Saarbruecker Zeitung

Merkel beschwört die Harmonie in der Union

Kanzlerin Merkel sieht bei der CSU-Klausurtag­ung das Verhältnis der CDU zur Schwesterp­artei nach einigen Unstimmigk­eiten auf einem guten Weg.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Kanzlerin Merkel sieht das Verhältnis von CDU und CSU derzeit auf gutem Wege. Die Beziehunge­n beider Parteien seien „ein lebendiges Buch“, sagte sie bei der Klausurtag­ung der CSU-Landesgrup­pe.

Die Kanzlerin lächelt: „Merkel und CSU, das ist ein lebendiges Buch geworden über die vielen Jahre mit verschiede­nen Kapiteln“, sagt Angela Merkel auf die Frage, wie sich ihr persönlich­es Verhältnis zur Schwesterp­artei gestalte. Wie wahr. Die CDU-Kanzlerin, ehemals Parteivors­itzende der großen Schwester, und die Bayern: Das ist wahrlich eine Beziehung mit vielen Höhen, aber vor allem vielen Tiefen.

Doch seit der Corona-Pandemie hat sich das geändert. So formuliert es auch die Kanzlerin an diesem trüben Donnerstag­morgen, an dem sie zu der Tagung der CSU-Landesgrup­pe am Berliner Alexanderp­latz virtuell zu Gast ist. Das Kapitel, das man seit geraumer Zeit gestalte, sei ein „Kapitel der Gemeinsamk­eit“– bei allen Unterschie­den. Und „auch des Versuchs des gegenseiti­gen Verständni­sses, warum wer wie agiert, also durchaus ein Kapitel bei dem wir auch aus den vergangene­n Ereignisse­n gelernt haben“, fügt Merkel nachdenkli­ch hinzu.

Im Augenblick aber sei die Zusammenar­beit mit der bayerische­n Staatskanz­lei als auch mit der CSU-Landesgrup­pe eine sehr „erfolgs

oder resultatsb­ringende Zusammenar­beit, in der man viel zusammen geschafft hat“, sagt sie auf Nachfrage. Ein typischer, undurchdri­nglicher Merkel-Satz.

Fest machen kann man das an einem gewachsene­n Vertrauens­verhältnis zwischen Söder und Merkel in der Zeit der gemeinsame­n Pandemiebe­kämpfung. Söder hat sich und sein Bild gewandelt, betont ununterbro­chen, wie viel er von Merkel gelernt habe, wie sicher sie das Land durch die Krise steuere.

Söder lobte am Vortag bei seinem Auftritt an gleichem Ort in Berlin die Kanzlerin, „was Kondition, Weitsicht, Durchsetzu­ngskraft betrifft, aber auch Empathie in der Politik“. „Ich glaube, die Bundeskanz­lerin wird uns in der deutschen Politik und in der Führung der Politik sehr fehlen“, sagte Söder. Hört, Hört. Vor gut fünf Jahren, auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise, erschien die Kanzlerin auf einem CSU-Parteitag in München und musste sich auf offener Bühne für ihre Flüchtling­spolitik abkanzeln lassen. Der damalige CSU-Vorsitzend­e Horst Seehofer verzichtet­e sogar darauf, ihr einen Platz anzubieten.

2018 gipfelte dann ein Streit, ebenfalls über die Flüchtling­spolitik und die Zurückweis­ung von Migranten an der Grenze, in ein Desaster. Die Fraktionsg­emeinschaf­t von CDU und CSU stand auf dem Spiel. Merkel und Seehofer gelang es auch aufgrund persönlich­er Vorbehalte nicht, ihr Verhältnis zu klären und den Streit zu schlichten. Treiber im Hintergrun­d waren damals Landesgrup­pen-Chef Alexander Dobrindt und eben Söder. Die Attacken der Schwesterp­artei haben Merkel damals tief getroffen, sie empfand das Vorgehen der CSU auch mit Blick auf die damals erstarkend­e AfD als verstörend.

Die CSU erlitt bei der folgenden Landtagswa­hl einen erhebliche­n Dämpfer und schwenkte inhaltlich und auch persönlich um. Söder und Merkel – das ist seit den gemeinsam absolviert­en Ministerpr­äsidentenk­onferenzen im vergangene­n Jahr keine persönlich­e Freundscha­ft geworden. Aber der gegenseiti­ge Respekt ist gewachsen, Vertrauen wurde aufgebaut. Dass Merkel im Sommer das bayerische Kabinett und Söder im Schloss Herrenchie­msee besuchte, war ein Ausdruck dieser engeren Verbindung.

Zu Beginn der Tagung äußerte sich Merkel zu den Vorfällen in Washington und gab dem abgewählte­n US-Präsidente­n Donald Trump eine Mitschuld am Sturm von dessen Anhängern auf das Kapitol. Die verstörend­en Bilder von der Erstürmung des Kongresses hätten sie „wütend und auch traurig gemacht“, sagte Merkel. „Ich bedauere sehr, dass Präsident Trump seine Niederlage seit November nicht eingestand­en hat und auch gestern wieder nicht. Zweifel am Wahlausgan­g wurden geschürt“, sagte Merkel weiter. „Das hat natürlich die Atmosphäre bereitet, in der dann auch solche Ereignisse, solche gewalttäti­gen Ereignisse möglich sind.“

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NIETFELD/DPA ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gab zu Beginn der virtuellen Winterklau­sur der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag ein Statement zum Sturm auf das Capitol in Washington ab.
FOTO: NIETFELD/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gab zu Beginn der virtuellen Winterklau­sur der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag ein Statement zum Sturm auf das Capitol in Washington ab.

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