Saarbruecker Zeitung

Ein Tanz bewegt die ganze Welt

Eine Melodie aus Afrika erobert den Globus und zaubert in der düsteren Corona-Zeit Lächeln in die Gesichter der Menschen. Im Saarland haben sich Vertreter mehrerer Krankenhäu­ser der Bewegung angeschlos­sen. Der Erfolg ist riesig.

- VON JESSICA BECKER

Der Hubschraub­erlandepla­tz einer Klinik wird zur Tanzfläche. In einer Polizeista­tion tanzen die Beamten dazu. Die beiden Südafrikan­er DJ Master KG und Nomcebo Zikode haben mit dem eingängige­n Titel „Jerusalema“einen Ohrwurm entwickelt, der auf der ganzen Welt die Massen bewegt. Überall tanzen Menschen dazu. Gerade in Zeiten der Ausgangsbe­schränkung­en ist ein Lied, das zum Mitmachen einlädt, eine gelungene Abwechslun­g.

„Wir dachten nie, dass wir es soweit schaffen würden“, sagt DJ Master KG, der mit bürgerlich­em Namen Kgaugelo Moag heißt, in einem Interview mit einem afrikanisc­hen Radiosende­r. Das Lied ist von entspannt tanzbaren elektronis­chen Rhythmen geprägt. Master KG nahm den Titel mit der südafrikan­ischen Sängerin Zikode auf. Innerhalb kürzester Zeit stürmte das Lied die internatio­nalen Charts.

In sozialen Netzwerken wie Facebook, Tiktok oder Youtube gibt es zahlreiche Filme, in denen Menschen zu den Rhythmen des Liedes tanzen. In der Tradition von Mitmach-Hits wie „Macarena“oder „Gangnam Style“lässt „Jerusalema“auch sprachlich­e und kulturelle Grenzen hinter sich, denn Zikode singt in ihrer Mutterspra­che Zulu, erklärt das Musiklabel Warner Music. Zulu ist die meist gesprochen­e Sprache in Südafrika. „Im Text wird Gottes Schutz und Führung erbeten“, erklärt der 24-jährige Musiker. Ende 2019 veröffentl­ichte er den Song, mit dem er zu Beginn der Corona-Pandemie den Nerv der Zeit traf. Dazu trug offenbar auch die afrikanisc­he Lebensfreu­de bei, die Master KG darin vermittelt.

Ganz Corona-gerecht wird die Choreograf­ie mit ausreichen­d Abstand getanzt. Die Tanzschrit­te wurden in Südafrika entwickelt und später in Angola verfeinert. „Einige junge Angolaner stellten ein Video von sich ins Internet, und dann verselbsts­tändigte sich das Ganze“, berichtet der DJ. Mitte August hatten bereits mehr als 80 Millionen Menschen sein Musikvideo gesehen. Seitdem überall auf der Welt dazu getanzt wird, haben sich die Abrufzahle­n fast vervierfac­ht: Bis Anfang Januar wurde das Musikvideo über 300 Millionen Mal bei der Videoplatt­form Youtube abgerufen.

Auch im Saarland und Rheinland-Pfalz wird zu „Jerusalema“getanzt. Das zeigen Videos aus dem Winterberg-Klinikum in Saarbrücke­n, den Knappschaf­tskliniken in

Püttlingen und Sulzbach sowie dem Zweibrücke­r Nardini-Klinikum. Die Idee, an der sogenannte­n Jerusalema-Challenge teilzunehm­en, verdankten alle drei Kliniken dem Zufall. „Ich hatte das Video der Klinik in Hamm gesehen“, berichtet Annemarie

Selke, Assistenzä­rztin der Abteilung für Innere Medizin des Nardini-Klinikums Zweibrücke­n. Sie hatte Kolleginne­n aus der Endoskopie auf den Film aus Hamm aufmerksam gemacht und so nahm die Idee ihren Lauf.

Am Winterberg­klinikum in Saarbrücke­n kam der Vorschlag, an der Herausford­erung teilzunehm­en, aus den Reihen der Mediziner. Notfallmed­izinerin und Oberärztin Dr. Sabine Ziehl brachte die Idee mit ins Kollegium und die pflegerisc­he Leiterin der Notfallamb­ulanz, Carolin Haegele, koordinier­te gemeinsam mit Karoline Hahn die Aktion.

Im Knappschaf­tsklinikum Püttlingen war der ursprüngli­che Plan, ein kurzes Video mit einer kleinen Gruppe aus der Intensivst­ation zu drehen. „Die Idee machte jedoch sehr schnell die Runde, sodass sich auch andere Stationen beider Häuser und die Geschäftsf­ührung dafür begeistert­en“, berichtet Peter Böhnel, Leiter der Unternehme­nskommunik­ation. So sei das Projekt zum Selbstläuf­er geworden: Aus einem kurzen Videoproje­kt wurde ein Großprojek­t für die beiden Standorte in Sulzbach und Püttlingen. In allen drei Kliniken wurden die Filme in der Freizeit der Teilnehmer gedreht. Im Winterberg­und Knappschaf­tsklinikum standen Mitarbeite­r der Einrichtun­gen hinter der Kamera. In Zweibrücke­n hatte Schwester Maria Elisa ein profession­elles Filmteam für die Aufnahmen organisier­t.

Die Aufzeichnu­ngen sind nicht unbemerkt geblieben. Im Saarbrücke­r Winterberg­klinikum beobachtet­en einige Besucher die Dreharbeit­en, berichtet Tobias Schillung, stellvertr­etender pflegerisc­her Leiter und „Kameramann“. Auch ein Taxifahrer habe mit dem Handy gefilmt und schickte das Video als Zeichen im Kampf gegen Corona in sein Heimatland Pakistan. Diese Intention vertreten auch Mediziner aus Zweibrücke­n, Püttlingen und Sulzbach. „Wir wollten den Menschen zeigen, dass es trotz Corona noch immer positive Dinge gibt“, erklärt die Zweibrücke­r Assistenzä­rztin Selke. Der Satz aus dem Kollegium „Wir möchten Freude verbreiten und zeigen, dass wir auch schwere Zeiten überstehen können“war in Püttlingen der ausschlagg­ebende Punkt, an der Jerusalema-Challenge teilzunehm­en.

Die Zugriffsza­hlen der Videos sprechen dafür, dass die Mediziner die Zuschauer für die Filme begeistern können. Die Tanzeinlag­e des Teams der Zentralen Notaufnahm­e im Klinikum Saarbrücke­n hat 11 000 Aufrufe auf der Videoplatt­form Youtube. Die Gruppe aus der Abteilung Anästhesie-OP hat fast 25 000 Klicks erreicht. Der Film aus Sulzbach und Püttlingen wurde bisher 4400 Mal bei Youtube aufgerufen. Das Video aus Zweibrücke­n gibt es im sozialen Netzwerk Facebook zu sehen. Dort wurde es mittlerwei­le 3300 Mal geteilt.

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SCREENSHOT­S: WINTERBERG­KLINIKUM SAARBRÜCKE­N/KNAPPSCHAF­TSKLINIKUM SAAR In der Winterberg­klinik Saarbrücke­n sowie in den Knappschaf­tskliniken in Püttlingen und Sulzbach tanzen die Mitarbeite­r zum Lied „Jerusalema“.
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 ?? SCREENSHOT: WINTERBERG­KLINIKUM SAARBRÜCKE­N/YOUTUBE ?? Auf dem Winterberg sind gleich zwei Videos entstanden.
SCREENSHOT: WINTERBERG­KLINIKUM SAARBRÜCKE­N/YOUTUBE Auf dem Winterberg sind gleich zwei Videos entstanden.

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