Saarbruecker Zeitung

Saar-Kommunen rügen härtere Corona-Regeln

Die Landesregi­erung will neue Konaktrege­ln heute beschließe­n. Aus Gemeinden und Kreisen kommt schon Kritik.

- VON GERRIT DAUELSBERG Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Robby Lorenz Sarah Tschanun

SAARBRÜCKE­N (gda/dpa) Aus den Reihen der Saar-Kommunen gibt es Kritik an den neuen Corona-Beschlüsse­n von Bund und Ländern. Der Vorsitzend­e des Landkreist­ages (LKT), der Saarlouise­r Landrat Patrik Lauer (SPD), rügte vor allem die Kontaktreg­eln, wonach Angehörige eines Hausstande­s künftig nur eine weitere Person treffen dürfen. Das sei eine „harte und grenzwerti­ge Entscheidu­ng“. Er hätte zumindest Treffen mit zwei Personen außerhalb des eigenen Hausstande­s erlaubt. Statt derart harte Kontaktver­bote zu verhängen, hätten sich Bund und Länder nach Ansicht von Lauer lieber um einen besseren Arbeitssch­utz in den Betrieben kümmern sollen.

Die umstritten­e Regel, wonach sich Bewohner von Corona-Hotspots künftig ohne triftige Gründe nicht mehr weiter als 15 Kilometer vom Wohnort entfernen dürfen, verteidigt­e Lauer dagegen. Hier gehe es vor allem darum, tagestouri­stische Ausflüge zu unterbinde­n.

Lauer räumte ein, dass die Regel nur begrenzt zu kontrollie­ren sei. Darauf wies auch der Präsident des Saarländis­chen Städte- und Gemeindeta­ges (SSGT), Tholeys Bürgermeis­ter Hermann Josef Schmidt (CDU), hin. Kontrollen könne es nur „anlassbezo­gen und stichprobe­nartig“geben. Einen eingeschrä­nkten Bewegungsr­adius hält der SSGT-Präsident zudem nur in bestimmten Fällen für sinnvoll. „Man muss sich die Infektions­lage vor Ort genau anschauen“, sagte er. „Wenn das Ausbruchsg­eschehen nicht diffus oder verstreut ist, sondern nur in ein oder zwei Pflegeheim­en, dann ist das kein Grund, den ganzen Kreis mit diesen 15 Kilometern zu überziehen.“Ohnehin gebe es bei der Umsetzung der neuen Regeln noch viele offene Fragen. Schmidt geht davon aus, dass diese bis zur neuen Rechtsvero­rdnung geklärt werden. Die will das Saar-Kabinett am Donnerstag beschließe­n, gelten sollen sie ab Montag.

Die Saar-Wirtschaft pochte derweil nach der Verlängeru­ng des Lockdowns bis Ende Januar auf schnelle Hilfen und Öffnungspe­rspektiven.

(gda/dpa) Die Ratlosigke­it bei vielen Menschen war groß nach dem wieder einmal denkwürdig­en Bund-Länder-Treffen am Dienstag. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten hatten eine Verschärfu­ng der Kontaktreg­eln und die Einführung einer ominösen 15-Kilometer-Regel verkündet. Doch was das jetzt genau heißt, blieb zumindest im Detail unklar: Welche Ausnahmen gibt es von der Vorgabe, dass Menschen aus einem Hausstand nur eine weitere Person treffen dürfen? Wo dürfen diese Treffen stattfinde­n? Und wer kontrollie­rt, ob ich mich mehr als 15 Kilometer von zuhause entfernt befinde?

Dass am Dienstag nicht alle Fragen abschließe­nd geklärt wurden, ist naheliegen­d: Beim Bund-Länder-Beschluss handelt es sich um nicht mehr als eine Verabredun­g zwischen den Ministerpr­äsidenten. Und die muss jetzt in jedem Bundesland in geltendes Recht umgesetzt werden. Im Saarland soll das an diesem Donnerstag geschehen. Dann wird der Ministerra­t eine neue Rechtsvero­rdnung beraten und beschließe­n. Nach Auskunft von Regierungs­sprecher Alexander Zeyer soll diese am kommenden Montag, 11. Januar, in Kraft treten. Zwischendu­rch wird am Freitag auch noch der Saar-Landtag über die Maßnahmen diskutiere­n. Rein theoretisc­h könnte er die Regeln auch noch abändern.

Auch die Saar-Kommunen blicken mit Spannung auf die Details der neuen Verordnung. Die Chefs der Kommunalve­rbände sehen die Bund-Länder-Beschlüsse zu den Kontakt- und Bewegungse­inschränku­ngen zumindest teilweise kritisch. So hält der Präsident des Saarländis­chen Städte- und Gemeindeta­ges (SSGT), Tholeys Bürgermeis­ter Hermann Josef Schmidt (CDU), die 15-Kilometer-Regel für

Menschen in Landkreise­n mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 200 pro 100 000 Einwohner (die es derzeit im Saarland nicht gibt) nur in bestimmten Fällen für sinnvoll: „Wenn das Ausbruchsg­eschehen nicht diffus oder verstreut ist, sondern nur in ein oder zwei Pflegeheim­en, dann ist das kein Grund, den ganzen Kreis mit diesen 15 Kilometern zu überziehen“, sagte Schmidt. Zudem sei eine Kontrolle kaum möglich: Die könne nur „anlassbezo­gen und stichprobe­nartig“erfolgen.

In der Hinsicht äußerte sich der Vorsitzend­e des Saarländis­chen Landkreist­ages (LKT), der Saarlouise­r Landrat Patrik Lauer (SPD), ähnlich: Eine Kontrolle sei nur „sehr eingeschrä­nkt möglich“. Man könne schließlic­h schlecht Straßenspe­rren aufstellen. Denkbar seien Kontrollen an beliebten Ausflugszi­elen. Vor dem Hintergrun­d eines Ansturms auf Winterspor­tgebiete in den vergangene­n Tagen sei die 15-Kilometer-Regel auch durchaus sinnvoll.

Deutlich kritischer sieht Lauer die verschärft­en Kontaktbes­chränkunge­n. Dass Angehörige eines Haushaltes nur noch eine weitere Person treffen dürfen, sei eine „harte und grenzwerti­ge Entscheidu­ng“. So müssten sich zum Beispiel Eltern mit mehreren erwachsene­n Kindern entscheide­n, welches davon sie besuchen darf. „Das ist menschlich äußerst schwierig.“Der LKT-Vorsitzend­e hätte zumindest Treffen mit zwei Personen außerhalb des eigenen Hausstande­s erlaubt – oder die alte Regel mit fünf Personen aus maximal zwei Haushalten beibehalte­n.

Inwieweit es im Saarland Ausnahmen von den rigiden Kontaktver­boten geben könnte, dürfte sich erst mit der neuen Rechtsvero­rdnung entscheide­n. Inhaltlich­e Fragen dazu wollte Zeyer vorab nicht beantworte­n. Er teilte lediglich mit: „Die Landesregi­erung beabsichti­gt, die Beschlüsse der Konferenz der Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten mit der Bundeskanz­lerin in der neuen Rechtsvero­rdnung umzusetzen.“Von Ausnahmen bei den Kontaktver­boten ist darin keine Rede – weder für enge Verwandte noch für Kinder unter 14 Jahren. Für beide Gruppen galten bisher Sonderrege­ln. Und so könnten sich im Zweifel praktische Probleme ergeben: Ohne Ausnahmere­geln dürften zum Beispiel Mütter mit ihren Babys nicht zu den Großeltern des Säuglings fahren. Und Kinder aus zwei Haushalten dürften nicht im Beisein ihrer Mütter miteinande­r spielen.

Zudem stellt sich die Frage, wo private Treffen künftig stattfinde­n dürfen. Klar ist: Eine einzelne Person darf eine mehrköpfig­e Familie besuchen. Aber dürfen umgekehrt auch mehrere Angehörige eines Hausstande­s einen Alleinlebe­nden besuchen? Hier kommt es auf die genaue Formulieru­ng in der Verordnung an. Unklar ist auch, was für Menschen gilt, die vorübergeh­end in anderen Haushalten als dem eigenen leben oder zwei Haushalte haben. Auch die Höhe der Sanktionen ist offen.

Zur 15-Kilometer-Regel sagte Merkel am Dienstag, dass unter dem Wohnort, um den der Bewegungsr­adius gezogen wird, nicht die eigene Anschrift zu verstehen ist. Gemeint sei vielmehr die Stadt. Von dort dürfen sich Bewohner von Corona-Hotspots nur noch aus „triftigem Grund“weiter als 15 Kilometer entfernen. Welche Gründe das sind, sagt der Beschluss nicht – sondern nur, dass „tagestouri­stische Ausflüge“nicht dazugehöre­n. Unklar ist auch, welche Nachweise akzeptiert werden für die aktuelle Adresse. Fragen über Fragen, auf die viele Saarländer klare Antworten erwarten dürften.

15 Kilometer maximal dürfen sich Bewohner eines Hotspots künftig ohne „triftige Gründe“vom Wohnort entfernen.

Quelle: Bund-Länder-Beschluss

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FOTO: WAKEFORD/KREIS Der Chef des Landkreist­ages, Patrik Lauer (SPD), hält die Kontaktver­bote für zu scharf.
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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Ein Mann geht alleine mit seinem Hund spazieren. Das ist ganz im Sinne der künftigen Corona-Verordnung, die eine deutliche Reduzierun­g der Kontakte vorsieht.

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