Saarbruecker Zeitung

„Im Frühjahr sind wir wieder auf der Bühne!“

Der Ballett-Manager des Saarländis­chen Staatsthea­ters über seine jungen Schützling­e, Proben in Corona-Zeiten und viele schöne Pläne.

- DIE FRAGEN STELLTE SUSANNE BRENNER

Sie sind oft die Jüngsten im Haus und am weitesten von zu Hause weg. Die Tänzerinne­n und Tänzer des Ballettens­embles am Saarländis­chen Staatsthea­ters kommen aus aller Herren Länder. Ihren Beruf können sie oft nur ausüben, so lange sie noch sehr jung und körperlich fit sind. Was bedeutet für diese jungen Leute der Stillstand in Corona-Zeiten? Und wie geht es überhaupt weiter mit dem Ballett? Das wollten wir von Klaus Kieser wissen. Er ist der Ballett-Manager am Saarländis­chen Staatsthea­ter.

In ein paar Wochen „feiern“wir Jubiläum. Ein Jahr mit Corona. Ein Jahr, in dem auch das Ballettens­emble kaum auf die Bühne kam, teils nicht einmal trainieren durfte. Wie haben die jungen Tänzerinne­n und Tänzer diese Zeit bisher überstande­n?

Klaus Kieser: Mein Eindruck ist: den Umständen entspreche­nd gut. Das Saarländis­che Staatsball­ett gehörte deutschlan­dweit zu den ersten Ensembles, die nach dem Stillstand Mitte März wieder mit dem Training im Ballettsaa­l begannen, das war in der zweiten Maiwoche. Nach wie vor trainieren wir mit Sicherheit­sabstand, in zwei Gruppen parallel. Das tägliche 75-minütige Training ist so wichtig, weil es den Körper fit hält und ihn auf den Arbeitstag

mit den Proben vorbereite­t – Tänzer sind in dieser Hinsicht wie Leistungss­portler. Seit Juni sind wir wieder am Arbeiten, wobei seit November erneut die Vorstellun­gen fehlen.

Balletttän­zerinnen und -tänzer können ihren körperlich herausford­ernden Beruf im Allgemeine­n nur wenige Jahre überhaupt ausüben. Spätestens mit 30 ist Schluss. Wenn in einem so engen Zeitfenste­r dann auch noch ein ganzes Jahr wegfällt, stelle ich mir vor, dass die Verzweiflu­ng teilweise groß sein muss?

Klaus Kieser: Ganz so klein ist das Zeitfenste­r für Tänzer nicht: Die allermeist­en tanzen doch mindestens bis zum Alter von 35 Jahren, wenngleich einige gezwungen sind, aufgrund einer Verletzung ihre Karriere eher zu beenden. Verzweiflu­ng konnte ich bei den Mitglieder­n unserer Kompanie glückliche­rweise nicht feststelle­n. Natürlich fällt der Umgang mit der gegenwärti­gen Situation ganz individuel­l aus, abhängig von Naturell und Lebenserfa­hrung.

Wer Künstlerin oder Künstler wird, hat den starken Wunsch, sich auszudrück­en, kreativ zu sein, Neues zu erproben – und natürlich dafür die Rückmeldun­g vom Publikum zu bekommen. Können Sie am Theater in Corona-Zeiten diesem Bedürfnis überhaupt noch ansatzweis­e gerecht werden?

Klaus Kieser: Durchaus, auch wenn allen das Auftreten vor Publikum sehr fehlt. Immerhin kann das Ensemble seit Mai wieder im Ballettsaa­l trainieren, und Stijn Celis hat seitdem zwei Stücke choreograp­hiert: „Sound & Vision“und „Winterreis­e“. Insofern war da schon tänzerisch­e Arbeit, wenn auch unter den bekannten Auflagen der Corona-Zeit. Zudem konnten sich die Tänzer in den vergangene­n Monaten

mit eigenen Choreograp­hien beschäftig­en. Und seit ein paar Tagen, seit dem 5. Januar, studiert die Kompanie ein neues Werk ein: „Whiteout“von Marco Goecke, einem herausrage­nden jüngeren Choreograp­hen, der inzwischen Ballettdir­ektor an der Staatsoper Hannover ist. Jedoch wissen wir derzeit nicht, wann wir es, als deutsche Erstauffüh­rung übrigens, herausbrin­gen können.

Viele der jungen Leute am SST-Ballett kommen aus aller Herren Länder nach Saarbrücke­n, um hier am Theater zu arbeiten. Sie sind teilweise sehr weit weg von ihrer Heimat und ihren Familien und jetzt in Corona-Zeiten wahrschein­lich auch noch viel allein. Da gab es doch sicher schon schwierige Moment in den letzten Monaten.

Klaus Kieser: Natürlich, manche sorgen sich wegen Corona um ihre Familien in anderen Ländern. Doch jeder meistert die Pandemie-Zeit anders, das ist wirklich verschiede­n. Viele unserer Ensemblemi­tglieder wohnen in WGs, also in einer Gemeinscha­ft, einige leben mit Partner, und die, die allein wohnen, haben viel Kontakt zu anderen Menschen. Grundsätzl­ich verbringen ja Tänzer viel Zeit miteinande­r, fühlen sich als Familie. Die sechs, die im Herbst zu uns gestoßen sind, haben sich, so mein Eindruck, hervorrage­nd eingelebt und integriert.

Das Theater kommt einem aktuell vor wie ein großes Auto, das im Leerlauf Vollgas gibt. Sie bereiten Produktion­en vor, von denen Sie gar nicht wissen, ob und wann sie vor Publikum gezeigt werden können. Das stelle ich mir frustriere­nd vor.

Klaus Kieser: Dieser Zustand ist tatsächlic­h nicht einfach. Aber wir wissen, dass wir die Stücke, die wir jetzt proben, irgendwann aufführen können. Es werden bessere Zeiten kommen, wir dürfen die Zuversicht nicht verlieren. Und vergessen wir nicht: Viele Künstler sind an einem Theater in Festanstel­lung, sie haben einen gesicherte­n Arbeitspla­tz und Arbeitsmög­lichkeiten, wenn diese auch noch für eine gewisse Zeit mit Einschränk­ungen verbunden sind. Selbstvers­tändlich will man wieder vor Publikum auftreten, doch hilft es nichts, ob der aktuellen Unmöglichk­eit hysterisch zu werden. Geduld ist gefragt, und im Frühjahr sind wir ja wieder auf der Bühne!

Stijn Celis’ „Winterreis­e“ist fertig in den Startlöche­rn. Werden wir die überhaupt noch sehen?

Klaus Kieser: Selbstvers­tändlich kommt „Winterreis­e“zur Premiere, und zwar zu Beginn der Wiederaufn­ahme des Vorstellun­gsbetriebs am Saarländis­chen Staatsthea­ter.

Und das sehr gelobte Stück „Sound & Vision“konnten bei weitem nicht alle Leute sehen. Gibt es da noch eine Chance?

Klaus Kieser: Auch hier gibt es gute Nachrichte­n: Nach den fünf Aufführung­en von „Sound & Vision“im Oktober 2020 folgen weitere, sobald das Saarländis­che Staatsthea­ter wieder Vorstellun­gen geben darf.

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FOTO: BETTINA STÖSS „Sound & Vision“war in der sommerlich­en Corona-Pause ein Erfolg des Staatsthea­ter-Balletts. Bald soll es wieder auf den Spielplan. Unser Foto zeigt Nicola Strada, Mattia Serio und Nobel Lakaev.
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Foto: Uve Sauer Klaus Kieser ist Manager des Balletts des Saarländis­chen Staatsthea­ters und findet, sein Team hat Corona bisher gut gemeistert.

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