Haftstrafe gegen Vertrauten von Ex-Asylstaatssekretär in Belgien
Menschenhandel und Korruption im Umfeld des „Saubermanns“der flämischen Nationalisten, Theo Francken.
BRÜSSEL Die flämischen Nationalisten von der Partei NVA teilen gern gegen Migranten aus. So hat die Partei, die im niederländischsprachigen Landesteil Belgiens auf rund 20 Prozent der Stimmen kommt, 2018 die Koalition auf Bundesebene aufgekündigt, weil der damalige Premier und heutige EU-Ratspräsident Charles Michel den UN-Migrationspakt in Marrakesch unterschreiben wollte. Seinerzeit war sich die NVA auch nicht zu schade, Fotomaterial einer Kampagne der deutschen AfD in Belgien zu benutzen.
Besonders kernig äußerte sich gern Theo Francken, der am meisten polarisierende NVA-Politiker im Land und damalige Staatssekretär für Asyl und Migration. Francken hat es als seine persönliche Mission verstanden, illegale Migrationsrouten nach Belgien stillzulegen. Frankens Leitspruch, nachzulesen auf seinem Twitter-Konto, lautet „geradlinig und gerecht“.
Wie man heute weiß, waren Franckens engste Mitarbeiter unwissentlich Teil eines Menschenhandel-Systems, über das Christen aus Syrien sich gegen vierstellige Euro-Beträge die Einreise nach Belgien erkaufen konnten.
Weder gerecht noch geradlinig war die Rolle, die dabei ein NVA-Kommunalpolitiker mit engen persönlichen Kontakten zum Büro Francken spielte: Melikan Kucam – Francken hat ihn vor Bekanntwerden der Affäre einmal einen „fantastischen
NVAler, einen fantastischen Kerl“genannt – hat humanitäre Visa an Christen aus dem Bürgerkriegsland für Beträge zwischen 2500 und 7500 Euro vermittelt. Kucam, selbst
Mitglied der Gemeinde der Assyrer in der flämischen Kleinstadt, hat die Listen der Kandidaten für die humanitären Visa im Büro Francken eingereicht. Das Büro hat den Anspruch auf Asyl der Menschen, die in der Regel verwandtschaftliche Beziehungen zu Belgiern mit syrischen Wurzeln hatten, dann nicht mehr einer eingehenden weiteren Prüfung unterzogen, sondern die Ausstellung der Papiere veranlasst.
Kucam wurde jetzt wegen Menschenhandel, Korruption und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu acht Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von knapp 700 000 Euro verurteilt. Auch seine
Frau und sein Sohn müssen jeweils für vier Jahre ins Gefängnis.
In den zwei Jahre dauernden Untersuchungen konnten die Ermittler weder Francken noch seinen Mitarbeitern nachweisen, dass sie selbst in die Praktiken verwickelt waren. Francken verurteilt die Taten von Kucam, bezeichnet die harte Strafe als angemessen.
Er verweist via Kurznachrichtendienst Twitter auf seine persönliche Unschuld und erklärt dazu: „Politisch bin ich selbstverständlich dafür verantwortlich.“Francken fügt zynisch hinzu: „Inzwischen bin ich seit mehr als zwei Jahren kein Regierungsmitglied mehr, kann also unmöglich meinen Rücktritt ankündigen.“
Das Urteil gegen Kucam wirft in der belgischen Öffentlichkeit neue Fragen nach der Vergabe-Praxis von humanitären Visa auf. Im belgischen Asylrecht gibt es keinen Rechtsanspruch auf humanitäre Visa. Sie werden vielmehr vom Staatssekretär für Asyl und Migration nach Wohlwollen erteilt. Francken machte von dieser Möglichkeit deutlich häufiger Gebrauch als sein Vorgänger. Francken verteilte die humanitären Visa vor allem an Mitglieder der christlichen Gemeinde in Syrien, um sie – wie er sagte – aus den Fängen des IS zu retten.
Für 2500 bis 7500 Euro
vermittelte Melikan Kucam humanitäre Visa
an syrische Christen.