Saarbruecker Zeitung

Vom Glück, ein Jahr in Ruhe arbeiten zu können

Jaeyun Moon und Luise Talbot profitiere­n als Erste von einem neuen Ateliersti­pendium am Saarbrücke­r KuBa. Seit September arbeiten die beiden Künstlerin­nen hier.

- VON BÜLENT GÜNDÜZ

Das Ateliersti­pendium des Saarbrücke­r Kulturzent­rum am Eurobahnho­f (KuBa) ist neu. Stolz erzählt Kuba-Geschäftsf­ührerin Michaela Kilper-Beer, dass es gelungen sei, die Finanzieru­ng für ein Stipendium zu stemmen, das es jungen Absolventi­nnen und Absolvente­n von Kunst- und Musikhochs­chulen ermögliche­n soll, ein Jahr lang ein Atelier im Kuba zu nutzen. Bezahlt wird das zu einem Drittel von der Hochschule der bildenden Künste und zu zwei Dritteln von zwei privaten Spendern.

Seit September arbeiten nun Jaeyun Moon und Luise Talbot im KuBa. Moon stammt aus Südkorea, hatte dort freie Kunst studiert und war dann zum Studium der Kunstgesch­ichte nach Bochum und Düsseldorf gekommen, bevor sie in Saarbrücke­n freie Kunst studierte und Meistersch­ülerin von Katharina Hinsberg wurde.

Talbot wurde in Essen geboren, wuchs im Saarland auf und studierte dann in Bayreuth Afrikanisc­he Sprachen, Literature­n und Kunst. Am dortigen Iwalewahau­s, einem universitä­ren Ausstellun­gsort für außereurop­äische Kunst mit Schwerpunk­t Afrika, entdeckte sie, wie viel Spaß es machen kann, sich mit Kunst auszudrück­en. „Besonders beeindruck­t hat mich die Begegnung mit den afrikanisc­hen Künstlern, die dort als „Artists in Residence“arbeiteten.“Talbot kam nach dem Abschluss nach Saarbrücke­n zurück und studierte an der HBK freie Kunst. Nach dem Diplom wurde sie Meistersch­ülerin von Gabriele

Langendorf.

Die Künstlerin­nen kannten sich vor dem Stipendium nicht, verstehen sich aber prächtig. Beide sind eher ruhig und zurückhalt­end: „Was wir beide gemeinsam haben“, so Talbot, „ist das sehr ruhige Arbeiten, das passt also sehr gut.“Man sei sich auf Anhieb sympathisc­h gewesen, erzählen die HBK-Absolventi­nnen und sind glücklich, nach dem Ende des Meisterstu­diums die Möglichkei­t eines kostenfrei­en Kuba-Ateliers bekommen zu haben. Ihr Jahr im Kuba wird mit einer gemeinsame­n Ausstellun­g enden.

Auch wenn die Künstlerin­nen schon erstaunlic­h weit in ihrer künstleris­chen Entwicklun­g sind, erkennt man noch den Einfluss der Lehrerinne­n. Moons Arbeit ist sehr von der Linie geprägt, ein Lieblingso­bjekt ihrer Lehrerin Hinsberg. Auch die ehemalige Schülerin untersucht die Wirkung der Linie, geht dabei aber andere Wege.

Immer wieder legt sie Schichten von Farbe in Linien über- und nebeneinan­der, um virtuelle Bildräume zu erzeugen. Durch die Liniendick­e und die Farbgebung entsteht der Eindruck von Tiefe, man glaubt gar Landschaft­en zu erkennen. Beabsichti­gt ist dies so nicht: „Meine Bilder entstehen als abstrakte Werke und sollen erst im Auge des Betrachter­s Assoziatio­nen wecken“, so Moon. „Ich habe kein Bild vor Augen, wenn die Werke entstehen und vergebe deshalb auch nur selten Titel.“Ihre Arbeiten entstehen in kontrollie­rten Schritten, jede Linie wird geplant, überdacht und ausgeführt. Der Zufall spielt zwar eine Rolle, bestimmt das Werk aber nicht.

Moon war nach dem Kunststudi­um in Korea in eine Sackgasse geraten und suchte nach neuen Ausdrucksm­öglichkeit­en, als sie an die HBK kam: „Ich wusste nicht mehr weiter, hatte aber das Verlangen und die Sehnsucht, mich mit Kunst auszudrück­en. Ich stand vor der Frage, was für mich Kunst ist. In Europa bin ich auf die konzeptuel­le Kunst gestoßen, und auch Oskar Holweck hat mich beeindruck­t.“

Mit dem abstrakt-formalen Arbeiten hat Moon in Saarbrücke­n begonnen, konzentrie­rt sich ganz auf Form und Farbe und deren Wirkung im Zusammensp­iel: „Die Linie ist etwas Lebendiges für mich. Ich habe mit Seilschnür­en angefangen und entdeckt, dass man auch mit der Linie Räumlichke­it ausdrücken kann.

Diese extreme Reduktion hat mich fasziniert“, so Moon. In den letzten Monaten bereichern auch Punkte und punktuelle Partikel das Werk der Koreanerin.

Luise Talbot kam an die HBK, weil sie von dem interdiszi­plinären Angebot überzeugt war und noch keine Vorstellun­g hatte, in welchem Medium sie zukünftig arbeiten wollen würde. „Ich habe dann im Studium angefangen, intensiv zu malen“, so Talbot, „und merkte, dass ich damit weiterkomm­e. Schon im zweiten Semester wurde mir die gegenständ­liche Malerei immer wichtiger.“Anfangs malte Talbot vor allem Stillleben und Interieurs. Wichtig sind der Malerin dabei Grundstimm­ungen: „Ob Objekt oder Mensch ist für mich kein großer Unterschie­d. Leere Räume zeigen die Abwesenhei­t des Menschen. Auch das kann spannend sein.“

Talbot ist das Arbeiten in Werkphasen wichtig, so spürt sie Entwicklun­gen in ihrer Arbeit nach. Seit ihrem Diplomabsc­hluss im Jahr 2019 steht die Figur im Vordergrun­d. Mal sind es Menschen, die etwas Puppenhaft­es haben, dann Puppen, die menschlich­e Züge oder Posen einnehmen.

Für den Betrachter ist kaum zu entschlüss­eln, was in den Bildern vor sich geht. Fast immer starren die unheimlich wirkenden Figuren den Betrachter seltsam leblos an, verharren in teilweise merkwürdig angespannt­en Posen.

Ihr narratives Element entwickeln die Bilder aus der Ambivalenz von Dynamik und Statik, Emotionen und Leere der Figuren. Davon leben Talbots Bilder und von der unheimlich­en Stimmung, die den Betrachter schnell gefangen nimmt. Die in naturalist­ischem Stil gemalten Werke sind in kühlen Farben gemalt, Schwarz spielt häufig eine wesentlich­e Rolle. In neuen Bildern experiment­iert Talbot auch mit wärmeren Rottönen und einem gröberen, expressive­n Pinselstri­ch. Im Zentrum aber bleibt die Figur vor unbestimmt­en Hintergrün­den.

„In Europa bin ich auf die konzeptuel­le Kunst

gestoßen, und auch Oskar Holweck hat mich

beeindruck­t.“

Jaeyun Moon „Was wir beide gemeinsam haben, ist das sehr ruhige Arbeiten, das passt also sehr gut.“

Luise Talbot über die Herausford­erung,

sich ein Atelier zu teilen

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FOTO: IRIS MAURER Linie und Figur: Die Künstlerin­nen Jaeyun Moon (links) und Luise Talbot arbeiten mit sehr unterschie­dlichen Ansätzen, aber ihre Ateliergem­einschaft im Saarbrücke­r Atelierhau­s KuBa klappt prima.

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