Zehrender Kampf gegen Motivations-Verlust
Für die deutschen Top-Athleten ist das Durchhaltevermögen bis zu den um ein Jahr verlegten Tokio-Spielen entscheidend geworden.
Strategie. Eine ähnliche Durchhalte-Taktik hat sein Turn-Mitstreiter Marcel Nguyen. „Ich gehe einfach mal davon aus, dass es mit Olympia funktioniert und zudem die Europameisterschaften im April in Basel stattfinden“, sagt der zweimalige Olympia-Zweite von 2012: „Das ist das nächste Ziel, und es laufen die Vorbereitungen darauf.“
Ob die EM aber wirklich ausgetragen werden kann, weiß heute noch keiner. Das Fehlen der Wettkämpfe ist ebenso für Kunstturnerin Elisabeth Seitz das zentrale Problem. „Das einzig Schwierige ist, dass wir raus aus der Normalität sind“, meint die Stuttgarterin, die ihrer dritten Olympia-Teilnahme entgegenblickt: „Die Normalität ist, dass wir uns immer auf Wettkämpfe vorbereiten und sie bestreiten. Das gibt es aktuell nicht.“
Dirk Schimmelpfennig weiß als
Sportchef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), dass dieses Defizit zu Verunsicherung führt und am Selbstbewusstsein nagt. „In den Wettkämpfen bekommt der Athlet die Rückmeldungen über sein Leistungsvermögen, gleichzeitig geben sie Ansporn und Perspektive“, sagt er.
Um dieses Manko zumindest ein wenig zu kompensieren, haben Verbände und Sportler virtuelle und digitale Wettkampf-Angebote kreiert. Der Deutsche Fechter-Bund schuf aus der Not die „German Masters“für die Eliteathleten. Das letzte Turnier im Dezember musste aber wegen des zweiten Lockdowns abgesagt werden. Recht große Beachtung fand auch die von Säbel-Ass Max Hartung initiierte „Demaskiert Liga“, denn dem Europameister fehlte genauso das „Adrenalin des Wettkampfes“.
Kurzbahn-Spezialist Philip Heintz hat dagegen „überhaupt keine Probleme“, sich zu motivieren. Kein Wunder: Ist er doch wie sieben weitere deutsche Schwimmer vom Deutschen Schwimmbund gerade fest für Olympia nominiert worden, um entsprechende Planungssicherheit zu haben. Angeführt wird die Gruppe von Doppel-Weltmeister Florian Wellbrock. Ebenfalls sicher in Tokio dabei: Sarah Köhler, Franziska Hentke, Laura Riedemann, Marco Koch, Marius Kusch und Jacob Heidtmann. „Wir haben die Kriterien für eine Olympia-Nominierung so angelegt, dass unsere zuletzt stärksten Leistungsträger sich in dieser schwierigen Zeit möglichst langfristig in ihren Trainingsprozessen auf Olympia fokussieren können“, erklärt Bundestrainer Bernd
Berkhahn aus Magdeburg.
Und das wirkt. „Mir macht das Schwimmen und das Training derzeit wieder so viel Spaß, dass ich dabei gar nicht an die Spiele denke“, sagt Heintz, der Weltmeister über 200 Meter Lagen von 2013 und 2017: „Mir macht es einfach Spaß. Insofern ist Motivation für mich gar keine Frage.“Egal ist ihm dabei auch, wie die Tokio-Spiele ausgetragen werden – mit wenigen oder keinen Zuschauern und sowieso nach strengsten Corona-Regeln. „Klar hätte ich meine letzten Spiele schon gerne anders gehabt. „Aber ich war zweimal bei Olympia, deswegen ist es für mich nicht so schlimm wie für andere“, sagt Heintz.
Diese Lockerheit haben nicht alle Athleten, wie Bundestrainer Berkhahn betont, schließlich ist ein Großteil der gesamtdeutschen Olympia-Mannschaft noch gar nicht qualifiziert. „Die Anforderungen für eine Teilnahme waren und bleiben wie immer sehr hoch“, sagt Berkhahn und meint das durchaus sportarten-unabhängig. Er wünsche deshalb allen Olympia-Hoffnungen, gesund durch diese besondere Saison zu kommen und „sich ihre Ziele erfüllen zu können“. athleten-deutschland.org