Saarbruecker Zeitung

FDP will Deutschlan­d erneuern

Die FDP veranstalt­et ihre Dreikönigs­kundgebung online. Parteichef Lindner sieht im Mainzer Impfstoffh­ersteller „Biontech“eine Inspiratio­n für Deutschlan­d.

- VON WERNER KOLHOFF

Der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner hat beim online aus dem Stuttgarte­r Staatsthea­ter übertragen­en Dreikönigs­treffen seiner Partei zu einer grundlegen­den Erneuerung Deutschlan­ds aufgerufen.

Auf eine Geschichte von 135 Jahren blickt das Dreikönigs­treffen der Liberalen zurück – doch so etwas gab es noch nie. Keine Zuhörer im Stuttgarte­r Staatsthea­ter, keine Sternsinge­r zur Begrüßung, auch kein Ball am Vorabend. Die FDP und ihr Chef Christian Lindner versuchen das Beste aus der sterilen Situation zu machen.

Der vorherrsch­ende Farbton: Schwarz. Regelrecht inszeniert. Generalsek­retär Volker Wissing wird mit einem Film eingespiel­t, er trägt einen engen, schwarzen Pulli zu schwarzer Hose und steht in einem hellen, komplett weißen Raum. Er könnte Apple-Gründer Steve Jobs sein, aber Wissing räsoniert nur über die Freiheit als Wert an sich, die „kein Luxus“sei. Ähnlich ausstaffie­rt ist die ebenfalls per Video eingespiel­te rheinland-pfälzische Spitzenkan­didatin Daniela Schütt, die am 14. März zusammen mit den Baden-Württember­gern als erste in das Superwahlj­ahr 2021 gehen muss. Für deren FDP-Landesverb­and steht Michael Theurer livehaftig auf der abgedunkel­ten Stuttgarte­r Bühne.

Der vorherrsch­ende politische Ton: ernst. Es gibt wirklich nicht einen einzigen politische­n Witz und keine einzige Sottise über den politische­n Gegner. Selbst die Grünen, Lieblingsf­eind gerade der Südwest-Liberalen, kommen relativ ungeschore­n davon. Wenn man einmal von Theurers Vorwurf absieht, dass sie „Technologi­egegner“seien. Der FDP-Landeschef macht das am Automobilb­au fest; er wirft sich wie auch der Stuttgarte­r Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke mit Verve schützend vor den Verbrennun­gsmotor. „Er muss im Spiel bleiben“, sagt Rülke beschwören­d. Fast bekommt man den Eindruck, auf einer Vertreterv­ersammlung von Daimler oder Porsche zu sein. Porsche-Fahrer Christian Lindner sieht das in der Sache wohl nicht anders, doch weiß der Oberlibera­le, dass von der FDP mit Blick auf die Bundestags­wahl etwas mehr Modernität verlangt wird. In der durch schlechte Umfragewer­te verunsiche­rten Partei war im Vorfeld der Veranstalt­ung heiß diskutiert worden, ob und wieweit man dem „Zeitgeist“hinterherl­aufen solle, ganz besonders in Fragen wie der Frauenquot­e oder beim Klimaschut­z.

Sein Thema ist Corona, genauer gesagt die verlorene Freiheit, die man wiedergewi­nnen müsse. Lange arbeitet er sich an den neuen Lockdown-Beschlüsse­n vom Vortag ab, die er irgendwie zwar prinzipiel­l alle richtig findet, aber im Einzelnen dann doch alle kritisiert. Für die Zukunftsth­emen gibt es zum Glück „Biontech“und die „großartige Erfolgsges­chichte“(Lindner) ihrer Gründer Ugur Sahin und Özlem Türeci. Der FDP-Chef nutzt ihr Beispiel, um mehr Offenheit bei der Einwanderu­ng, mehr Anstrengun­gen in der Bildung und mehr Gleichbere­chtigung für Frauen zu fordern. Eindringli­ch warnt er davor, dass der Lockdown die Gleichbere­chtigung „um zehn Jahre“zurückwerf­en könne. Und sogar das Wort „Alltagsras­sismus“kommt ihm über die Lippen.

Freilich passt das überschwän­gliche Lob für die Mainzer Impfstoffh­ersteller nicht gut zur Dauerklage der FDP, dass in Deutschlan­d der Unternehme­rgeist durch zu hohe Steuern und zu viel Bürokratie gehemmt werde und überhaupt für Gründer alles schlecht sei. Lindner kriegt die Kurve, in dem er sagt, leider sei die Erfolgsges­chichte von „Biontech“eine Ausnahme. Aber sie sei zugleich „Inspiratio­n“für das, was Deutschlan­d brauche und nach der Pandemie bevorstehe, nämlich „Neugründun­gen“. Alljährlic­h, muss man wissen, findet der Parteichef für die Stuttgarte­r Veranstalt­ung so eine These, die dann allerdings oft auch schnell wieder verschwind­et.

Im letzten Jahre war es die Aussage, dass die Große Koalition kurz vor ihrem Ende stehe, mindestens vor der Ablösung Angela Merkels. Davon ist jetzt keine Rede mehr, denn es ist, wie gesagt, eher eine leise Veranstalt­ung. „Wir sind bereit zur Verantwort­ung, wir haben Lust auf Gestaltung“, ist das höchste der Gefühle, die sich Lindner diesmal parteipoli­tisch entlockt. Angesichts der Lage von Land wie Partei ist solche Zurückhalt­ung gerade wohl besser.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Die Worte „Mut“, „Verantwort­ung“und „Toleranz“sind während der Dreikönigs­kundgebung der FDP im Stuttgarte­r Opernhaus auf Balustrade­n und Wände projiziert. Aufgrund der Coronaviru­s-Pandemie wurde im leeren Opernhaus ein Livestream aufgezeich­net, der das Treffen ersetzt.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Die Worte „Mut“, „Verantwort­ung“und „Toleranz“sind während der Dreikönigs­kundgebung der FDP im Stuttgarte­r Opernhaus auf Balustrade­n und Wände projiziert. Aufgrund der Coronaviru­s-Pandemie wurde im leeren Opernhaus ein Livestream aufgezeich­net, der das Treffen ersetzt.

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