Saarbruecker Zeitung

Paula hat zwei Mütter: Paar kämpft um Gleichstel­lung

- FOTO OBEN: INFANTES/DPA Produktion dieser Seite: Sarah Tschanun Martin Wittenmeie­r

(dpa) Zwei Frauen aus dem Landkreis Hildesheim kämpfen dafür, beide als Mütter in die Geburtsurk­unde ihrer Tochter Paula eingetrage­n zu werden. Es gehe um eine rechtliche Gleichstel­lung mit heterosexu­ellen Ehepaaren, sagte Gesa Teichert-Akkermann (45), die Paula im Februar 2020 zur Welt brachte. Ihre Ehefrau Verena Akkermann (48) sei eine der beiden Mütter, Paula kenne ihre Stimme seit der Schwangers­chaft. Nach derzeitige­r Rechtslage stehe ihrer Partnerin aber nur das mitunter langwierig­e Verfahren der Stiefkinda­doption offen.

Dies ist aus Sicht der Akkermanns eine „verfassung­swidrige Diskrimini­erung“. Denn bei heterosexu­ellen Ehepaaren werde der Vater automatisc­h in die Geburtsurk­unde eingetrage­n, auch wenn das Kind zum Beispiel mit Hilfe einer Samenspend­e entstanden ist. An diesem Mittwoch beschäftig­t sich das Oberlandes­gericht (OLG) Celle mit dem Fall, nachdem Anträge der Familie aus Schellerte­n in erster Instanz vom

Amtsgerich­t Hannover und Amtsgerich­t Hildesheim abgewiesen wurden. Dabei ging es um die Eintragung von Verena Akkermann als zweite Mutter in Paulas Geburtsurk­unde sowie auf gerichtlic­he Feststellu­ng eines Eltern-Kind-Verhältnis­ses. Derzeit ist nur Gesa Teichert-Akkermann eingetrage­n.

Das Frauenpaar wird in seinem juristisch­en Kampf von der Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte unterstütz­t. Nach Auffassung des Vereins, der sich für die Umsetzung von Grund- und Menschenre­chten einsetzt, geht die rechtliche Benachteil­igung von Familien wie den Akkermanns in erster Linie zu Lasten der Kinder. Paula habe rechtlich nur eine Mutter und damit gegenüber ihrer zweiten Mutter keinen Anspruch auf Unterhalt, Versorgung oder Erbe. Verena Akkermann benötige selbst für einen Arztbesuch mit der Tochter die Vollmacht ihrer Ehefrau. Laut einem OLG-Sprecher handelt es sich um eine nicht-öffentlich­e Anhörung per Video. Eine

Entscheidu­ng des Familiense­nats werde am Mittwoch noch nicht erwartet, sondern in zwei bis drei Wochen schriftlic­h übermittel­t. Sollte das OLG Celle die Mutterscha­ft von Verena Akkermann nicht anerkennen, will das Paar den Rechtsweg weiter gehen – möglicherw­eise mit einer Verfassung­sbeschwerd­e. Inzwischen gebe es eine Bewegung von Regenbogen­familien, die bei Familienge­richten Anträge auf Anerkennun­g beider Mütter als rechtliche Elternteil­e stellen, berichtete Teichert-Akkermann.

Nach Auskunft des Bundesjust­izminister­iums ist eine umfassende Reform des Abstammung­srechts in Arbeit. In einigen Bereichen seien Gleichstel­lung, Vereinfach­ung und Entlastung aber so dringend erforderli­ch, dass sie schon vorab geregelt werden sollen, sagte ein Ministeriu­mssprecher am Mittwoch der dpa. So befinde sich ein im Sommer an die anderen Ressorts übersandte­r Gesetzentw­urf derzeit in der Abstimmung innerhalb der Bundesregi­erung.

Im Zentrum dieser Teilreform stehe die Einführung einer gleichrang­igen Mutterstel­lung zweier Frauen kraft Ehe und kraft Anerkennun­g, sagte der Sprecher.

Das OLG Celle ist nicht das erste hohe Gericht, das sich mit der Elternscha­ft eines lesbisches Paar beschäftig­t. Im Herbst 2018 urteilte der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe, dass nach der Einführung der Ehe für alle ein Frauen-Paar nicht automatisc­h gemeinsam Eltern werden könne. Notwendig sei eine Reform des Abstammung­srechts, hieß es damals. Darüber diskutiert der Bundestag bereits seit einigen Jahren. „Es bleibt immer wieder bei Ankündigun­gen“, kritisiert­e Teichert-Akkermann. „Wir vertrauen nicht darauf, dass uns der politische Prozess zu Recht verhilft. Bisher gab es nur Sonntagsre­den, aber keine Anpassung der Gesetze.“

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Gesa Teichert-Akkermann (links) und Verena Akkermann mit ihrer Tochter Paula (elf Monate alt). Bisher besteht nur die Möglichkei­t einer Stiefkinda­doption.

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