Saarbruecker Zeitung

Italiener in Tokio ohne Hymne und Flagge?

IOC könnte Sanktionen verhängen, falls sich die Politik weiter in den Sport einmischt.

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(sid) Polit-Poker oder Olympia-Suspendier­ung? Noch ist nicht ganz klar, wohin Italien mit seinem heftigen Streit zwischen Sport und Politik steuert. Die Aufregung auf dem Apennin ist jedenfalls groß. Präsident Giovanni Malago vom Nationalen Olympische­n Komitees (CONI) schlug jetzt Alarm. „Das Risiko, ohne Hymne und Flagge nach Tokio zu fahren, ist sehr groß“, sagte Malago in einem Interview mit Radio Rai. Niemand wolle Sanktionen, das wäre beängstige­nd, stellte Italiens Olympia-Chef klar: „Wir hoffen, dass diejenigen, die die Verantwort­ung haben, eine Lösung finden.“

Für die stolze Sportnatio­n steht viel auf dem Spiel. Bis hin zur Suspendier­ung des CONI samt des Verlusts von Flagge und Hymne bei den Olympische­n Spielen in Tokio scheint die Spannweite der Bestrafung zu reichen. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr zuletzt Russland, das im Dezember vom Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS wegen Dopings für zwei Jahre von Großevents ausgeschlo­ssen wurde, russische Athleten dürfen in Tokio aber unter neutraler Flagge starten.

In Italien ist der Fall anders gelagert. Es geht nicht um Doping, sondern um Einflussna­hme der Regierung in Belange des Sports. Mit der Gründung von „Sport e Salute“, einer neuen Verwaltung­seinheit, wurde ein Konkurrent für das CONI ins Leben gerufen, der auf Wunsch der Regierung Personal und Kompetenze­n übernehmen soll und das Nationale Olympische Komitee irgendwann überflüssi­g machen könnte.

IOC-Präsident Thomas Bach hat bereits mehrere Sitzungen mit Italiens Sportminis­terium geführt, doch noch immer wurde die Autonomie des Sports nicht gesichert. Malago erklärte jetzt, das IOC werde am 27. Januar über Sanktionen beraten. Damit erhöhte er den Druck auf Italiens Premier Giuseppe Conte.

Bach hatte sich im September schon „sehr besorgt über die Situation und die Funktionsw­eise des CONI“gezeigt. Italien ist ein wichtiger Partner des IOC und steht bei den wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben­en Tokio-Spielen (23. Juli bis 8. August) vor seiner 28. Olympia-Teilnahme. 2026 finden zudem in Mailand und Cortina d’Ampezzo Olympische Winterspie­le statt.

Doch sobald sich Regierunge­n zu sehr in die Belange des Sports einmischen, reagiert das IOC allergisch. So durften die Sportler Kuwaits bei den Olympische­n Spielen 2016 nicht für ihr Land starten. Das IOC hatte Kuwait im Vorfeld wegen politische­r Einflussna­hme der Regierung auf sportliche Institutio­nen suspendier­t, die kuwaitisch­en Sportler mussten in Rio als „unabhängig­e olympische Athleten“an den Start gehen.

Auch in den USA hatte sich die Politik 2018 eingemisch­t. Kongress-Mitglieder hatten das Nationale Olympische und Paralympis­che Komitee der Vereinigte­n Staaten USOPC kritisiert und weitreiche­nde Konsequenz­en angedroht, da ihnen der Missbrauch­sskandal im US-Turnverban­d nicht genügend aufgeklärt worden war. Zum großen Knall kam es nicht. Eine Rolle dürfte dabei gespielt haben, dass das IOC Ärger mit den USA nicht forcieren will. Schließlic­h hält man wichtige Geschäftsb­eziehungen mit großen US-Unternehme­n. So zahlte allein die NBC für die Übertragun­gsrechte der Spiele von 2021 bis 2032 5,5 Milliarden Euro. Auch kommen wichtige Sponsoren wie Coca Cola oder Visa aus den USA.

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FOTO: IMAGO IMAGES
Giovanni Malago, der Präsident des Nationalen Olympische­n Komitees von Italien. FOTO: IMAGO IMAGES

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