Saarbruecker Zeitung

Lindner will FDP in die Regierung führen

Traditione­ll läuft sich die FDP mit ihrem Dreikönigs­treffen für das politische Jahr warm. Doch das Treffen muss diesmal online stattfinde­n und dürfte kein Motivation­sknaller werden. Dabei könnten die im alten Jahr gebeutelte­n Liberalen einen Stimmungsa­ufh

- VON ULRICH STEINKOHL

(dpa) Der Einstieg in das Bundestags­wahljahr 2021 – für die FDP läuft er alles andere als optimal. „Seit 1866 treffen sich die Freien Demokraten traditione­ll zum Dreikönigs­tag in Stuttgart“, schreibt die Partei nicht ohne Stolz im Internet. Doch die Tradition muss diesmal Corona weichen – und so werden an diesem Mittwoch nicht Hunderte Liberale aus der ganzen Republik ins Stuttgarte­r Opernhaus strömen. Zwar werden dort wie üblich Parteichef Christian Lindner und andere führende FDP-Politiker auf der Bühne stehen und versuchen, die Basis auf die kommenden zwölf Monate einzustimm­en. Doch die wird die Reden nur online verfolgen können, der Opernsaal bleibt leer.

Eine große Herausford­erung für jemanden wie Lindner, der von sich sagt, dass er Publikum brauche, weil seine Rede sonst schnell nach einem Vortrag klinge. Dabei würde den Liberalen zum Auftakt des für sie schwierige­n Superwahlj­ahres ein mitreißend­es Dreikönigs­treffen besonders gut tun.

Zwar versprüht der Parteichef die von ihm erwartbare Zuversicht und sagt: „Wir stehen in jeder Hinsicht besser da als ein Jahr vor der letzten Bundestags­wahl.“Doch ob die 7 und 8 Prozent bei zwei Umfragen im Dezember schon die Trendwende sind, muss sich erst noch zeigen. Monatelang dümpelte die FDP davor bei 5 bis 6 Prozent. Lindner sagt nun mit Blick auf die beiden Umfragen: „Das ist unter Berücksich­tigung des Umstandes, dass wir uns in der schwersten Prüfung nach dem Zweiten Weltkrieg befinden, und es eine starke Dominanz des Regierungs­handelns gibt, eine exzellente Ausgangsba­sis.“

Lindners Zielmarke: ein zweistelli­ges Ergebnis bei der Bundestags­wahl am 26. September – nach den 10,7 Prozent bei der Wahl 2017.

Die FDP muss allerdings schon am 14. März liefern. Dann werden in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz neue Landtage gewählt. In Mainz sind die Liberalen an der Landesregi­erung beteiligt. Der dortige Wirtschaft­sminister Volker Wissing ist seit September Generalsek­retär der Bundespart­ei. Ein Patzer wäre höchst peinlich. Gleiches gilt für Baden-Württember­g,

das die FDP als ihr Stammland ansieht und wo sie unbedingt in die Landesregi­erung kommen will.

Prozentual liegt in beiden Bundesländ­ern die Latte nicht besonders hoch: 2016 holten die Liberalen in Rheinland-Pfalz 6,2 und in Baden-Württember­g 8,3 Prozent. Allerdings geben die Umfragen zehn Wochen vor dem Wahltag wenig Anlass zur Freude: In Rheinland-Pfalz steht die FDP derzeit bei 5 und in Baden-Württember­g bei 7 Prozent.

Vielleicht weist Lindner deshalb darauf hin, dass die beiden Wahlen im Südwesten „enorm wichtig für die Länder dort“seien – aber eine Bundestags­wahl einen ganz anderen Charakter habe. Und vielleicht sieht das der FDP-Spitzenkan­didat in Baden-Württember­g, Hans-Ulrich Rülke, deshalb etwas anders. Er nennt die März-Wahlgänge sehr wichtig – „auch für die Gesamtpart­ei, weil man mit Erfolgen bei Landtagswa­hlen bekanntlic­h am ehesten einer Bundespart­ei den Schub gibt, den sie dann auch bei einer Wahl auf Bundeseben­e braucht“. In umgekehrte Richtung funktionie­rt diese Schubwirku­ng aus Rülkes Sicht derzeit nicht. „Unter dem Strich gibt es sicher keinen Rückenwind für den Landtagswa­hlkampf im Moment aus dem Bund.“

Das mag der Corona-Krise und der damit einher gehenden Stärke der Exekutive geschuldet sein, hat aber auch zu tun mit den Eigentoren der FDP im vergangene­n Jahr. Das erste schoss am 5. Februar Thomas Kemmerich. Er hatte bei der Thüringen-Wahl im Oktober zuvor die FDP mit 5,0 Prozent zurück in den Landtag gebracht und wurde nun sensatione­ll zum Ministerpr­äsidenten gewählt. Der Haken: Der Triumph gelang nur mit den Stimmen der AfD. Lindner musste sich vorwerfen lassen – und warf es sich später auch selbst vor – Kemmerich nicht umgehend und unmissvers­tändlich in die Schranken verwiesen zu haben.

Wenig Punkte brachte Lindner auch die unelegante Art und Weise ein, wie er im August seine Generalsek­retärin Linda Teuteberg aus dem Amt drängte. Kein Wunder, dass mancher Liberale nur zu gern einen Haken unter das Jahr gesetzt hat und den Blick lieber nach vorne richtet.

Lindner hat das Ziel „zurück in Regierungs­verantwort­ung“ausgegeben – was selbst bei einem 8-Prozent-Umfragewer­t keck erscheint. Doch er ist überzeugt, dass bis zum Herbst eine „Umwälzung der politische­n Stimmungsl­age“eintreten wird. Weil Union und Grüne ihre offenen Personalie­n klären werden. Und weil FDP-Themen Konjunktur bekommen werden. „In diesem Jahr wird die Frage der Freiheitse­inschränku­ngen immer dringliche­r werden. Es wird die Frage der wirtschaft­lichen Erholung immer aktueller werden.“

„Die Bundestags­wahl ist alles andere als gelaufen, sondern ich würde sagen, sie ist so offen, wie es ein Jahr zuvor lange Zeit keine Wahl mehr war“, lautet Lindners Credo. Sollte er Recht behalten, bekäme er in der FDP vermutlich endgültig Kultstatus. Sollte er irren, könnte am Dreikönigs­tag 2022 jemand anderes auf der Bühne der Stuttgarte­r Oper stehen.

„Wir stehen in jeder Hinsicht besser da als ein Jahr vor der letzten

Bundestags­wahl.“

Christian Lindner

FDP-Chef

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Für Christian Lindner ist die Bundestags­wahl im kommenden Herbst „alles andere als gelaufen“. Deshalb hat der FDP-Parteivors­itzende das Ziel „zurück in Regierungs­verantwort­ung“ausgegeben.

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