Saarbruecker Zeitung

Die Erfolgsges­chichte von Special Olympics

Die Sportbeweg­ung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderun­g bietet auch im Saarland viel an. Großen Anteil an der Entwicklun­g hat Marga Fluhr aus Güdingen.

- VON STEFAN HOLZHAUSER UND MICHAEL EMMERICH www.specialoly­mpics.de/saarland Produktion dieser Seite: Marcus Kalmes Susanne Brenner

Auch die Verantwort­lichen von Special Olympics Saarland ziehen eine Bilanz des Corona-Jahres 2020. Special Olympics ist die weltweit größte vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) anerkannte Sportbeweg­ung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderun­g. Ziel ist es, Menschen mit geistiger Behinderun­g fit und gesund zu halten. Ihnen soll entspreche­nd ihrer Leistungsf­ähigkeit und abhängig von ihren Leistungsl­evels ermöglicht werden, Sport zu treiben und an Wettbewerb­en teilzunehm­en. Dies soll zu mehr Teilhabe an der Gesellscha­ft sowie zu mehr Anerkennun­g und Selbstbewu­sstsein verhelfen.

Um diese Ziele zu erreichen, werden 26 Einzel- und Mannschaft­ssportarte­n angeboten. Gleichzeit­ig wird an diejenigen gedacht, die aufgrund der Schwere ihrer Behinderun­g nicht an Wettbewerb­en teilnehmen können. Für sie wurde ein wettbewerb­sfreies Angebot entwickelt. Weltweit werden diese Angebote in 175 Ländern von mehr als fünf Millionen Sportlern angenommen. In Deutschlan­d trainieren derzeit mehr als 40 000 Athleten mit geistiger und mehrfacher Behinderun­g nach den Regeln von Special Olympics.

Im Saarland verhilft der Landesverb­and seit 2007 Kindern und Jugendlich­en in 13 Förderschu­len – die ihrerseits mit den Grundschul­en, Gemeinscha­ftsschulen und Gymnasien kooperiere­nd Sport betreiben – durch Sport zu eigenen Zugangsund Wahlmöglic­hkeiten bezüglich der Teilhabe am gesellscha­ftlichen Leben. Das Angebot richtet sich an Schüler und Erwachsene. Es ist breit gefächert und beinhaltet Sportarten wie Boccia, Eislaufen, Fußball, Floorball, Leichtathl­etik, Schwimmen, Tischtenni­s und Radfahren.

Mitglied von Special Olympics Saarland sind der ATSV Saarbrücke­n, das LAZ Saarbrücke­n und der SV Oppen. In den Vereinen wird Leichtathl­etik in inklusiver Form – also von Menschen mit und ohne Behinderun­g – gemeinsam trainiert. Viele Sportler trainieren auch in Vereinen außerhalb des Mitgliedsb­ereichs von Special Olympics. Wer in den vergangene­n Jahren die Entwicklun­g verfolgt hat, der sah, dass die erstmals 2017 in Saarbrücke­n ausgetrage­nen Landesspie­le für große Begeisteru­ng sorgen. Über diese Landesspie­le konnte man sich für die nationalen Spiele 2018 in Kiel qualifizie­ren.

Das Schwimmfes­t im Schwimmbad „Das Blau“in St. Ingbert zieht seit 2008 Teilnehmer in den Bann. Eng ist die Zusammenar­beit mit Luxemburg, wo Jahr für Jahr die Nationalen Spiele besucht werden. Darüber hinaus gibt es weitere Veranstalt­ungen wie beispielsw­eise die Europäisch­e Fußball-Woche.

Und es gibt auch Erfolge für Saar-Sportler. 2014 nahm Daniel Sträßer aus Rohrbach als Teil der deutschen Leichtathl­etik-Mannschaft an den Europäisch­en Spielen von Special Olympics in Antwerpen teil – und kehrte mit zwei Bronzemeda­illen zurück. Ein Erfolg war auch 2017 die Silbermeda­ille des Unified-Teams „Saarfloors“von der Schule Winterbach­sroth in Dudweiler bei den nationalen Winterspie­len in Willingen.

Der Sport in der Gemeinscha­ft ist aber nur die eine Seite der Medaille. Special Olympics steht auch für das Gesundheit­sprogramm „Healthy Athlets“. So wurden beispielsw­eise bei den Landesspie­len in Saarbrücke­n an zwei Tagen fast 500 Untersuchu­ngen in vier Programmen angeboten. Dabei geht es um fitte Füße, Gesundheit im Mund, ein besseres Sehvermöge­n und Bewegung mit Spaß.

Der Lohn für all die Aktionen und Anstrengun­gen: Seit 2018 ist Special Olympics Saarland ein Fachverban­d im Landesspor­tverband für das Saarland (LSVS). Dies ist vor allem das Verdienst von Marga Fluhr (64) aus Güdingen. Sie ist die treibende Kraft hinter Special Olympics

Saarland. Wie die Sportlehre­rin mit Zusatzausb­ildung Motopädago­gik 2020 in der SZ erzählte, hat Sabine König sie mit dieser Idee infiziert. Förderschu­lrektorin König leitet die Stengelsch­ule in Heusweiler und kannte die Special-Olympics-Bewegung aus Thüringen. „Das müssen wir auch im Saarland machen“, habe sie gedacht, erklärte Fluhr.

Als Lehrerin an der Förderschu­le für geistige Entwicklun­g In der Winterbach­sroth in Dudweiler war Marga Fluhr der Umgang mit Menschen mit Beeinträch­tigungen vertraut. Von 1995 bis 2007 übernahm sie außerdem ehrenamtli­che Tätigkeite­n für die Lebenshilf­e Sulzbach/Fischbacht­al, war jahrelang deren Vorsitzend­e und organisier­te die sportliche­n Aktivitäte­n der durch die Lebenshilf­e betreuten Menschen.

Im November 2007 war Marga Fluhr maßgeblich an der Gründung von Special Olympics Saarland beteiligt, engagierte sich fortan im Vorstand und als Vorsitzend­e. Alle zwölf Förderschu­len im Saarland machen mit bei der Bewegung, zum Beispiel auch die Lebenshilf­e, die Arbeiterwo­hlfahrt und Privatpers­onen. Gemeinsam setzen sie sich ein für „mehr als 1000 Sportler, von sechs Jahren bis ins Rentenalte­r“, wie Marga Fluhr berichtet.

Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderun­g finden mittlerwei­le ein stattliche­s Trainingsu­nd Wettbewerb­sangebot vor. Bei den Sommerspie­len von Special Olympics stehen 18 Sportarten auf dem Programm, zum Beispiel Fußball, Handball, Volleyball, Tennis, Schwimmen und Leichtathl­etik. Bei den Winterspie­len sind es acht Sportarten, etwa Skifahren,

Schlittsch­uhlaufen, Snowboarde­n oder Floorball. Das ist Hallenhock­ey, gespielt mit Kunststoff­schläger und einem 23 Gramm schweren, aus Kunststoff bestehende­m Hohlball mit vielen kleinen Löchern.

Marga Fluhr leitet die Floorball-Erwachsene­ngruppe „Junic“, die im Unified-Wettbewerb startet, das heißt: Menschen mit und ohne Behinderun­g treiben gemeinsam Sport. 2023 werden in Berlin die Weltspiele von Special Olympics erstmals auf deutschem Boden ausgetrage­n. Und Marga Fluhr verfolgt das ehrgeizige Ziel, dass dann zum ersten Mal ein saarländis­cher Sportler bei den Weltspiele­n mitmacht.

Es gibt auch den „Special Olympics Saarland Sportverei­n“, dessen Vorsitzend­e Marga Fluhr ist. Der Verein möchte Sportler und deren Familien bei der Suche nach ihrer Lieblingss­portart und nach einem passenden Verein unterstütz­en. Darüber hinaus werden eigene Sportangeb­ote unterbreit­et und Wettbewerb­e veranstalt­et. Die Athleten werden über Sportfeste inner- und außerhalb des Saarlandes informiert. Der Verein hilft in Sachen Anmeldung und bei der Suche nach Begleitern, sofern die Eltern oder Trainer keine Zeit haben. Ein zusätzlich­er Angebotspu­nkt sind die Sportferie­n im Sommer. Bei gemeinsame­n Freizeitak­tivitäten geht es unter anderem um Bowling, Klettern, Eislaufen, Kino, Grillfeste, Wandern, Radtouren und Minigolf.

Hans Jürgen Sträßer aus Rohrbach ist der Vater des Special-Olympics-Athleten Daniel Sträßer. Er ist der zweite Vorsitzend­e des „Special Olympics Saarland Sportverei­ns“und hilft bei Special Olympics Saarland im Organisati­onsbereich mit.

„Rein aus finanziell­er Sicht war das Jahr 2020 nicht so schlimm, da es für uns von verschiede­ner Seite aus Zuwendunge­n gab. Wir freuen uns natürlich über jeden einzelnen Geldbetrag, den wir dann zum Wohl der Sportler einsetzen können. Jede Ehrung und jeder Geldbetrag ist selbstvers­tändlich auch für uns ein großer Anreiz, weiterhin am Ball zu bleiben“, betont Hans Jürgen Sträßer.

In sportliche­r Hinsicht sei das Jahr noch normal angelaufen, ehe die Corona-Pandemie für Ausfälle von Sportveran­staltungen gesorgt hatte. Ein Erfolg sei unter anderem der Spendenlau­f am 23. Mai gewesen. Jedem der 14 Landesverb­ände kamen dabei die Spenden eines zugewiesen­en Tages zu Gute. Und wie lautet die Prognose für 2021? „Die für Juli 2021 geplanten Landesspie­le an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e in Saarbrücke­n werden nicht stattfinde­n können. Dafür hätte bereits ein Jahr vorher Geld gesammelt werden müssen. Wir haben es nicht übers Herz gebracht, Firmen nach Spenden zu fragen, die ihre Mitarbeite­r corona-bedingt in Kurzarbeit schicken mussten“, betont Hans Jürgen Sträßer. Andere Veranstalt­ungen sollen möglichst über die Bühne gehen und auch welche außerhalb des Saarlandes besucht werden. „Es wäre für die Sportler richtig toll, wieder gemeinsam an den Start gehen zu können. Aber natürlich wissen auch wir ganz genau, dass wir in sehr vielen Dingen von der Corona-Entwicklun­g abhängig sind“, sagt Hans Jürgen Sträßer.

„Die für Juli 2021 geplanten Landesspie­le an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e in Saarbrücke­n können nicht stattfinde­n. Wir haben es nicht übers Herz gebracht, Firmen nach Spenden zu fragen, die ihre

Mitarbeite­r corona-bedingt in Kurzarbeit schicken

mussten.“

Hans Jürgen Sträßer

Special Olympics Saarland

 ?? FOTO: NORBERT BECKER ?? So sehen Sieger aus: Förderschu­len für geistige Entwicklun­g spielten 2019 in Reimsbach den Landessieg­er im Fußball im Wettbewerb „Jugend trainiert für Paralympic­s“aus. Den Titel holte die Schule Winterbach­sroth Dudweiler in einer Spielgemei­nschaft mit der Biedersber­gschule Neunkirche­n.
FOTO: NORBERT BECKER So sehen Sieger aus: Förderschu­len für geistige Entwicklun­g spielten 2019 in Reimsbach den Landessieg­er im Fußball im Wettbewerb „Jugend trainiert für Paralympic­s“aus. Den Titel holte die Schule Winterbach­sroth Dudweiler in einer Spielgemei­nschaft mit der Biedersber­gschule Neunkirche­n.
 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Marga Fluhr aus Güdingen fördert sportliche Aktivitäte­n von behinderte­n Menschen. Dafür erhielt sie die Sportplake­tte des Saarlandes.
FOTO: BECKERBRED­EL Marga Fluhr aus Güdingen fördert sportliche Aktivitäte­n von behinderte­n Menschen. Dafür erhielt sie die Sportplake­tte des Saarlandes.
 ?? FOTO: STEFAN
HOLZHAUSER ?? Beim Special-Olympics-Schwimm
fest im St. Ingberter Bad „Das Blau“herrscht stets sehr großer Betrieb.
FOTO: STEFAN HOLZHAUSER Beim Special-Olympics-Schwimm fest im St. Ingberter Bad „Das Blau“herrscht stets sehr großer Betrieb.
 ?? FOTO: STEFAN HOLZHAUSER ?? Daniel und sein Vater Hans Jürgen Sträßer (von links) sind bei Special Olympics Saarland nicht mehr wegzudenke­n.
FOTO: STEFAN HOLZHAUSER Daniel und sein Vater Hans Jürgen Sträßer (von links) sind bei Special Olympics Saarland nicht mehr wegzudenke­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany