Trump-Anhänger stürmen US-Kapitol bei Wahlauszählung
Nach den SenatsStichwahlen in Georgia können die Demokraten beide Kongresskammern kontrollieren. Doch die Freude darüber wurde getrübt. Trump-Anhänger stürmten das Kapitol in Washington.
(dpa) Nach dem Ansturm Hunderter Unterstützer von US-Präsident Donald Trump auf das Kapitol in Washington sind Menschen in das Parlamentsgebäude eingedrungen. Die beiden Kammern des Kongresses unterbrachen ihre Sitzungen zur Bestätigung des Wahlsieges von Joe Biden. Wegen der Proteste ordnete die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, eine Ausgangssperre an. Im Inneren des Kapitols hatten sich beide Parlamentskammern zur Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl vom November versammelt, deren Ergebnis Trump abstreitet. Er hatte seine Anhänger ermutigt, auf das Kapitol zu marschieren.
Zum ersten Mal in zehn Jahren werden die US-Demokraten nicht nur das Weiße Haus, sondern auch beide Kammern des Kongresses kontrollieren. Daran bestanden am Mittwoch nach den Senats-Stichwahlen im Bundesstaat Georgia so gut wie keine Zweifel mehr. Der Demokrat Raphael Warnock wurde bereits in der Nacht zum Mittwoch von führenden Medien zum Sieger über die amtierende Senatorin Kelly Loeffler ausgerufen und wird künftig als erster afro-amerikanischer Senator Georgia in Washington repräsentieren. Und dem ebenso führenden Demokraten Jon Ossoff, der sich am Mittwoch angesichts eines 16 000 Stimmen-Vorsprungs bereits zum Sieger erklärte, ist der Erfolg über den Republikaner David Perdue nach menschlichem Ermessen ebenso nicht mehr zu nehmen, da am Mittwochabend (MEZ) nur noch zwei Prozent der abgegebenen Stimmen auszuzählen waren und diese aus Bezirken kommen, die als Hochburgen der Demokraten gelten.
Doch die Freude der Demokraten darüber wurde bald getrübt. Mitten in die Zertifizierung des Sieges ihres Kandidaten Joe Biden bei der
Präsidentschaftswahl durch den US-Kongress drangen hunderte demonstrierende Trump-Anhänger ins Kapitolgebäude ein. Die Sitzung wurde unterbrochen.
Nichtsdestotrotz wird der klar absehbare Stichwahl-Ausgang in Georgia künftig für ein 50 zu 50-Patt im Senat sorgen, doch Vizepräsidentin Kamala Harris könnte bei einer solchen Situation den Spielregeln zufolge mit ihrer Stimme einen Erfolg der Demokraten sicherstellen. Für Joe Biden hat dies massive positive Folgen. Budget-Entscheidungen und Steuererhöhungen, die lediglich eine einfache Mehrheit benötigen, lassen sich für Biden durchsetzen, wenn die Partei Geschlossenheit zeigt. Das gleiche gilt für Kabinettsposten
und Richter-Besetzungen. Künftig wird nicht mehr der Republikaner Mitch McConnell als Mehrheitssprecher im Senat das Sagen haben, sondern der New York Senator
Charles Schumer. Und Schumer dürfte dafür sorgen, dass Biden viele seiner Wahlversprechen zügig umsetzen kann. Wie beispielsweise die von der Partei geforderten Maßnahmen und Milliarden-Investitionen für eine „saubere“Energieversorgung,
eine Senkung der Kosten im Gesundheitswesen, höhere Steuern für Reiche sowie eine Beschleunigung des Coronavirus-Impfprogramms und neue Hilfspakete für die Bürger und die US-Unternehmen.
Der für die Republikaner so schmerzhafte Verlust des traditionell „roten“Bundesstaates Georgia kam trotz mehrerer Wahlkampfauftritte Trumps in der Region und der Investition von mehreren hundert Millionen Dollar zustande. Erste Analysen zeigen, dass die Wahlbeteiligung von konservativen Bürgern hinter den Erwartungen zurückblieb und dies den Kandidaten Loeffler und Perdue am Ende den Sieg kostete. Die Demokraten wiederum profitierten gleichzeitig von einer hohen Beteiligung vor allem afro-amerikanischer Wähler in den Vororten großer Städte wie Atlanta. Das konservative Magazin National Review bilanzierte gestern zu den Gründen für das schlechte Abschneiden der Republikaner: Die Kandidaten seien nicht beeindruckend gewesen, und Trump habe sich „wie ein Verrückter verhalten“.
Damit bezieht sich der Kommentator auch auf einen Anruf Trumps beim Innenminister von Georgia. In dem mit möglicherweise strafrechtlichen Folgen verbundenen Telefonat hatte der Präsident gefordert, der Minister solle ihm die nötigen Stimmen für einen Wahlerfolg finden. Die Begeisterung für die beiden konservativen Bewerber litt am meisten in ländlichen Gebieten, in denen früher die Republikaner besondere Stärke gezeigt hatten. Das Online-Politikmagazin Axios kommentierte dazu, die Partei gebe nun Trump die Schuld daran, zwei „einfache Siege“sabotiert zu haben - auch indem er immer wieder Zweifel an der Zuverlässigkeit des Wahlvorgangs gesät habe.
Die Zweifel an einer korrekten Wahl zeigten sich am Mittwoch auch durch die Proteste von zehntausenden Trump-Anhängern in Washington, die mit ihren Demonstrationen unter dem Motto „Rettet Amerika“die Zertifizierung des Biden-Sieges durch den US-Kongress begleiteten. Um Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten aus dem linken Lager zu vermeiden, wurde sogar die Nationalgarde eingesetzt. Die für Mittwochabend (MEZ) geplante politisch umstrittene Zertifizierung musste dann jedoch vorerst unterbrochen werden, nachdem es Hunderten von Trump-Anhängern überraschend gelang, in das Kapitolsgebäude einzudringen.
Die örtliche Polizei zeigte sich machtlos gegen den Ansturm und forderte Verstärkung an. Die Volksvertreter verbarrikadierten sich in ihren Büros, während Beobachter von beispiellosen Szenen sprachen. Zuvor hatten Trump und einige Republikaner den Druck auf Vizepräsident Mike Pence erhöht, bei der Zertifizierung den Ausgang in mehreren Bundesstaaten für ungültig zu erklären und die Zählung der Wahlleute zu stoppen. Pence hatte dazu jedoch erklärt, eine solche Aktion stehe ihm verfassungsrechtlich nicht zu. Trump soll nach dieser Absage durch Pence seinen Vizepräsidenten scharf kritisiert und getobt haben, hieß es in Washington.
Hunderten von Trump-Anhängern gelang es, in das Kapitolsgebäude
einzudringen.