Saarbruecker Zeitung

Kramp-Karrenbaue­rs digitaler Abschied

Die CDU wählt am Samstag ihren neuen Vorsitzend­en virtuell – doch der erste Parteiaben­d steht im Zeichen der scheidende­n Parteichef­in.

- VON HOLGER MÖHLE, GREGOR MAYNTZ UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Noch ein letztes Mal eröffnet Annegret Kramp-Karrenbaue­r einen CDU-Parteitag mit einer Rede. Ihr Bericht ist diesmal eine Abschiedsr­ede. Eine Abschiedsr­ede auf einem ungewöhnli­chen Wahl-Parteitag. An diesem Samstag werden die 1001 Delegierte­n digital entscheide­n, ob Armin Laschet, Friedrich Merz oder Norbert Röttgen ihr Nachfolger werden soll. Doch der Auftakt am Freitag gehört AKK. Ein dürrer Beifall folgt ihrer Rede von einer halben Handvoll Menschen in der Berliner Messe. Ohne Pandemie wären die Delegierte­n sicherlich aufgesprun­gen, hätten ihr dafür gedankt, dass sie sich als Saarlands Regierungs­chefin im Februar 2018 als Generalsek­retärin in die Pflicht nehmen ließ und später als Vorsitzend­e eine Neuaufstel­lung der Partei einleitete.

„Heute stehe ich hier fast allein“, sagt Kramp-Karrenbaue­r zu Beginn ihrer Rede. Sie meint damit die Studio-Atmosphäre. Doch gegen Ende ihrer Rede kommt sie darauf zu sprechen, warum der Satz auch mit ihrem vorzeitige­n Ende zu tun hat, warum sie nicht Kanzlerkan­didatin werden und Parteichef­in bleiben wollte. Sie erinnert an die „existenzie­ll schwierige Situation“in Thüringen vor fast einem Jahr. „Ich spürte damals, dass ich als Parteivors­itzende nicht mehr genügend Autorität und Unterstütz­ung hatte, um unsere Partei unbeschade­t durch diese schwierige Phase zu bringen.“

Der Schritt auszuschei­den sei ihr „schwer“gefallen. Aber sie habe ihn sich „reiflich überlegt“. „Euren Erwartunge­n und meinen eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht geworden zu sein, das schmerzt.“Dann wird es sehr AKK-typisch. Sie gebe zwar die Verantwort­ung als Parteivors­itzende zurück, doch „Verantwort­ung, Leidenscha­ft und Verbundenh­eit“würden bleiben.

AKK erinnert in ihrem Rechenscha­ftsbericht auch an den tiefen Riss zwischen CDU und CSU 2018, der beide Parteien „in den Abgrund“hätte schauen lassen. „So etwas darf nie wieder geschehen“, lautet ihr Appell. Und sie verbindet das am Ende ihrer Abschiedsr­ede mit der CDU-Situation Anfang 2021: „Unterstütz­en wir geschlosse­n den neuen Vorsitzend­en.“

Der nächste Programmpu­nkt: Angela Merkel wendet sich als Bundeskanz­lerin ohne Parteiamt noch einmal an ihre Partei, die mit einem neuen Vorsitzend­en in eine neue Zukunft aufbrechen will. Ein Grußwort

ist eigentlich eine Protokolla­ngelegenhe­it. Aber wenn sich Merkel mit der Autorität von 16 Jahren als Bundeskanz­lerin und 18 Jahren als ehemalige Parteichef­in an die Delegierte­n eines wegweisend­en CDU-Bundespart­eitages wendet, zählt jedes Wort.

Merkel blickt zurück. 14 CDU-Bundespart­eitage habe sie als Bundeskanz­lerin erlebt. Es sei „mit einiger Wahrschein­lichkeit“ihr letzter Wahlpartei­tag, bei dem sie dabei sei. 2005, als sie als Bundeskanz­lerin begonnen habe, habe es noch keine Smartphone­s gegeben, noch keinen Mindestloh­n, noch keinen Rechtsansp­ruch auf einen Kita-Platz. Und jetzt stehe das Land vor dem „Jahrhunder­t-Ereignis einer Pandemie“. Aber sie sei davon überzeugt, Deutschlan­d nach dieser Pandemie zu neuer Stärke finden.

„Wie sieht die Welt in 15 Jahren aus?“, fragt Merkel. Diese Welt werde sich in den nächsten 15 Jahren noch schneller wandeln, gibt sie sich überzeugt. Die Herausford­erungen

seien groß: Globalisie­rung, Klimawande­l, demografis­cher Wandel. Und schließlic­h müsse „Europa gebaut“werden, wenn die Europäer ihren Interessen in der Welt Gehör verschaffe­n wollten. Den Abschied von Kramp-Karrenbaue­r erwähnt Merkel in ihrem Grußwort nicht. Aber mm Ende kommt noch ein Kanzlerinn­en-Wort: „Ich wünsche mir jetzt, dass dieser Parteitag die richtigen Entscheidu­ngen für die Zukunft trifft.“Sie wünsche sich, dass „ein Team gewählt“werde. Ein Team!? Das kann man getrost als Wahlempfeh­lung verstehen. Armin Laschet und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn treten gewisserma­ßen als Team an. Ob das am Samstag wirklich Laschet nutzt, müssen die Delegierte­n entscheide­n.

Einer steht (noch) nicht zur Wahl: Markus Söder. Noch ist der CSUChef bei Wählern und Unionsanhä­nger beliebter als jeder CDU-Kandidat. Söder spricht am Freitagabe­nd ebenfalls ein digitales Grußwort. „Ich danke Dir wirklich ganz persönlich“, sagt er nachdrückl­ich an Kramp-Karrenbaue­r gewandt.

Söder spricht auch davon, dass sich jetzt noch keiner dafür interessie­re, wer Kanzlerkan­didat der Union werde. Er vermeidet erneut eine Festlegung und betont, er könne mit jedem der Kandidaten „super zusammenar­beiten“. Dann gibt er wieder den nüchtern-entschloss­enen, zugleich empathisch­en Pandemie-Bekämpfer. Die Gesellscha­ft habe sich in der Pandemie „mehr verändert, als wir denken“.

 ??  ?? FOTO: KAPPELER/DPA In der Berliner Messehalle „hub27“findet der digitale CDU-Bundespart­eitag statt. Hier halten die drei Kandidaten die Bewerbungs­reden um den Parteivors­itz, während die Delegierte­n die Veranstalt­ung im Livestream mitverfolg­en.
FOTO: KAPPELER/DPA In der Berliner Messehalle „hub27“findet der digitale CDU-Bundespart­eitag statt. Hier halten die drei Kandidaten die Bewerbungs­reden um den Parteivors­itz, während die Delegierte­n die Veranstalt­ung im Livestream mitverfolg­en.

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