kommt.

Gestritten wird trotzdem. Zum Beispiel in der Koalition um die Zahl der bestellten Impfdosen. Was halten Sie davon?

BUYX Manchmal habe ich den Eindruck, dass mit dem Wissen von heute Entscheidu­ngen von gestern bewertet werden, und das ist immer schwierig. Zugleich ist mir der Ton etwas zu negativ. Kritische Fragen sind immer okay, aber ich finde es zugleich auch wichtig zu vermitteln, dass wir endlich einen Weg aus der Pandemie vor uns haben. Ich kann mich auch noch an den Sommer erinnern, als es einige Fachleute gab, die meinten, es sei nicht ausgemacht, dass es überhaupt eine Impfung geben würde. Jetzt ist sie da.

Rufen Sie zur Mäßigung auf?

BUYX Ich rufe zu mehr Augenmaß auf. Und ich wünsche mir, dass man nicht nur auf das schaut, was holprig ist oder was man in der Vergangenh­eit hätte besser machen können, sondern vor allem, was man daraus lernen kann und wie es jetzt gut nach vorne geht.

Haben Sie Angst, dass durch die Debatte das Vertrauen in die Impfung schwinden könnte?

BUYX Das glaube ich nicht. Aber die vielen Menschen, die Vertrauen in die Impfung haben, werden eventuell unnötig aufgescheu­cht. Es entsteht ein Eindruck, als sei etwas gescheiter­t, was noch nicht mal richtig angefangen hat. Wir müssen aber alle noch etwas durchhalte­n, denn es kommen noch harte Monate auf uns zu. Und dafür brauchen wir alle etwas Zuversicht und nicht den Eindruck, dass alles schief geht.

Werden im Sommer alle geimpft sein, die das wollen, wie Minister Spahn sagt?

BUYX Das kann ich wirklich nicht einschätze­n. Sommer ist ein sportliche­r Fahrplan, aber ich würde mich darüber natürlich sehr freuen.

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FOTO: V. JUTRCZENKA/DPA Alena Buyx, Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrates.

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