Kramp-Karrenbauers digitaler Abschied
Die CDU wählt am Samstag ihren neuen Vorsitzenden virtuell – doch der erste Parteiabend steht im Zeichen der scheidenden Parteichefin.
Noch ein letztes Mal eröffnet Annegret Kramp-Karrenbauer einen CDU-Parteitag mit einer Rede. Ihr Bericht ist diesmal eine Abschiedsrede. Eine Abschiedsrede auf einem ungewöhnlichen Wahl-Parteitag. An diesem Samstag werden die 1001 Delegierten digital entscheiden, ob Armin Laschet, Friedrich Merz oder Norbert Röttgen ihr Nachfolger werden soll. Doch der Auftakt am Freitag gehört AKK. Ein dürrer Beifall folgt ihrer Rede von einer halben Handvoll Menschen in der Berliner Messe. Ohne Pandemie wären die Delegierten sicherlich aufgesprungen, hätten ihr dafür gedankt, dass sie sich als Saarlands Regierungschefin im Februar 2018 als Generalsekretärin in die Pflicht nehmen ließ und später als Vorsitzende eine Neuaufstellung der Partei einleitete.
„Heute stehe ich hier fast allein“, sagt Kramp-Karrenbauer zu Beginn ihrer Rede. Sie meint damit die Studio-Atmosphäre. Doch gegen Ende ihrer Rede kommt sie darauf zu sprechen, warum der Satz auch mit ihrem vorzeitigen Ende zu tun hat, warum sie nicht Kanzlerkandidatin werden und Parteichefin bleiben wollte. Sie erinnert an die „existenziell schwierige Situation“in Thüringen vor fast einem Jahr. „Ich spürte damals, dass ich als Parteivorsitzende nicht mehr genügend Autorität und Unterstützung hatte, um unsere Partei unbeschadet durch diese schwierige Phase zu bringen.“
Der Schritt auszuscheiden sei ihr „schwer“gefallen. Aber sie habe ihn sich „reiflich überlegt“. „Euren Erwartungen und meinen eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht geworden zu sein, das schmerzt.“Dann wird es sehr AKK-typisch. Sie gebe zwar die Verantwortung als Parteivorsitzende zurück, doch „Verantwortung, Leidenschaft und Verbundenheit“würden bleiben.
AKK erinnert in ihrem Rechenschaftsbericht auch an den tiefen Riss zwischen CDU und CSU 2018, der beide Parteien „in den Abgrund“hätte schauen lassen. „So etwas darf nie wieder geschehen“, lautet ihr Appell. Und sie verbindet das am Ende ihrer Abschiedsrede mit der CDU-Situation Anfang 2021: „Unterstützen wir geschlossen den neuen Vorsitzenden.“
Der nächste Programmpunkt: Angela Merkel wendet sich als Bundeskanzlerin ohne Parteiamt noch einmal an ihre Partei, die mit einem neuen Vorsitzenden in eine neue Zukunft aufbrechen will. Ein Grußwort
ist eigentlich eine Protokollangelegenheit. Aber wenn sich Merkel mit der Autorität von 16 Jahren als Bundeskanzlerin und 18 Jahren als ehemalige Parteichefin an die Delegierten eines wegweisenden CDU-Bundesparteitages wendet, zählt jedes Wort.
Merkel blickt zurück. 14 CDU-Bundesparteitage habe sie als Bundeskanzlerin erlebt. Es sei „mit einiger Wahrscheinlichkeit“ihr letzter Wahlparteitag, bei dem sie dabei sei. 2005, als sie als Bundeskanzlerin begonnen habe, habe es noch keine Smartphones gegeben, noch keinen Mindestlohn, noch keinen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Und jetzt stehe das Land vor dem „Jahrhundert-Ereignis einer Pandemie“. Aber sie sei davon überzeugt, Deutschland nach dieser Pandemie zu neuer Stärke finden.
„Wie sieht die Welt in 15 Jahren aus?“, fragt Merkel. Diese Welt werde sich in den nächsten 15 Jahren noch schneller wandeln, gibt sie sich überzeugt. Die Herausforderungen
seien groß: Globalisierung, Klimawandel, demografischer Wandel. Und schließlich müsse „Europa gebaut“werden, wenn die Europäer ihren Interessen in der Welt Gehör verschaffen wollten. Den Abschied von Kramp-Karrenbauer erwähnt Merkel in ihrem Grußwort nicht. Aber mm Ende kommt noch ein Kanzlerinnen-Wort: „Ich wünsche mir jetzt, dass dieser Parteitag die richtigen Entscheidungen für die Zukunft trifft.“Sie wünsche sich, dass „ein Team gewählt“werde. Ein Team!? Das kann man getrost als Wahlempfehlung verstehen. Armin Laschet und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn treten gewissermaßen als Team an. Ob das am Samstag wirklich Laschet nutzt, müssen die Delegierten entscheiden.
Einer steht (noch) nicht zur Wahl: Markus Söder. Noch ist der CSUChef bei Wählern und Unionsanhänger beliebter als jeder CDU-Kandidat. Söder spricht am Freitagabend ebenfalls ein digitales Grußwort. „Ich danke Dir wirklich ganz persönlich“, sagt er nachdrücklich an Kramp-Karrenbauer gewandt.
Söder spricht auch davon, dass sich jetzt noch keiner dafür interessiere, wer Kanzlerkandidat der Union werde. Er vermeidet erneut eine Festlegung und betont, er könne mit jedem der Kandidaten „super zusammenarbeiten“. Dann gibt er wieder den nüchtern-entschlossenen, zugleich empathischen Pandemie-Bekämpfer. Die Gesellschaft habe sich in der Pandemie „mehr verändert, als wir denken“.