Die Erfolgsgeschichte von Special Olympics
Die Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung bietet auch im Saarland viel an. Großen Anteil an der Entwicklung hat Marga Fluhr aus Güdingen.
Auch die Verantwortlichen von Special Olympics Saarland ziehen eine Bilanz des Corona-Jahres 2020. Special Olympics ist die weltweit größte vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannte Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Ziel ist es, Menschen mit geistiger Behinderung fit und gesund zu halten. Ihnen soll entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und abhängig von ihren Leistungslevels ermöglicht werden, Sport zu treiben und an Wettbewerben teilzunehmen. Dies soll zu mehr Teilhabe an der Gesellschaft sowie zu mehr Anerkennung und Selbstbewusstsein verhelfen.
Um diese Ziele zu erreichen, werden 26 Einzel- und Mannschaftssportarten angeboten. Gleichzeitig wird an diejenigen gedacht, die aufgrund der Schwere ihrer Behinderung nicht an Wettbewerben teilnehmen können. Für sie wurde ein wettbewerbsfreies Angebot entwickelt. Weltweit werden diese Angebote in 175 Ländern von mehr als fünf Millionen Sportlern angenommen. In Deutschland trainieren derzeit mehr als 40 000 Athleten mit geistiger und mehrfacher Behinderung nach den Regeln von Special Olympics.
Im Saarland verhilft der Landesverband seit 2007 Kindern und Jugendlichen in 13 Förderschulen – die ihrerseits mit den Grundschulen, Gemeinschaftsschulen und Gymnasien kooperierend Sport betreiben – durch Sport zu eigenen Zugangsund Wahlmöglichkeiten bezüglich der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das Angebot richtet sich an Schüler und Erwachsene. Es ist breit gefächert und beinhaltet Sportarten wie Boccia, Eislaufen, Fußball, Floorball, Leichtathletik, Schwimmen, Tischtennis und Radfahren.
Mitglied von Special Olympics Saarland sind der ATSV Saarbrücken, das LAZ Saarbrücken und der SV Oppen. In den Vereinen wird Leichtathletik in inklusiver Form – also von Menschen mit und ohne Behinderung – gemeinsam trainiert. Viele Sportler trainieren auch in Vereinen außerhalb des Mitgliedsbereichs von Special Olympics. Wer in den vergangenen Jahren die Entwicklung verfolgt hat, der sah, dass die erstmals 2017 in Saarbrücken ausgetragenen Landesspiele für große Begeisterung sorgen. Über diese Landesspiele konnte man sich für die nationalen Spiele 2018 in Kiel qualifizieren.
Das Schwimmfest im Schwimmbad „Das Blau“in St. Ingbert zieht seit 2008 Teilnehmer in den Bann. Eng ist die Zusammenarbeit mit Luxemburg, wo Jahr für Jahr die Nationalen Spiele besucht werden. Darüber hinaus gibt es weitere Veranstaltungen wie beispielsweise die Europäische Fußball-Woche.
Und es gibt auch Erfolge für Saar-Sportler. 2014 nahm Daniel Sträßer aus Rohrbach als Teil der deutschen Leichtathletik-Mannschaft an den Europäischen Spielen von Special Olympics in Antwerpen teil – und kehrte mit zwei Bronzemedaillen zurück. Ein Erfolg war auch 2017 die Silbermedaille des Unified-Teams „Saarfloors“von der Schule Winterbachsroth in Dudweiler bei den nationalen Winterspielen in Willingen.
Der Sport in der Gemeinschaft ist aber nur die eine Seite der Medaille. Special Olympics steht auch für das Gesundheitsprogramm „Healthy Athlets“. So wurden beispielsweise bei den Landesspielen in Saarbrücken an zwei Tagen fast 500 Untersuchungen in vier Programmen angeboten. Dabei geht es um fitte Füße, Gesundheit im Mund, ein besseres Sehvermögen und Bewegung mit Spaß.
Der Lohn für all die Aktionen und Anstrengungen: Seit 2018 ist Special Olympics Saarland ein Fachverband im Landessportverband für das Saarland (LSVS). Dies ist vor allem das Verdienst von Marga Fluhr (64) aus Güdingen. Sie ist die treibende Kraft hinter Special Olympics
Saarland. Wie die Sportlehrerin mit Zusatzausbildung Motopädagogik 2020 in der SZ erzählte, hat Sabine König sie mit dieser Idee infiziert. Förderschulrektorin König leitet die Stengelschule in Heusweiler und kannte die Special-Olympics-Bewegung aus Thüringen. „Das müssen wir auch im Saarland machen“, habe sie gedacht, erklärte Fluhr.
Als Lehrerin an der Förderschule für geistige Entwicklung In der Winterbachsroth in Dudweiler war Marga Fluhr der Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen vertraut. Von 1995 bis 2007 übernahm sie außerdem ehrenamtliche Tätigkeiten für die Lebenshilfe Sulzbach/Fischbachtal, war jahrelang deren Vorsitzende und organisierte die sportlichen Aktivitäten der durch die Lebenshilfe betreuten Menschen.
Im November 2007 war Marga Fluhr maßgeblich an der Gründung von Special Olympics Saarland beteiligt, engagierte sich fortan im Vorstand und als Vorsitzende. Alle zwölf Förderschulen im Saarland machen mit bei der Bewegung, zum Beispiel auch die Lebenshilfe, die Arbeiterwohlfahrt und Privatpersonen. Gemeinsam setzen sie sich ein für „mehr als 1000 Sportler, von sechs Jahren bis ins Rentenalter“, wie Marga Fluhr berichtet.
Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung finden mittlerweile ein stattliches Trainingsund Wettbewerbsangebot vor. Bei den Sommerspielen von Special Olympics stehen 18 Sportarten auf dem Programm, zum Beispiel Fußball, Handball, Volleyball, Tennis, Schwimmen und Leichtathletik. Bei den Winterspielen sind es acht Sportarten, etwa Skifahren,
Schlittschuhlaufen, Snowboarden oder Floorball. Das ist Hallenhockey, gespielt mit Kunststoffschläger und einem 23 Gramm schweren, aus Kunststoff bestehendem Hohlball mit vielen kleinen Löchern.
Marga Fluhr leitet die Floorball-Erwachsenengruppe „Junic“, die im Unified-Wettbewerb startet, das heißt: Menschen mit und ohne Behinderung treiben gemeinsam Sport. 2023 werden in Berlin die Weltspiele von Special Olympics erstmals auf deutschem Boden ausgetragen. Und Marga Fluhr verfolgt das ehrgeizige Ziel, dass dann zum ersten Mal ein saarländischer Sportler bei den Weltspielen mitmacht.
Es gibt auch den „Special Olympics Saarland Sportverein“, dessen Vorsitzende Marga Fluhr ist. Der Verein möchte Sportler und deren Familien bei der Suche nach ihrer Lieblingssportart und nach einem passenden Verein unterstützen. Darüber hinaus werden eigene Sportangebote unterbreitet und Wettbewerbe veranstaltet. Die Athleten werden über Sportfeste inner- und außerhalb des Saarlandes informiert. Der Verein hilft in Sachen Anmeldung und bei der Suche nach Begleitern, sofern die Eltern oder Trainer keine Zeit haben. Ein zusätzlicher Angebotspunkt sind die Sportferien im Sommer. Bei gemeinsamen Freizeitaktivitäten geht es unter anderem um Bowling, Klettern, Eislaufen, Kino, Grillfeste, Wandern, Radtouren und Minigolf.
Hans Jürgen Sträßer aus Rohrbach ist der Vater des Special-Olympics-Athleten Daniel Sträßer. Er ist der zweite Vorsitzende des „Special Olympics Saarland Sportvereins“und hilft bei Special Olympics Saarland im Organisationsbereich mit.
„Rein aus finanzieller Sicht war das Jahr 2020 nicht so schlimm, da es für uns von verschiedener Seite aus Zuwendungen gab. Wir freuen uns natürlich über jeden einzelnen Geldbetrag, den wir dann zum Wohl der Sportler einsetzen können. Jede Ehrung und jeder Geldbetrag ist selbstverständlich auch für uns ein großer Anreiz, weiterhin am Ball zu bleiben“, betont Hans Jürgen Sträßer.
In sportlicher Hinsicht sei das Jahr noch normal angelaufen, ehe die Corona-Pandemie für Ausfälle von Sportveranstaltungen gesorgt hatte. Ein Erfolg sei unter anderem der Spendenlauf am 23. Mai gewesen. Jedem der 14 Landesverbände kamen dabei die Spenden eines zugewiesenen Tages zu Gute. Und wie lautet die Prognose für 2021? „Die für Juli 2021 geplanten Landesspiele an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken werden nicht stattfinden können. Dafür hätte bereits ein Jahr vorher Geld gesammelt werden müssen. Wir haben es nicht übers Herz gebracht, Firmen nach Spenden zu fragen, die ihre Mitarbeiter corona-bedingt in Kurzarbeit schicken mussten“, betont Hans Jürgen Sträßer. Andere Veranstaltungen sollen möglichst über die Bühne gehen und auch welche außerhalb des Saarlandes besucht werden. „Es wäre für die Sportler richtig toll, wieder gemeinsam an den Start gehen zu können. Aber natürlich wissen auch wir ganz genau, dass wir in sehr vielen Dingen von der Corona-Entwicklung abhängig sind“, sagt Hans Jürgen Sträßer.
„Die für Juli 2021 geplanten Landesspiele an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken können nicht stattfinden. Wir haben es nicht übers Herz gebracht, Firmen nach Spenden zu fragen, die ihre
Mitarbeiter corona-bedingt in Kurzarbeit schicken
mussten.“
Hans Jürgen Sträßer
Special Olympics Saarland