Saarbruecker Zeitung

Neuer Wirbel im Saarland um die Corona-Regeln

Trotz hoher RKI-Werte sieht das Land von Maßnahmen in SaarKreise­n ab. Ein Gericht prüft das Kontaktver­bot.

- VON GERRIT DAUELSBERG

SAARBRÜCKE­N/SAARLOUIS (gda) Die Menschen im Regionalve­rband Saarbrücke­n und im Landkreis Saarlouis bleiben vorerst von Bewegungse­inschränku­ngen aufgrund hoher Corona-Zahlen verschont. Das teilte das von Ministerin Monika Bachmann (CDU) geführte Saar-Gesundheit­sministeri­um am Mittwochab­end mit. Zuvor hatten die vom Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldeten Werte allerdings große Unsicherhe­it ausgelöst.

Das betraf vor allem den Regionalve­rband Saarbrücke­n. Für den hätte das Ministeriu­m laut eigener Rechtsvero­rdnung eigentlich eine Verschärfu­ng

der Corona-Regeln einführen müssen, wonach sich die Bürger ab Donnerstag für tagestouri­stische Ausflüge nur noch 15 Kilometer von der eigenen Haustür entfernen dürfen. Maßgeblich dafür sind die RKI-Zahlen. Demnach lag die Sieben-Tage-Inzidenz

pro 100 000 Einwohner für den Regionalve­rband am Mittwoch zum dritten Mal in Folge über 200, nämlich bei 252,2. Allerdings hatten Software-Probleme diesen Wert nach oben getrieben – der Regionalve­rband selbst meldete am Mittwochab­end einen Wert von 152,7. Deshalb verzichtet­e das Ministeriu­m nach eigenen Angaben auf „einen Eingriff in die verfassung­srechtlich­e Bewegungsf­reiheit“.

Dasselbe gilt für den Landkreis Saarlouis, der laut RKI und auch nach eigenen Angaben über einem Inzidenzwe­rt von 200 liegt. Hier verzichtet das Ministeriu­m vor allem aufgrund eines lokal begrenzten hohen Infektions­geschehens in Altenheime­n auf eine Verschärfu­ng.

Die landesweit­en Kontaktbes­chränkunge­n bleiben unabhängig davon bestehen: Ein Haushalt darf nur eine weitere Person treffen. Dagegen hat jetzt aber eine Großmutter einen Eilantrag vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht in Saarlouis gestellt. Sie sieht sich darin gehindert, gemeinsam mit ihrem Mann ihre Enkel und deren Eltern zu treffen. Laut Gericht argumentie­rt die Frau, die Kontaktbes­chränkung sei zu unbestimmt und stelle einen schwerwieg­enden Grundrecht­seingriff dar.

Software-Fehler mit großer Wirkung: Die verspätete Meldung von Corona-Neuinfekti­onen hat das Saar-Gesundheit­sministeri­um am Mittwoch vor arge Probleme gestellt – und letztlich die eigene Verordnung brechen lassen. Denn nach deren Wortlaut hätte das Ministeriu­m eigentlich eine Bewegungse­inschränku­ng für den Regionalve­rband Saarbrücke­n verhängen müssen – deren Bürger hätten sich dann ab Donnerstag für tagestouri­stische Ausflüge nicht weiter als 15 Kilometer von der eigenen Haustür entfernen dürfen. Das für die Verschärfu­ng ausdrückli­ch maßgeblich­e Robert-Koch-Institut (RKI) meldete nämlich am Mittwoch zum dritten Mal in Folge seit Inkrafttre­ten der Verordnung Anfang der Woche eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 200 pro 100 000 Einwohner für den Regionalve­rband.

Letztlich verzichtet­e das Ministeriu­m auf die Verschärfu­ng. Denn die RKI-Zahlen für den Regionalve­rband sind derzeit völlig aus der Luft gegriffen. „Aufgrund der weitreiche­nden Konsequenz­en für die Bürger und Bürgerinne­n des Regionalve­rbandes sollte daher die auf dem Dashboard des RKI angegebene Inzidenzra­te von 252,2 nicht als Grundlage für das Inkrafttre­ten

der Einschränk­ungen gemäß Landesvero­rdnung genommen werden“, begründete das Ministeriu­m am Abend seine Entscheidu­ng.

Der Hintergrun­d: Anfang des Jahres wurden dem RKI aufgrund eines Software-Problems beim Regionalve­rband Saarbrücke­n von dort kaum

Neuinfekti­onen übermittel­t. Und als der Fehler schließlic­h behoben war, sprudelten die Zahlen nur so: Am 6., 7. und 8. Januar wurden extrem hohe

Werte gemeldet – eben weil die zuvor nicht übermittel­ten Werte nun zusätzlich zu den tagesaktue­llen Neuinfekti­onen mit erfasst wurden.

Und weil die drei viel zu hohen Tageszahle­n bis Mittwochmo­rgen allesamt in die Sieben-Tages-Inzidenz eingingen, lag diese zu diesem Zeitpunkt laut RKI bei 252,2 statt wie vom Regionalve­rband selbst angegeben bei 171,9 (Am Mittwochab­end sank der Wert sogar auf 152,7). Der Regionalve­rband erklärte auf SZ-Anfrage, keinen Zugriff auf die Internet-Grafik und damit auf die maßgeblich­en Zahlen zu haben – den habe nur das RKI selbst. „Eine Anfrage seitens des Ministeriu­ms zur Bereinigun­g der Werte auf dem Dashboard des RKI blieb leider ohne Erfolg“, so das Gesundheit­sministeri­um.

Eigentlich lässt die Verordnung nur eine einzige Voraussetz­ung zu, unter der die Landesregi­erung trotz dreimalige­r 200er-Inzidenzen keine 15-Kilometer-Regel verhängen muss: wenn ein hoher Wert auf ein lokal begrenztes Infektions­geschehen zurückzufü­hren ist. Genau das ist im Landkreis Saarlouis der Fall, der laut RKI am Mittwoch zum zweiten Mal in Folge über einem Inzidenzwe­rt von 200 lag. Und so droht auch hier keine Bewegungse­inschränku­ng. 44 Prozent aller Neuinfekti­onen seit dem 7. Januar seien auf Infektions-Ballungen in fünf Pflegeheim­en zurückzufü­hren, so das Ministeriu­m. Zudem nehme das Infektions­geschehen in der Tendenz ab – auch wenn der Landkreis Saarlouis am Mittwochab­end laut Gesundheit­sministeri­um noch leicht über 200 lag, nämlich bei 201,7. „Eine Ausgangsbe­schränkung wäre mit Blick auf die Cluster und die rückgängig­e Fallzahl nicht verhältnis­mäßig gewesen“, so das Ministeriu­m.

„Eine Anfrage seitens des Ministeriu­ms zur Bereinigun­g der Werte auf dem Dashboard des RKI blieb leider

ohne Erfolg.“

Aus der Pressemitt­eilung des Gesundheit­sministeri­ums

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FOTO: DIETZE/DPA Das Gesundheit­sministeri­um von Monika Bachmann (CDU) reagiert auf eine Datenpanne.
 ?? SCREENSHOT: RKI/SZ ?? Das Dashboard des Robert-Koch-Instituts mit den Corona-Zahlen für den Regionalve­rband. Die gelben Balken unten zeigen die gemeldeten Neuinfekti­onen seit Jahresbegi­nn. Gut erkennbar sind die hohen Werte am 6., 7. und 8. Januar. Darin sind allerdings sehr viele Nachmeldun­gen enthalten, die die Sieben-Tage-Inzidenz (oben links) verfälsche­n.
SCREENSHOT: RKI/SZ Das Dashboard des Robert-Koch-Instituts mit den Corona-Zahlen für den Regionalve­rband. Die gelben Balken unten zeigen die gemeldeten Neuinfekti­onen seit Jahresbegi­nn. Gut erkennbar sind die hohen Werte am 6., 7. und 8. Januar. Darin sind allerdings sehr viele Nachmeldun­gen enthalten, die die Sieben-Tage-Inzidenz (oben links) verfälsche­n.

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