Die lange verdrängte Wahrheit
Charlie Hübner muss in Jan Georg Schüttes Drama „Für immer Sommer 90“improvisieren.
SAARBRÜCKEN (ry) Der Filmemacher Jan Georg Schütte ist bekannt dafür, dass er seine Schauspieler am Set gern ins kalte Wasser wirft. So waren seine Projekte „Altersglühen – Speed Dating für Senioren“(2014), „Wellness für Paare“(2016) und „Klassentreffen“(2019) allesamt größtenteils improvisiert. Die Schauspieler erhielten nicht wie sonst bei einem Film üblich ein fertiges Drehbuch mit allen genau vorgezeichneten Dialogen und Szenen, sondern nur ihre Rollenprofile und ein Konzept. Dann wurden sie stundenlang mit den Kameras begleitet. Aus dem Material schuf Schütte nicht nur Filme, sondern im Fall von „Altersglühen“und „Klassentreffen“zusätzlich Miniserien. Dasselbe Prinzip wandte der Regisseur und Drehbuchautor auch bei seinem neuesten Werk „Für immer Sommer 90“an. Es handelt sich dabei um seine erste Zusammenarbeit mit Regisseur Lars Jessen. Beim Schreiben des Drehbuchs bekamen die beiden Unterstützung von Hauptdarsteller Charly Hübner. Auf die Frage, wie dieses gefertigt wurde, sagte er: „Es entstand aus unterschiedlichen Überlegungen. Ich fragte mich rein formal, wie das Improvisationskonzept von Jan Georg Schütte sich wohl im Roadmovie umsetzen ließe. Und Lars Jessen trieb ein Artikel eines Magazins um, in dem über die unterschiedlichen Biografien eines 1990er-Jahrgangs berichtet wurde. Dann kam der Lockdown mit all seinen Veränderungen, und wir suchten nun nach den Möglichkeiten, dies alles zu bündeln.“
Hübner verkörpert dabei Andy Brettschneider, der die Wiedervereinigung als Jugendlicher erlebt hat. Zusammen mit seinen Freunden genießt er 1990 in Mecklenburg-Vorpommern die Feierstimmung nach der gewonnenen Fußballweltmeisterschaft und freut sich auf eine Party am See. Am nächsten Morgen kann er sich nicht daran erinnern, was nachts passiert ist, macht sich aber keine Gedanken darüber. 30 Jahre später ist Andy ein erfolgreicher Frankfurter Banker, der die Coronakrise für einen Karrieresprung nutzt. Da erreicht ihn ein anonymer Brief, der sein Leben auf den Kopf stellt: Darin wird Andy vorgeworfen, er habe vor 30 Jahren eine Frau vergewaltigt und damit ihr Leben zerstört. Zunächst vermutet er eine berufliche Intrige, aber da auch seine Mutter das Schreiben erhalten hat, rückt Andys alte Clique in seinen Fokus. Daher unternimmt er eine Reise in seine alte Heimat und besucht seine früheren Freunde. Alle haben sich verändert, und nicht alle Träume haben sich nach dem Mauerfall erfüllt. Und auch Andy muss sich der Wahrheit stellen, die er lange verdrängt hat.
Für immer Sommer 90, 20.15 Uhr, ARD