Saarbruecker Zeitung

Der Mörder ist unter uns

Eine Perle des französisc­hen Films erscheint fürs Heimkino: „Marie-Octobre“mit Lino Ventura über eine ehemalige Résistance-Gruppe.

- VON TOBIAS KESSLER

Ein Film, der fast ausschließ­lich in einem Raum spielt, mit nur einer Handvoll Personen? Da müssen Geschichte, Regie und Ensemble schon erstklassi­g sein, damit einem nicht die filmischen Füße einschlafe­n. Die Riegelsber­ger Firma Pidax hat mit „Marie-Octobre“eine solche Perle ausgegrabe­n, mit einem Ensemble, das Jüngere vielleicht nicht mehr kennen, aber das Anhänger des klassische­n französisc­hen Kinos beglücken muss: Lino Ventura, Danielle Darrieux, Bernard Blier, Paul Meurisse, Serge Reggiani, alle in gewohnt guter Form.

Sie spielen in dem Film von 1959 die Mitglieder einer ehemaligen Widerstand­sgruppe während der deutschen Besatzung, die von der Gestapo zerschlage­n wurde. 15 Jahre hat man sich nicht mehr gesprochen, jetzt trifft man sich wieder auf Einladung von „Marie-Octobre“– so war der Deckname der einzigen Frau der Gruppe (Darrieux). Doch Résistance-Nostalgie

hat sie nicht im Sinn: Sie seien damals an die Gestapo verraten worden, erklärt sie, mit tödlichen Folgen für ihren Geliebten, den Leiter der Gruppe – und jetzt besitze sie Beweise, dass der Verräter ein Mitglied der Gruppe sei. Da ist die Entrüstung erst einmal groß, doch die Informatio­n scheint verlässlic­h. Wer ist der Verräter? Und was soll mit ihm geschehen? Sofortiger Selbstmord nach Aufdeckung und Geständnis – da ist sich die Gruppe einig; zugleich macht sich kollektive­s Misstrauen breit. Aus Gesprächen werden Verhöre oder auch Diskussion­en über Ethik (auch ein Priester ist zugegen), die Nerven werden dünn, zumal manche sich in Widersprüc­he verwickeln, wenn sie sich an die Zeit vor 15 Jahren erinnern – und einer aus der Gruppe bekennt, dass er Sympathisa­nt des deutschen Faschismus war (bevor der ihn selbst betraf ).

Regisseur Julien Duvivier, vor allem für zwei launige „Don Camillo“-Filme bekannt, inszeniert schnörkell­os; die Kamera bewegt sich gerade genug, um kein statisches-Kammerspie­l-Gefühl aufkommen zu lassen, konzentrie­rt sich sonst aber ganz auf die exzellente­n Darsteller. Die DVD basiert außerdem auf einer in Frankreich restaurier­ten Fassung des Schwarzwei­ß-Films und bietet ein famoses Bild.

DVD erschienen bei Pidax.

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FOTO: PIDAX Zwei große Charakterk­öpfe des französisc­hen Kinos: Bernard Blier (l.) und Lino Ventura.
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