Saarbrücken droht ab Donnerstag 15-Kilometer-Regel
Im Regionalverband Saarbrücken droht die 15-Kilometer-Regel um die eigene Haustür. Aber es gibt Statistik-Probleme – auch für den Kreis Saarlouis.
SAARBRÜCKEN (SZ/maw/fu) Im Regionalverband Saarbrücken drohen ab Donnerstag Bewegungseinschränkungen. Der Grund sind die Corona-Zahlen laut „Dashboard“des Robert-Koch-Instituts (RKI). Diese sind seit Montag maßgeblich für die Aktivierung der 15-Kilometer-Regel in einem Landkreis oder dem Regionalverband. In letzterem lag die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner am Montag bei 237,3. Bleibt der Wert Dienstag und Mittwoch über 200, soll es laut neuer Verordnung nur noch aus „triftigen Gründen“erlaubt sein, sich weiter als 15 Kilometer von der eigenen Wohnung zu entfernen. Die RKI-Zahlen weichen allerdings erheblich von denen des Saar-Gesundheitsministeriums ab. Hier lag die Inzidenz für den Regionalverband am Montag nur bei 177,7. Im Kreis Saarlouis wiederum meldete das RKI einen Wert von 175,5, das Saar-Ministerium 248,6. Letzteres verzeichnete am Montag 58 Neuinfektionen im Saarland.
15 Kilometer, keinen Schritt weiter. Das könnte schon in dieser Woche für zahlreiche Saarländer Alltag werden. Denn um die weiterhin hohen Corona-Zahlen in den Griff zu kriegen, gilt seit Montag ein erneut verschärfter Shutdown – mit Bewegungseinschränkungen. In Landkreisen mit hohen Corona-Infektionszahlen wird nun der Bewegungsradius auf 15 Kilometer um die Wohnanschrift beschränkt. Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 200 pro 100 000 Einwohner, veröffentlicht das Saar-Gesundheitsministerium einen Hinweis im Amtsblatt des Saarlandes. Ab dem nächsten Tag gelten die Beschränkungen in dem Super-Hotspot dann solange, bis die Inzidenz an fünf Tagen in Folge wieder unter 200 gefallen ist.
Als erster saarländischer Landkreis wackelt der Regionalverband Saarbrücken. Hier wurde am Montag vom Robert-Koch-Institut (RKI) ein Inzidenz-Wert von 237,3 gemeldet. Bleiben die Zahlen auch Dienstag und Mittwoch über der kritischen 200er-Marke, drohen ab Donnerstag Konsequenzen. Für touristische Tagesausflüge wird der Aktionsradius beschränkt. Wandern, Rodeln im Schnee oder einfach nur Spazierengehen ist dann lediglich im Umkreis von 15 Kilometern rund um die eigene Haustür möglich. Nicht betroffen sind Menschen, die etwa zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen unterwegs sind oder ihr Kind zur Schule bringen wollen.
Das Gesundheitsministerium kann allerdings von diesen Maßnahmen absehen, sollte das Ausbruchsgeschehen „eindeutig lokalisierbar“sein, wie Sprecher Manuel Kerber auf SZ-Anfrage bestätigt. „Wenn beispielsweise in einem Altenheim plötzlich die Zahlen hochschnellen, müssen wir nicht automatisch Bewegungseinschränkungen für den gesamten Landkreis verhängen.“Anders sei es, wenn sich die Infektionen flächendeckend durch den Kreis ziehen würden, betont Kerber.
Doch ist der Saarbrücker Regionalverband aktuell überhaupt ein Super-Hotspot? Seit dem Beginn der Corona-Pandemie stimmen die Fallzahlen des Gesundheitsministeriums nicht mit den veröffentlichten Zahlen des RKI überein. Lag der Regionalverband laut Ministerium am Sonntag „nur“bei einem Inzidenz-Wert von 187,1 und am Montag bei 177,7, bezifferte ihn das Robert-Koch-Institut mit 237,3.
Umgekehrt verhält es sich mit dem Landkreis Saarlouis. Hier meldete das Saar-Ministerium am Sonntag mit 249,6 eine Inzidenz deutlich über der Bann-Schwelle – am Montag lag sie bei 248,6 –, beim RKI war der Wert mit 175,5 sehr viel niedriger. Der Saarlouiser Landrat Patrik Lauer (SPD) nannte das am Montag „schmeichelhaft, aber das entspricht nicht der Realität“.
Das Chaos bei der behördlichen Statistik stellt die Politik nun vor erhebliche Probleme. Die Regierung im Saarland verfügt über die genauesten Zahlen zur lokalen Ausbreitung des Coronavirus. Aber bei der Anwendung der sogenannten 15-Kilometer-Regel müssen sich die lokalen Behörden nach den Angaben des RKI richten. So ist es in der neuesten Corona-Verordnung der Landesregierung festgeschrieben. Sie sieht vor, zur Bestimmung des „maßgeblichen
Schwellenwertes“die Übersicht des RKI zu nutzen, das „RKI-Dashboard“.
Wieso greift das Land also auf diese Zahlen zurück, obwohl auch im Gesundheitsministerium bekannt ist, dass man selbst über bessere Daten verfügt? Im November änderte der Bund unter großem Druck das Infektionsschutzgesetz. Es wurde um den Paragraphen 28a ergänzt, um die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. Das Gesetz erlaubt nun eine Abstufung der Corona-Regeln je nach Inzidenzwert. In dem Gesetz steht auch, auf welcher Datengrundlage die lokalen Behörden agieren sollen: „Die in den Landkreisen, Bezirken oder kreisfreien Städten auftretenden Inzidenzen werden zur Bestimmung des (…) jeweils maßgeblichen Schwellenwertes durch das Robert-Koch-Institut im Rahmen der laufenden Fallzahlenberichterstattung auf dem RKI-Dashboard unter der Adresse http://corona.rki. de im Internet veröffentlicht.“Das heißt: Entscheidend für die Maßnahmen gegen Covid-19 sind die Zahlen des RKI. Darauf stützt sich die Verordnung des Saarlandes. Dass die Zahlen divergieren, erklärt Ministeriums-Sprecher Kerber mit Meldeverzögerungen aufgrund der Feiertage beim RKI. Er rechnet damit, dass sich die Fallzahlen in den nächsten Tagen „langsam einpendeln“.
Das Gesundheitsamt des Regionalverbandes verwies am Abend auf Melde-Probleme von Anfang Januar im Zuge einer Software-Umstellung. Dadurch rechne das RKI zurzeit noch Fälle in die Inzidenz ein, „die eigentlich schon viel länger als sieben Tage zurückliegen“.
Landrat Lauer betrachtet die Corona-Zahlen in Saarlouis derweil mit Sorge. Dass die Behörden mit unterschiedlichen Zahlen hantieren, hat aus seiner Sicht derzeit „keine weitreichenden Auswirkungen“. Schließlich geht es im Moment ausschließlich um die umstrittene 15-Kilometer-Regel. Allerdings befürchtet Lauer, dass die Verwirrung um die Zahlen die Disziplin bei der Einhaltung der Corona-Regeln mindern könnte. „Was wir erleben ist, dass Leute so verwirrt sind, dass sie sagen: Ich halte mich an gar nichts mehr“, berichtet Lauer. Das wäre die „verheerendste Konsequenz“.