Mit 60 Filmen im Gepäck alleine auf einer Insel
Alter Schwede! Bei dieser Geschichte unseres Kollegen bekommt selbst ein eingefleischter Kino-Fan Bammel vor der Leinwand – und dem Absaufen im Meer der 60 Filme.
Ophüls ohne Ophüls-Stimmung – das ist in diesem Jahr leider Realität. Am Sonntag beginnt das Saarbrücker Filmfestival. Allerdings ohne Leinwand, ohne das Gewusel im Foyer des Cinestars, ohne einen Plausch mit einem Regisseur und ohne Kurzfilmreihe im Kino Achteinhalb. Das gesamte Festival findet online statt. Filmfans können sich die Streifen als Stream ansehen. Schade! Schließlich lebt das Ophüls von seiner Stimmung, die einmal im Jahr ganz Saarbrücken einnimmt. Aber gut, die Corona-Verbreitungsgefahr ist in einem Kinosaal mit vielen Menschen, die dicht aneinander sitzen, einfach zu groß. Und durch das Streamingangebot kommen die Cineasten zumindest noch halbwegs auf ihre Kosten. Auch wenn sie sich die Werke der Nachwuchsfilmer nun einsam in ihren Wohnzimmern ansehen müssen.
Noch einsamer dürfte sich aber ein Besucher eines anderen Filmfestivals fühlen. In Schweden, so las ich heute, zeigt das Göteborg-Filmfestival seine ausgewählten Streifen auch in Corona-Zeiten auf einer Kinoleinwand. Jedoch nur einem einzigen Zuschauer. Die Skandinavier laden einen Auserwählten oder eine Auserwählte auf die einsame Insel Hamneskär ein, wo der Einzelkämpfer eine ganze Woche in einem umgebauten Leuchtturm verharren und sich 60 Filmpremieren ansehen darf – soziale Distanz
vom Feinsten. Popcorn soll es auch in ausreichenden Mengen geben. Laut der Festivalmacher haben sich bereits über 2500 Menschen darauf beworben. Zartbesaiteten Zuschauern sei aber das heimische Wohnzimmer empfohlen. Der Leuchtturm auf der Insel trägt seinen Namen Pater Noster angeblich deshalb, weil die Stelle dem ein oder anderen Seemann bereits ein Vater Unser abverlangte. Boote kommen wohl nicht sehr häufig vorbei. Der Zuschauer ist vollkommen alleine in Dunkelheit mit rauen Felsen, Meeresrauschen und möglicherweise einem echt fiesen skandinavischen Psychothriller. Ich glaube, es ist in diesem Jahr einmal okay, auf die Leinwand zu verzichten.