Saarland holt Abschlussklassen zurück in die Schule
Bildungsministerin: Für alle anderen Schüler bleibt es vorerst beim Online-Unterricht. Kritik von Gewerkschaft und Verbänden.
SAARBRÜCKEN (jos) Ab kommenden Montag, 11. Januar, müssen Schüler von Abschlussklassen im Saarland wieder am Präsenzunterricht teilnehmen. Das gab Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) gestern Abend gegenüber der SZ bekannt. Der Präsenzunterricht soll gestaffelt starten: Schüler der Jahrgangsstufe 12 der Gymnasien und 13 an Gemeinschaftsschulen müssen ab nächsten Montag wieder die Schulbank drücken. Für Schüler der Klassenstufen 9 und 10, die den Hauptschulabschluss oder den Mittleren Bildungsabschluss absolvieren, startet der Präsenzunterricht eine Woche später. Für alle anderen Schüler bleibt es vorerst beim Online-Unterricht.
Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hatte am Montag zwar noch angekündigt, dass die Schulen im Saarland im Januar „definitiv“nicht in den Präsenz-Unterricht zurückkehren würden. Gestern wurde jedoch in einer außerordentlichen Ministerratssitzung eine Ausnahme beschlossen. Nämlich dass ab kommendem Montag, 11. Januar, Schüler von Abschlussklassen in den Präsenz-Unterricht zurückkehren müssen. Der Zugang werde gestaffelt umgesetzt, teilte Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) unserer Zeitung am Mittwochabend mit. Schüler der Jahrgangsstufe 12 der Gymnasien und 13 an den Gemeinschaftsschulen müssen ab Montag, 11. Januar, wieder die Schulbank drücken. Für Schüler, die in den Klassenstufen 9 und 10 den Hauptschulabschluss oder den Mittleren Bildungsabschluss absolvieren, startet der Präsenz-Unterricht ab Montag, 18. Januar. Für alle anderen Schüler bleibe es vorerst beim Online-Unterricht, teilte Streichert-Clivot mit.
Für einzelne Schüler der Klassenstufen 1 bis 6, bei denen keine häusliche Betreuung möglich oder kein häuslicher Arbeitsplatz für das „Lernen von zuhause“vorhanden ist, soll zudem an den jeweiligen Schulstandorten vormittags ein „pädagogisches Angebot in Präsenzform“vorgehalten werden.
Streichert-Clivot betonte, dass es weiterhin ihr Ziel bleibe, „dass alle Schülerinnen und Schüler – sobald es das Infektionsgeschehen zulässt – schnell wieder in den Präsenz-Unterricht zurückzukehren können“. Weil es „Brüche in den Bildungs-Biografien durch die Pandemie“geben werde, werde sie als Bildungsministerin „innerhalb der Landesregierung weiter für eine bessere Ausstattung der Schulen mit den entsprechenden Ressourcen eintreten“. Zur Bewältigung der Folgen der Pandemie seien so etwa mehr Sprachförderung, mehr Schulsozialarbeit und mehr gut ausgebildete Lehrkräfte „unverzichtbar“, so die Ministerin.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW ) im Saarland kritisierte am Mittwoch bereits, dass ein Präsenz-Unterricht von Abschlussklassen an Gemeinschaftsschulen und insbesondere an beruflichen Schulen zu einer „nicht zu unterschätzenden“Zahl von Schülern führe, die davon betroffen sei. Hier sollten die Schulen nach Ansicht der Gewerkschaft „freie Hand bekommen, um individuelle Lösungen der Beschulung unter Einhaltung des Gesundheitsschutzes anbieten zu können“. Die GEW-Landesvorsitzende Birgit Jenni erklärte: „Wir haben Verständnis für ein Präsenz-Angebot, aber die Präsenz-Pflicht sehen wir kritisch und im Widerspruch zu den beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung.“
Auch der Saarländische Lehrerinnenund Lehrerverband (SLLV) begrüßte zwar grundsätzlich die Entscheidung der Politik, dem Gesundheitsschutz oberste Priorität beizumessen. „Allerdings sind wir uns auch alle darüber einig, dass Präsenz-Unterricht mit seinen Lernangeboten sowie den pädagogisch-erzieherischen Inhalten vor Ort für alle Schülerinnen und Schüler zur bestmöglichen Bildung führt.“Die SLLV-Vorsitzende Lisa Brausch kritisierte zudem, „dass die Zeit seit dem ersten Lockdown nicht ausreichend genutzt wurde, um die digitale Ausstattung der Schulen noch umfassender voranzutreiben“. Hier müssten bürokratische Hürden weiter abgebaut werden. Auch bei der personellen Ausstattung der Schulen sieht Brausch Nachbesserungsbedarf. So müssten neben den Lehrkräften multiprofessionelle Teams und Schulhelfer zum Einsatz kommen, um die doppelte Aufgabe der Online-Beschulung und der gleichzeitigen Notbetreuung gerecht zu werden.
Der Verein „Landeselterninitiative für Bildung“bedauerte, dass bei der Verlängerung des Lockdowns der in der Kultusministerkonferenz ersonnene Stufenplan für einen eingeschränkten Schulbetrieb in Grundschulen sowie in den unteren Klassen der weiterführenden Schulen nicht zum Tragen gekommen sei. „Wir befürchten ein Schuljahr mit nicht einholbaren Defiziten und erheblichen Problemen für Kinder, die Lernprobleme haben und aus benachteiligenden Verhältnissen kommen. Reiner Distanz-Unterricht in den Schulen über einen längeren Zeitraum bleibt nicht ohne negative Folgen für die Bildungs-Biographien und die soziale Teilhabe der Kinder und Jugendlichen“, so der Elternverein.
Die Initiative fordert zudem eine bessere Sonderurlaubsregelung für Eltern von schulpflichtigen Kindern. Die angekündigten zusätzlichen zehn arbeitsfreien Tage reichten nicht aus. Es sei „Eltern nicht zuzumuten, jetzt schon ihren Jahresurlaub zur Betreuung der Kinder zu nehmen, der dann in den Ferien fehlt“. Bund und Länder hatten sich darauf verständigt, die Zahl der Kinderkrankentage
in diesem Jahr zu verdoppeln. Demnach soll sich jedes Elternteil in diesem Jahr 20, statt zehn Tage für das Kind krankschreiben lassen dürfen. Alleinerziehende bekommen 40 statt der üblichen 20 Kinderkrankentage.
Die Arbeitskammer des Saarlandes forderte unterdessen, das Kinderkrankengeld auf mindestens 90 Prozent des Nettolohnes aufzustocken. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nicht noch stärkere finanzielle Einbußen erleiden“, erklärte die Geschäftsführerin der Arbeitskammer, Beatrice Zeiger.