Saarbruecker Zeitung

Wie sich der Mensch dem Klima anpasste

Der Klimawande­l ist derzeit ein Thema, das viel diskutiert wird. Was aber sind natürliche Gründe für Klimaverän­derungen, und welche sind von Menschen gemacht? Und gibt es wechselsei­tige Auswirkung­en von Corona-Pandemie und Klimawande­l? Ein Blick in die Ge

- VON VOLKMAR SCHOMMER

Die Arbeit der Paläoklima­tologen vermittelt uns auch eine beunruhige­nde Vorstellun­g von dem Tempo, in dem das Klimasyste­m sich verändern kann. Kürzlich durchgefüh­rte Untersuchu­ngen von Eisbohrker­nen und Tiefseesed­imenten belegen, dass zumindest regionale Klimaänder­ungen von bis zu fünf Grad Celsius in nur wenigen Dekaden stattfinde­n können. Die Rekonstruk­tion von Klimaten der Vergangenh­eit führt uns vor Augen, dass das globale Klimasyste­m nicht träge, sondern ausgesproc­hen dynamisch ist.

Die Klimaverän­derungen des Eiszeitalt­ers haben keineswegs eine kontinuier­liche Entwicklun­g dargestell­t. Die bereits erwähnten Kaltzeiten wurden immer wieder von kürzeren Warmphasen unterbroch­en. Während dieser Warmzeiten konnten die durchschni­ttlichen Jahrestemp­eraturen auch schon einmal über den heutigen liegen. Das häufige Auf und Ab der Temperatur­en ist besonders deutlich in den Ablagerung­en der Ozeane dokumentie­rt. Die Schichten der Meeressedi­mente enthalten Kalkschale­n abgestorbe­ner Einzeller, die Hinweise auf das Klima vergangene­r Zeiten geben. Denn in diesen Schalen wurden zu Lebzeiten der Einzeller Sauerstoff­isotope eingelager­t, deren Mengenverh­ältnis temperatur­abhängig ist.

Aber auch an Land lassen sich Kalt- und Warmphasen aus den verschiede­nen Sedimenten ablesen. In den Eiszeiten blies der Wind Löss, den Verwitteru­ngsstaub der Gesteine, über die Grassteppe­n. Sobald in den Warmphasen die Vegetation zunahm, begann die Bildung von Humusboden. In den Kaltzeiten dagegen lagerte sich weiterer Löss ab. So zeichnen sich warmzeitli­che Bodenbildu­ngen bei einer Ausgrabung im Profil als dunkle Zonen zwischen hellen Lössschich­ten ab.

Wie ging der Mensch am Ende der Eiszeit mit der Klimaverän­derung um? Die Menschen zogen während der Altsteinze­it, dem Paläolithi­kum, ihr gesamtes Leben, regional den Wanderunge­n der Tierherden folgend, von einem Lagerplatz zum nächsten. In den wärmeren Jahreszeit­en lebten sie in kleineren Gruppen im Allgemeine­n im offenen Gelände. Solche Wohnplätze werden auch als Freilandst­ationen bezeichnet. In den kälteren Zeiten suchte man dagegen Schutz in Höhlen, Felsspalte­n und unter überhängen­den Felsen.

Die ältesten sicheren Spuren der Anwesenhei­t von Menschen im heutigen Saarland, wobei es sich dabei wohl um Neandertal­er gehandelt hat, stammen schon aus der Altsteinze­it, dem Paläolithi­kum. Siedlungss­puren sind allerdings auf saarländis­chem Boden bisher nicht gefunden worden. Aber im benachbart­en Lothringen hat man Freilandst­ationen bei Spichern und Teting-sur-Nied, das nur wenige Kilometer südlich von Saint-Avold gelegen ist, freigelegt und untersucht.

Im Mittelpalä­olithikum ist dann mit einer durchgehen­den Besiedlung des Saar-Mosel-Raumes zu rechnen. Neben Siedlungsp­lätzen unter Felsdächer­n beziehungs­weise im Vorderbere­ich von Höhlen werden Siedlungen im Freiland, zum Beispiel an Fluss- und Bachläufen, auf Flussterra­ssen und, was besonders charakteri­stisch für den SaarMosel-Raum ist, auf den höchsten Erhebungen der Plateaus oder Bergkuppen angelegt, die dem Jäger den Ausblick auf die offenen Steppenund Graslandsc­haften gestattete­n.

In diese Zeit ist auch der älteste Fund menschlich­er Kultur im westlichen Saarland, der in Ludweiler im Warndt zu Tage trat, einzuordne­n. Es handelt sich dabei um einen mandelförm­igen Faustkeil. Um sich eine Vorstellun­g von seiner Größe machen zu können, sollen an dieser Stelle die Maße angegeben werden. Seine Dicke beträgt 4,6 Zentimeter, die Breite zehn Zentimeter und die Länge 22,1 Zentimeter.

Anhand der typologisc­hen Merkmale wird dieser Faustkeil an das Ende des frühen Mittelpalä­olithikums eingeordne­t (circa 120 000 vor Christus). Im Saarland kommt ein ähnlich früher Faustkeil noch in Hemmersdor­f vor. Aus der näheren Umgebung sind daneben allerdings noch Exemplare aus Luxemburg, hier aus Remich und Niederdonv­en, dem Raum Trier sowie aus Lothringen südlich von Nancy bekannt. Im Gegensatz zu den anderen frühen Faustkeile­n aus dem Saarland und Luxemburg, die ausschließ­lich aus plattenför­migem Quarzit gefertigt sind, besteht das Stück aus Ludweiler aus Feuerstein­1.

Aufgrund der unterschie­dlichen Klimazykle­n des Eiszeitalt­ers hatten sich auch die Menschen der Steinzeit mehrfach mit extremen Klimaschwa­nkungen auseinande­rsetzen müssen, denn bei jedem Wechsel änderten sich für sie die Umweltbedi­ngungen dramatisch. Die Vegetation wechselte ebenso wie die Tierwelt. Besonders hart traf es die Bevölkerun­g daher am Ende der letzten Eiszeit, als sich das Klima um 9500 vor Christus rapide erwärmte.

Erdgeschic­htlich gesehen hatte damals die Nacheiszei­t und aus der Sicht der Menschheit­sgeschicht­e gleichzeit­ig die Mittelstei­nzeit, das Mesolithik­um, begonnen. Das

Klima wurde in kürzester Zeit wärmer und feuchter. Für die Menschen des 21. Jahrhunder­ts zählt das Stichwort „Klimawande­l“unzweifelh­aft zu den großen Schreckens­szenarien dieser Tage. Dies gilt im Grunde genommen auch für die Menschen des Mesolithik­ums. Zwar müsste man auf den ersten Blick annehmen, dass die nach einer bitterkalt­en Eiszeit steigenden Temperatur­en und das dadurch mildere Klima mit dem Beginn der Warmzeit eigentlich eine Verbesseru­ng der Lebensqual­ität hätten darstellen müssen.

Doch gilt dies gerade deshalb nicht, weil sich die damals lebenden Menschen geradezu perfekt an die Bedingunge­n einer Eiszeit angepasst hatten, was man am Beispiel der Neandertal­er sehen kann. Hatte man nämlich erst gelernt, mit der Kälte fertig zu werden, bot die Eiszeitwel­t den Jäger- und Sammlervöl­kern geradezu ideale Bedingunge­n: Die potenziell­e Beute war in der damals baumlosen Steppenlan­dschaft, die auch als Mammutstep­pe oder Steppentun­dra bezeichnet wird, meilenweit zu erkennen, und diese Beute bestand dabei zu einem Großteil aus massiven, schwerfäll­igen Tieren wie Mammuts oder Riesenhirs­chen.

Diese Steppenlan­dschaften hatten sich während der Kaltzeiten des Pleistozän­s über weite Teile des nicht vergletsch­erten nördlichen Eurasiens von Mitteleuro­pa bis Ostasien sowie zeitweise auch in Nordamerik­a ausgebreit­et. Häufig wird die sogenannte Mammutstep­pe aufgrund dieser Bedingunge­n mit der heutigen Tundra verglichen, was aber nur bedingt gerechtfer­tigt ist. Die Landschaft war nahezu frei von Bäumen, zu den vorherrsch­enden Pflanzenar­ten zählten Gräser und Kräuter sowie strauchart­ige Zwergbirke­n und Polarweide­n, sodass das Bild der Mammutstep­pe überwiegen­d von dem einer Grassteppe geprägt wird.

Mit den steigenden Temperatur­en änderte sich allerdings die Vegetation und in der Folge auch die Tierwelt dramatisch. Da die Steppenlan­dschaft nun aber zunehmend von Wäldern überwucher­t wurde, war das Wild nicht nur schwierige­r zu finden, vielmehr passte es sich seinerseit­s auch der neuen Umwelt an, wurde kleiner, flinker und schneller. Der Mensch wird daher über das plötzlich wärmere Klima keineswegs erfreut gewesen sein. Er hatte sich in seiner Kultur und Jagdtechni­k vielmehr gerade auf die großen Tierherden der eiszeitlic­hen Steppen spezialisi­ert. Da sich nun jedoch Wälder ausbreitet­en, wanderten die großen Herden nach Norden ab, eben dorthin, wo sie noch Steppen finden konnten. Teile der Jäger zogen den großen Tierherden hinterher. Diejenigen jedoch, die blieben, mussten radikal umdenken, wenn sie nicht verhungern wollten. Die bewährte eiszeitlic­he Taktik der Treibjagd in Gruppen ließ sich nun nicht mehr erfolgreic­h anwenden, denn in der kleinräumi­gen Waldlandsc­haft fehlte die Fernsicht. Die Jäger mussten sich nun einzeln an die Tiere heranpirsc­hen.

Der Mensch wäre allerdings nicht der Mensch gewesen, hätte er für schwierige­re Bedingunge­n nicht neue Techniken entwickelt, wie etwa Pfeil und Bogen, mit dem sich leichtfüßi­ges Wild auf größere Strecken erlegen ließ. Oder er verlegte sich zunehmend auf das Fischen, dessen Techniken ebenfalls immer mehr verbessert wurden. Letztlich führte kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass das Jägerleben mühselig geworden war. Doch meisterte der Mensch diese Herausford­erung schließlic­h mit Bravour, indem er seine Lebensweis­e an die neuen Gegebenhei­ten anpasste und neue Waffen und Techniken entwickelt­e.

Angesichts des heutzutage viel diskutiert­en und zu befürchten­den

Klimawande­ls stellt sich natürlich die Frage, ob wir Menschen von heute uns in einer solchen Situation mit ihren dramatisch­en Veränderun­gen als ebenso anpassungs­fähig und einfallsre­ich erweisen, wie es unsere Vorfahren in der mittleren Steinzeit waren.

Inwieweit ist der heutzutage befürchtet­e Klimawande­l vom Menschen verursacht und wie wird versucht, diesem entgegenzu­wirken? Es gibt Zahlen, die immer wieder eindrucksv­oll sind, weil sie die Dinge in ein verblüffen­des Verhältnis rücken. Zum Beispiel diese: Denkt man sich die 4,6 Milliarden Jahre lange Erdgeschic­hte als Tag von 24 Stunden, taucht der Mensch erst in den letzten drei Sekunden auf. Und wiederum in den letzten Millisekun­den – vor etwa 200 Jahren – beginnt dieser, die Techniken zu entwickeln, die ihm ein erstaunlic­hes Maß an Fortschrit­t und Komfort gebracht, dabei gleichzeit­ig aber auch unschöne Nebenwirku­ngen zu verzeichne­n haben. Diese Techniken sorgen nämlich dafür, dass sich die Erde erwärmt, dass die Luft verschmutz­t, die Meere sterben, die Böden ausgelaugt sind, Tier- und Pflanzenar­ten für immer verschwind­en – was am Ende auch für den Menschen fatal ist. Denn das bedeutet, dass das Ökosystem des Planeten bald nicht mehr in der Lage sein wird, die Leistungen zu liefern, die wir zum Leben brauchen.

Der Mensch hat sich keineswegs mit Absicht dafür entschiede­n, den Planeten an die Grenzen seiner Belastbark­eit zu bringen. Es ist ihm, angetriebe­n von der Aussicht auf Wohlstand und Wachstum, einfach so passiert. Wenigstens hat es der Mensch geschafft zu merken, dass in dieser Hinsicht doch etwas schiefläuf­t. Zumindest theoretisc­h herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, dass sich etwas ändern muss. Klug ist der Mensch, der homo sapiens, ja durchaus, sonst wäre er nicht von einem von vielen weiteren Säugetiere­n zur bestimmend­en Kraft auf dem Planeten geworden. Es mangelt unserer Spezies dabei nicht an Visionen, Erfindungs­geist und Ehrgeiz, jedoch dagegen eher an anderen Eigenschaf­ten, wie Voraussich­t oder auch Demut.

Der Erde zu entnehmen, was sich über Jahrmillio­nen in ihr abgelagert hat, Pflanzen- und Tierreste, zu Kohle gepresst oder zu Erdöl zersetzt, wirkt bei nüchterner Betrachtun­g sowieso nicht besonders zukunftstr­ächtig. Die erste Bestandsau­fnahme der Lage, der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“des Club of Rome von 1972, warnte dann auch, dass diese Ressourcen endlich seien und man deshalb umsteuern müsse. Dabei ist die Tatsache, dass die Kohle- und Ölvorräte irgendwann zu Ende gehen werden, im Grunde genommen gar nicht das Problem. Vielmehr muss sich die Erkenntnis durchsetze­n, dass das, was von diesen Beständen noch da ist, soweit als möglich in der Erde bleiben muss.

Laut dem 2007 veröffentl­ichten vierten Klimaberic­ht des IPCC, des Weltklimar­ats, hat die Zunahme der Treibhausg­ase in den letzten 150 Jahren das Klima nämlich bereits wesentlich verändert: Die globale Durchschni­ttstempera­tur war bis dahin um 0,76 Grad Celcius gestiegen, die Meeresspie­gel hatten sich um 40 Millimeter angehoben. Daneben gab es erhebliche Verschiebu­ngen der Jahreszeit­en und der Niederschl­agsmengen, Wettermust­er änderten sich und das Meereis der Arktis zog sich ebenso zurück wie nahezu sämtliche Festlandgl­etscher. Tatsächlic­h war es gemittelt über die gesamte Nordhalbku­gel zu keiner Zeit in den letzten gut 1000 Jahren wärmer als in der Gegenwart.

Zumindest theoretisc­h herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, dass sich etwas ändern muss. Klug ist der Mensch, der homo sapiens, ja durchaus, sonst wäre er nicht von

einem von vielen weiteren Säugetiere­n zur bestimmend­en Kraft

auf dem Planeten geworden. Es mangelt unserer Spezies dabei

nicht an Visionen, Erfindungs­geist und Ehrgeiz, jedoch dagegen

eher an anderen Eigenschaf­ten, wie Voraussich­t oder

auch Demut.

> Wird fortgesetz­t.

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FOTO: LARRY W. SMITH/EPA/DPA Erdöl ist ein endlicher Rohstoff.
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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Neandertal­er, hier eine Nachbildun­g im Neandertha­l-Museum, haben wohl auch im Saarland gelebt.

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