Saarbruecker Zeitung

Zum Tode des früheren SZ-Redakteurs Dieter Gräbner

Zwölf Jahre lang leitete der gebürtige Dresdner die Saarbrücke­r Lokalredak­tion und schrieb auch etliche Bücher.

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(oli) Hartnäckig­keit: Vielleicht ist dies das Erste, was einem bei Dieter Gräbner in den Sinn kommt. Noch vor drei, vier Jahren verging kaum eine Woche, da er sich nicht mit einem neuen Thema, über das er „unbedingt“noch schreiben müsse, vor dem Schreibtis­ch aufbaute. Dabei war der frühere SZ-Redakteur da längst in Rente. Doch Ruhestand und Journalist waren Worte, die sich für ihn überhaupt nicht miteinande­r vertrugen. Jetzt ist der Ex-Chef der früheren Stadtverba­ndsausgabe der Saarbrücke­r Zeitung im Alter von 81 Jahren gestorben.

Dieter Gräbner war sicher kein Mensch, den man mit wenigen Sätzen beschreibe­n kann. Wie auch – bei diesem Leben? Mit fünf Jahren entkommt er 1945 knapp dem Bombenstur­m in seiner Heimatstad­t

Dresden. Die Familie rettet sich nach Frankfurt, teilt das Schicksal von Millionen Flüchtling­en in dieser Zeit. Zunächst lernt Dieter Gräbner Speditions­kaufmann. Eigentlich aber will er Reporter werden. Über Hockey und Rudern schreibt er anfangs für die F.A.Z.; auch Sport ist eine lebenslang­e Passion (Tennis spielt er ehrgeizig in seinen 70ern noch). Die Frankfurte­r Rundschau stellt ihn schließlic­h ein. Als Polizeirep­orter ist er auf Achse, interviewt aber zur Hochzeit der 68er auch Rudi Dutschke. Kaum etwas, was ihn nicht interessie­rt.

Gräbner bedient bald das seriöse Fach genauso wie den Boulevard. Für Stern und Spiegel schreibt er als freier Autor, aber auch für Bild und Neue Revue, ist später sogar zwei Jahre lang Chefredakt­eur der Jüdischen Gemeindeze­itung. Wie bloß bekommt er das unter einen Hut? Man könnte dieses enorme Spektrum schnell als übergroß missdeuten. Außer man versteht, was Dieter Gräbner fast bis zuletzt pusht. Es ist die Suche nach der guten Geschichte, die einfach erzählt werden muss. Das bleibt auch Triebfeder, als er 1992 zur SZ kommt, dort über zwölf Jahre als Chef der Saarbrücke­r Lokalredak­tion und als Autor Eindruck macht. Er setzt sich zu Wohnungslo­sen unter die Brücke, will ihre Geschichte­n erfahren. Doch er zelebriert im Blatt auch mit voller Überzeugun­g Lebenslust – etwa mit der legendären „Grappa-Fraktion“.

Vor allem aber gehen die Stadtverba­ndsredakti­on und er Missstände­n auf den Grund. Wie dem, dass man dem Ensheimer Arzt Oskar Orth, der zur NS-Zeit für unzählige Zwangsster­ilisierung­en verantwort­lich war, hierzuland­e lange noch in Form von Straßennam­en und Preisen Tribut zollte. Solcher Ausnahme-Journalism­us wird dann auch mit Preisen belohnt. Ja, Dieter Gräbner macht was los, haut auch mal auf den Putz. Genauso

sicher ist er aber auch kein einfacher Mensch und nicht immer ein einfacher Chef.

Auch später bestimmt sein „Gerechtigk­eitsgen“, wie er es selbst nennt, sein Tun. Er nimmt sich in einem Buch die Härten der Hartz-Reformen vor. Er engagiert sich für die Linken um Oskar Lafontaine. Und je älter er wird, desto wichtiger wird ihm die Geschichte samt ihrer Konsequenz­en. Kriegserfa­hrungen macht er mehr als einmal zum Buchthema, aber er zeichnet für die SZ auch Hunderte von „Lebenswege­n“normaler Saarländer nach, und findet oft das Besondere im Alltäglich­en. Schließlic­h will er auch seinen eigenen Lebensweg, in dem sich so viel deutsche Geschichte spiegelt, noch zum Buch verdichten. Seine schwere Krankheit verhindert das.

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FOTO: BECKER&BREDEL Dieter Gräbner schrieb lange als Redakteur und später als Autor für die Saarbrücke­r Zeitung.

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