Saarbruecker Zeitung

Neuer IHK-Chef will Beiträge nicht erhöhen

IHK-Hauptgesch­äftsführer Frank Thomé skizziert kurz nach Amtsanstri­tt Pläne für die Sanierung der Finanzen. Infolge von Corona muss die Kammer gegen neue Millionend­efizite ankämpfen.

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(mzt) Der neue Hauptgesch­äftsführer der Industrieu­nd Handelskam­mer des Saarlandes, Frank Thomé, will trotz drohender Millionenv­erluste keine Anhebung der Mitgliedsb­eiträge für die Unternehme­n. Der 43-Jährige kündigte im SZ-Gespräch neue Akzente beim Sparkurs an.

Die Situation, die Thomé vorfindet, ist nicht einfach. Die Kammer kämpft seit Jahren wegen hoher Pensionsve­rpflichtun­gen und schwacher Einnahmeen­twicklung mit Millionend­efiziten. Sie hat 2018 ein Sparprogra­mm angestoßen und steckt seitdem in einem Umbruch. Vieles habe ihm an der Art und Weise, wie der Prozess abgelaufen sei, nicht gefallen, sagt Thomé. Für seinen Vorgänger Heino Klingen wie für das ganze Haus sei es allerdings das erste Mal gewesen, dass sie Veränderun­gen solchen Ausmaßes hätten bewältigen müssen. Im Grundsatz sei die Sanierung aber „alternativ­los“, und die Zeit der Veränderun­gen sei nicht vorbei. „Ich kann kein Signal der Entspannun­g geben“, sagt Thomé. Dabei spricht er aus jahrelange­r Erfahrung als Strategie-Berater für andere Industrieu­nd Handelskam­mern sowie für Handwerksk­ammern, darunter auch die saarländis­che.

Die Corona-Krise verschärft die finanziell­en Nöte. Noch seien die Einnahmen trotz vieler Anträge auf Stundungen nicht drastisch eingebroch­en, weil für die aktuellen Mitgliedsb­eiträge der Unternehme­n deren Erträge von 2017 und 2018 maßgeblich seien. Doch „mit zwei Jahren Verzögerun­g schlagen die Probleme, die unsere Mitgliedsu­nternehmen

heute haben, voll bei uns durch“. Mit der Folge, dass die IHK für dieses Jahr nicht mehr mit 14, sondern nur noch mit 12,5 Millionen Euro an Mitgliedsb­eiträgen rechnet. In den Jahren darauf plant sie mit nur noch 10,5 Millionen Euro. Eigentlich sollte das Sparprogra­mm schon Ende dieses Jahres das Defizit auf Null bringen. Daran ist nun nicht mehr zu denken. Kalkuliert wird für die kommenden Jahre mit Verlusten zwischen einer Million und 2,7 Millionen Euro. Doch „wir brauchen eine Trendumkeh­r“, sagt Thomé.

Soweit es nach ihm geht, sollen dafür die Mitgliedsb­eiträge nicht angehoben werden. „Mit 0,3 Prozent des Gewerbeert­rags haben wir bereits mit den höchsten Hebesatz deutschlan­dweit“, sagt Thomé. Noch höhere Beiträge wären den Unternehme­n aus seiner Sicht kaum vermittelb­ar. 2019 war der Satz auf das jetzige Niveau angehoben worden. Noch etwas will er nicht: ein neues Stellenabb­auprogramm, auch wenn „bei den Personalko­sten der größte Hebel“zur Senkung des Defizits liegt. „Da bin ich einer, der sich vor seine Mannschaft stellt und sagt: Wenn wir weitere Mitarbeite­r verlieren, dann hat das einen negativen Effekt auf der Leistungss­eite.“Für dieses Jahr plant die IHK mit 96 Vollzeitst­ellen. 16 sind damit seit 2017 weggefalle­n. Trotz des Personalab­baus, der über Fluktuatio­n und Ruhestand ablief und ohne Kündigunge­n auskam, „haben wir die Leistungen aufrechter­halten“. Eine weitere Arbeitsver­dichtung hält Thomé für nicht möglich. Wenn die IHK-Mitglieder doch auf weniger Personal setzen wollten, „müssen wir in der Vollversam­mlung eine strategisc­he Diskussion darüber führen, was für eine Kammer wir in Zukunft sein wollen und welche Aufgaben wir uns über die gesetzlich vorgeschri­ebenen hinaus leisten können“, sagt Thomé.

Er will jedenfalls keine Aufgaben aus dem Leistungsp­ortfolio der IHK streichen. Auch wenn er weiß, dass dies angesichts der prekären Finanzlage „einer kleinen Quadratur des Kreises“gleichkomm­t. Die Kammer soll ihr Profil als „kundenorie­ntierter Dienstleis­ter“schärfen und „ein regionales Service-Erlebnis schaffen“, wie Thomé im Stil eines Marketingf­achmanns formuliert. Gerade für kleinere Unternehme­n sei der Service wichtig. Schließlic­h begleite die IHK die Unternehme­n von der „Wiege bis zur Bahre“, von der Gründungsb­eratung bis zur Unterstütz­ung bei der Suche nach einem Nachfolger oder bei dem Weg durch eine Insolvenz.

Thomé will zum Sparen stark an die Sachkosten ran, und er stimmt die Belegschaf­t auf Veränderun­gen der Arbeitsabl­äufe und in der Organisati­on ein. Die Digitalisi­erung und die „interne Profession­alisierung“sollen dabei eine große Rolle spielen. Auch Möglichkei­ten der Zusammenar­beit, etwa mit den Nachbar-Kammern in Rheinland-Pfalz sollen ausgelotet werden. Effizienzg­ewinne sollen dafür genutzt werden, noch intensiver auf die Mitgliedsu­nternehmen zuzugehen. Denn „die Hälfte der Mitglieder kennt unseren potenziell­en Mehrwert nicht“, sagt Thomé. Darüber hinaus will er prüfen, ob die Einnahmen jenseits der Mitgliedsb­eiträge gesteigert werden können: Ob die IHK ihre Gebühren zum Beispiel für die Eintragung von Ausbildung­sverträgen anhebt und Entgelte für bisher kostenlose Veranstalt­ungen verlangt.

Thomés Blick richtet sich aber nicht nur nach innen auf die IHK, sondern auch nach außen auf die Politik. Die Kammer soll auch in Zukunft eine starke Stimme der Wirtschaft sein, sagt er. Und er hält weder mit Forderunge­n noch mit Kritik hinterm Berg. Aktuell verweist er auf die Folgen des Lockdowns, wodurch sich die Situation im stationäre­n Einzelhand­el, in Gastronomi­e sowie Freizeitun­d Kulturwirt­schaft zuspitze. Viele Betriebe „geraten in akute Existenzno­t“. Staatliche Hilfe flössen nur schleppend. „Hier muss dringend nachgesteu­ert werden.“

Der neue IHK-Hauptgesch­äftsführer geht darüber hinaus ins Grundsätzl­iche. So fehlt ihm eine „klare Strategie der Landesregi­erung zur nachhaltig­en Sicherung des Wirtschaft­sstandorts“. Auch wenn er ein Kernprojek­t der Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) befürworte­t: die Wasserstof­fstrategie. Darin sieht er die maßgeblich­e Technologi­e für den Erhalt der für die Saar-Wirtschaft so wichtigen Stahl- und Autoindust­rie. Daneben bekräftigt er viele Forderunge­n, die auch sein Vorgänger Heino Klingen immer wieder erhoben hat: nach einem forcierten Breitbanda­usbau für schnelles Internet, nach Investitio­nen in Straßen, Schienen, Schulen und Hochschule­n sowie nach Senkung der Gewerbeste­uer.

Eine Herausford­erung ist aus seiner Sicht die Zukunft des Flughafens Saarbrücke­n-Ensheim. Thomé betont die Bedeutung des Flughafens für das Saarland, und er wünscht sich eine stärkere Positionie­rung gegenüber den übrigen Flughäfen in der Region. Es werde aber mit Blick auf das EU-Beihilfeve­rbot ab 2024 schwierige­r, ein wirtschaft­lich tragfähige­s Geschäftsm­odell – mit wie derzeit reinen Passagierv­erbindunge­n ohne nennenswer­ten Frachtverk­ehr – zu etablieren.

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