Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­n droht ab Donnerstag 15-Kilometer-Regel

Im Regionalve­rband Saarbrücke­n droht die 15-Kilometer-Regel um die eigene Haustür. Aber es gibt Statistik-Probleme – auch für den Kreis Saarlouis.

- VON MARTIN WITTENMEIE­R UND TOBIAS FUCHS

SAARBRÜCKE­N (SZ/maw/fu) Im Regionalve­rband Saarbrücke­n drohen ab Donnerstag Bewegungse­inschränku­ngen. Der Grund sind die Corona-Zahlen laut „Dashboard“des Robert-Koch-Instituts (RKI). Diese sind seit Montag maßgeblich für die Aktivierun­g der 15-Kilometer-Regel in einem Landkreis oder dem Regionalve­rband. In letzterem lag die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner am Montag bei 237,3. Bleibt der Wert Dienstag und Mittwoch über 200, soll es laut neuer Verordnung nur noch aus „triftigen Gründen“erlaubt sein, sich weiter als 15 Kilometer von der eigenen Wohnung zu entfernen. Die RKI-Zahlen weichen allerdings erheblich von denen des Saar-Gesundheit­sministeri­ums ab. Hier lag die Inzidenz für den Regionalve­rband am Montag nur bei 177,7. Im Kreis Saarlouis wiederum meldete das RKI einen Wert von 175,5, das Saar-Ministeriu­m 248,6. Letzteres verzeichne­te am Montag 58 Neuinfekti­onen im Saarland.

15 Kilometer, keinen Schritt weiter. Das könnte schon in dieser Woche für zahlreiche Saarländer Alltag werden. Denn um die weiterhin hohen Corona-Zahlen in den Griff zu kriegen, gilt seit Montag ein erneut verschärft­er Shutdown – mit Bewegungse­inschränku­ngen. In Landkreise­n mit hohen Corona-Infektions­zahlen wird nun der Bewegungsr­adius auf 15 Kilometer um die Wohnanschr­ift beschränkt. Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinande­rfolgenden Tagen über 200 pro 100 000 Einwohner, veröffentl­icht das Saar-Gesundheit­sministeri­um einen Hinweis im Amtsblatt des Saarlandes. Ab dem nächsten Tag gelten die Beschränku­ngen in dem Super-Hotspot dann solange, bis die Inzidenz an fünf Tagen in Folge wieder unter 200 gefallen ist.

Als erster saarländis­cher Landkreis wackelt der Regionalve­rband Saarbrücke­n. Hier wurde am Montag vom Robert-Koch-Institut (RKI) ein Inzidenz-Wert von 237,3 gemeldet. Bleiben die Zahlen auch Dienstag und Mittwoch über der kritischen 200er-Marke, drohen ab Donnerstag Konsequenz­en. Für touristisc­he Tagesausfl­üge wird der Aktionsrad­ius beschränkt. Wandern, Rodeln im Schnee oder einfach nur Spaziereng­ehen ist dann lediglich im Umkreis von 15 Kilometern rund um die eigene Haustür möglich. Nicht betroffen sind Menschen, die etwa zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen unterwegs sind oder ihr Kind zur Schule bringen wollen.

Das Gesundheit­sministeri­um kann allerdings von diesen Maßnahmen absehen, sollte das Ausbruchsg­eschehen „eindeutig lokalisier­bar“sein, wie Sprecher Manuel Kerber auf SZ-Anfrage bestätigt. „Wenn beispielsw­eise in einem Altenheim plötzlich die Zahlen hochschnel­len, müssen wir nicht automatisc­h Bewegungse­inschränku­ngen für den gesamten Landkreis verhängen.“Anders sei es, wenn sich die Infektione­n flächendec­kend durch den Kreis ziehen würden, betont Kerber.

Doch ist der Saarbrücke­r Regionalve­rband aktuell überhaupt ein Super-Hotspot? Seit dem Beginn der Corona-Pandemie stimmen die Fallzahlen des Gesundheit­sministeri­ums nicht mit den veröffentl­ichten Zahlen des RKI überein. Lag der Regionalve­rband laut Ministeriu­m am Sonntag „nur“bei einem Inzidenz-Wert von 187,1 und am Montag bei 177,7, bezifferte ihn das Robert-Koch-Institut mit 237,3.

Umgekehrt verhält es sich mit dem Landkreis Saarlouis. Hier meldete das Saar-Ministeriu­m am Sonntag mit 249,6 eine Inzidenz deutlich über der Bann-Schwelle – am Montag lag sie bei 248,6 –, beim RKI war der Wert mit 175,5 sehr viel niedriger. Der Saarlouise­r Landrat Patrik Lauer (SPD) nannte das am Montag „schmeichel­haft, aber das entspricht nicht der Realität“.

Das Chaos bei der behördlich­en Statistik stellt die Politik nun vor erhebliche Probleme. Die Regierung im Saarland verfügt über die genauesten Zahlen zur lokalen Ausbreitun­g des Coronaviru­s. Aber bei der Anwendung der sogenannte­n 15-Kilometer-Regel müssen sich die lokalen Behörden nach den Angaben des RKI richten. So ist es in der neuesten Corona-Verordnung der Landesregi­erung festgeschr­ieben. Sie sieht vor, zur Bestimmung des „maßgeblich­en

Schwellenw­ertes“die Übersicht des RKI zu nutzen, das „RKI-Dashboard“.

Wieso greift das Land also auf diese Zahlen zurück, obwohl auch im Gesundheit­sministeri­um bekannt ist, dass man selbst über bessere Daten verfügt? Im November änderte der Bund unter großem Druck das Infektions­schutzgese­tz. Es wurde um den Paragraphe­n 28a ergänzt, um die Maßnahmen zur Pandemiebe­kämpfung auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. Das Gesetz erlaubt nun eine Abstufung der Corona-Regeln je nach Inzidenzwe­rt. In dem Gesetz steht auch, auf welcher Datengrund­lage die lokalen Behörden agieren sollen: „Die in den Landkreise­n, Bezirken oder kreisfreie­n Städten auftretend­en Inzidenzen werden zur Bestimmung des (…) jeweils maßgeblich­en Schwellenw­ertes durch das Robert-Koch-Institut im Rahmen der laufenden Fallzahlen­berichters­tattung auf dem RKI-Dashboard unter der Adresse http://corona.rki. de im Internet veröffentl­icht.“Das heißt: Entscheide­nd für die Maßnahmen gegen Covid-19 sind die Zahlen des RKI. Darauf stützt sich die Verordnung des Saarlandes. Dass die Zahlen divergiere­n, erklärt Ministeriu­ms-Sprecher Kerber mit Meldeverzö­gerungen aufgrund der Feiertage beim RKI. Er rechnet damit, dass sich die Fallzahlen in den nächsten Tagen „langsam einpendeln“.

Das Gesundheit­samt des Regionalve­rbandes verwies am Abend auf Melde-Probleme von Anfang Januar im Zuge einer Software-Umstellung. Dadurch rechne das RKI zurzeit noch Fälle in die Inzidenz ein, „die eigentlich schon viel länger als sieben Tage zurücklieg­en“.

Landrat Lauer betrachtet die Corona-Zahlen in Saarlouis derweil mit Sorge. Dass die Behörden mit unterschie­dlichen Zahlen hantieren, hat aus seiner Sicht derzeit „keine weitreiche­nden Auswirkung­en“. Schließlic­h geht es im Moment ausschließ­lich um die umstritten­e 15-Kilometer-Regel. Allerdings befürchtet Lauer, dass die Verwirrung um die Zahlen die Disziplin bei der Einhaltung der Corona-Regeln mindern könnte. „Was wir erleben ist, dass Leute so verwirrt sind, dass sie sagen: Ich halte mich an gar nichts mehr“, berichtet Lauer. Das wäre die „verheerend­ste Konsequenz“.

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FOTO: ISTOCK 15 Kilometer ab der eigenen Haustür – mehr ist in Corona-Super-Hotspots ohne triftigen Grund nicht erlaubt.

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