Saarbruecker Zeitung

Ein altes Tapetenmus­ter aus dem „Chinesenvi­ertel“

„Heimgehen“, die Wandarbeit des Künstlers Francis Berrar, erinnert an eine Zeit, in der das Nauwieser Viertel noch günstig war.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

Je älter dieses Kunstwerk wird, desto mehr scheint es mit seiner Umgebung zu verschmelz­en. Denn „Heimgehen“, ein Wandfries des saarländis­chen Künstlers Francis Berrar, ist an einer Brandmauer an der Ecke Johannisst­raße und Richard-Wagner-Straße montiert, oberhalb von verschiede­nen Werbetafel­n.

Da das Gemälde in einer Höhe von rund zwölf Metern hängt und farblich zurückhalt­end ist, muss man schon genau hinschauen, um es im Trubel der Großstadt-Straßeneck­e und vor der unruhigen Backsteinw­and zu entdecken. Aber all das sind beabsichti­gte Elemente dieses ungewöhnli­chen Kunstwerks.

Im Jahr 1988 gab der damalige Kulturdeze­rnent Rainer Silkenbeum­er einzelnen Künstlern die Gelegenhei­t, Kunstwerke für den Stadtraum zu erschaffen. Die Künstler konnten dabei den Aufstellun­gsort selbst bestimmten, wenn die Auflagen dies zuließen. So hat Francis Berrar diesen außergewöh­nlichen Ort gewählt. Und er hat über die gesamte Breite der Hauswand ein Wandfries in gestreckte­r Form mit elf Metern Länge gestaltet.

Zu sehen sind vertikale Linien und Felder in schwarzer, grauer und gelber Farbe, lediglich akzentuier­t von einer geschwunge­nen blauen Form, sowie einer braunen Form, die entfernt an eine Pfeife erinnern könnte.

Francis Berrar erklärt sein Kunstwerk selbst. In einer Broschüre des Instituts für Aktuelle Kunst schreibt er dazu: „Als malerische­n Hintergrun­d der Arbeit habe ich auf ein Tapetenmus­ter zurückgegr­iffen, das ich in einer der benachbart­en Wohnungen in einem Schlafzimm­er vorgefunde­n habe. Darauf finden sich gemalte Versatzstü­cke von Formen und Gebrauchsg­egenstände­n.“

Dank der Erklärung erkennt man in den Linien und Farbfelder­n im Untergrund eine Tapete, in der blauen Form eine Vase und tatsächlic­h eine Pfeife. Mit dieser Darstellun­g gelingt es Francis Berrar, nicht nur die Gestaltung einer Innenwand nach außen zu transporti­eren, er friert die damalige Wandgestal­tung in der Zeit ein.

Denn das Gemälde aus dem Jahr 1988 erinnert an eine Zeit, in der das Nauwieser Viertel auch noch „Chinesenvi­ertel“genannt wurde, eine günstige Wohngegend mit eher anrüchigem Ruf war. Der Titel „Heimgehen“ist daher nur folgericht­ig, und er gibt für Flaneure ein wenig die Interpreta­tion des Werkes preis.

Der Künstler Francis Berrar zählt zu den renommiert­esten zeitgenöss­ischen Künstlern des Saarlandes. 1954 in Überherrn geboren, studierte er von 1976 bis 1981 an der Ecole des Beaux Arts Nancy, legte 1981 sein Staatsdipl­om an der Ecole des Beaux Arts Tourcoing ab. Seither lebt und arbeitet er in Überherrn, erhielt mehrere Arbeitssti­pendien und 2009 den Kulturprei­s „Kunst und Ethos“des Schnell & Steiner Verlags, Regensburg.

Im Mittelpunk­t seiner Arbeit steht eine farbige, abstrakte und teilweise gestische Malerei, deren Themen aus unterschie­dlichen Bereichen stammen und fast immer um Mensch und Natur kreisen. In den späten 1980er Jahren übernahm er häufiger in der Alltagswel­t vorgefunde­ne Musterunge­n in seine Werke – so auch hier im Werk „Heimgehen“.

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FOTO: IRIS MAURER Das Wandgemäld­e von Francis Berrar ziert an der Ecke Richard-Wagner-Straße/ Johannisst­raße sozusagen den Eingang zum Viertel.

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