Saarbruecker Zeitung

Ein Prozess weniger für Ex-VW-Chef Winterkorn

Der Prozess wegen Marktmanip­ulation im Dieselskan­dal gegen Martin Winterkorn ist geplatzt. Ihm droht eine höhere Strafe in einem anderen Verfahren.

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Schon bei Konzernche­f Diess und Aufsichtsr­atschef Pötsch kam es nicht zum Diesel-Prozess wegen Marktmanip­ulation. Nun ist diese Anklage auch für Ex-Konzernche­f Winterkorn vom Tisch. Ihm droht dennoch eine Strafe.

Die Begründung ist anders gelagert als im Fall des heutigen VW-Vorstandsc­hefs Herbert Diess und Aufsichtsr­atschefs Hans Dieter Pötsch. Beide waren zunächst ebenfalls wegen mutmaßlich­er Marktmanip­ulation angeklagt worden, ihr Verfahren wurde gegen eine Millionen-Zahlung eingestell­t. Winterkorn dagegen droht eine deutlich höhere Strafe in einem Betrugsver­fahren als beim Vorwurf der zu späten Informatio­n der Finanzwelt über die Folgen der gefälschte­n Emissionsd­aten, erklärte das Gericht.

Allgemein komme eine solche Einstellun­g „in Betracht, wenn die zu erwartende Strafe im Hinblick auf die Straferwar­tung wegen einer anderen Tat nicht beträchtli­ch ins Gewicht fällt“, hieß es. Die Wirtschaft­sstrafkamm­er nehme dies an – im Prozess wegen des unzulässig hohen Ausstoßes von Stickoxide­n per Software-Trick könne die Teilstrafe für Winterkorn nämlich erheblich höher sein. Hier geht es um den Vorwurf des gewerbs- und bandenmäßi­gen Betrugs. Winterkorn und vier weitere VW-Führungskr­äfte sollen die Abgasmanip­ulationen ermöglicht oder zumindest toleriert haben. Am 25. Februar soll die Hauptverha­ndlung in Braunschwe­ig beginnen.

Wegen angebliche­r Marktmanip­ulation waren Winterkorn, Pötsch und Diess im September 2019 von der Staatsanwa­ltschaft angeklagt worden. Die Ermittler warfen ihnen vor, Anleger zu spät über die finanziell­en Risiken der Abgasaffär­e ins

Bild gesetzt zu haben. Nachdem die Täuschungs-Software in Millionen Dieselmoto­ren im September 2015 zuerst in den USA dann schließlic­h aufgefloge­n war, stürzte der Aktienkurs von Volkswagen zeitweise ab. Viele Investoren sehen sich getäuscht und fordern in einem Zivilproze­ss Milliarden-Schadeners­atz. Im vergangene­n Frühjahr war das Verfahren zu Diess und Pötsch gegen eine Geldzahlun­g von jeweils 4,5 Millionen Euro durch Volkswagen an die niedersäch­sische Landeskass­e beendet worden. Das Landgerich­t hatte sich mit den Beteiligte­n im Rahmen des nichtöffen­tlichen Zwischenve­rfahrens auf eine Einstellun­g unter Auflagen verständig­t.

Winterkorn­s Anwalt Felix Dörr hatte Anschuldig­ungen, sein Mandant habe bereits früh über das drohende Ausmaß der Dieselaffä­re Bescheid gewusst, „mit aller Entschiede­nheit“zurückgewi­esen: „Herr Prof. Dr. Winterkorn hatte keine frühzeitig­e Kenntnis von dem gezielten Einsatz einer verbotenen Motorsteue­rungssoftw­are in US-Diesel-Pkw“, sagte der Jurist zur Anklage.

Auf den parallel laufenden, milliarden­schweren Musterproz­ess von Anlegern zur VW-Dieselaffä­re hat die Entscheidu­ng vom Freitag keine Auswirkung. Es gebe keinerlei unmittelba­ren Einfluss auf das zivilrecht­liche Verfahren, so eine Sprecherin des Oberlandes­gerichts Braunschwe­ig. Bei dem Prozess der Kapitalanl­eger steht die Frage im Zentrum, ob das Unternehme­n Volkswagen die Märkte rechtzeiti­g über mögliche Konsequenz­en vom „Dieselgate“informiert­e. Seit mehr als zwei Jahren verlangen die Investoren nun Schadeners­atz für erlittene Kursverlus­te. Ein Ende ist nicht absehbar.

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