Nicht alles frisst die Sehnsucht auf
Diese Woche habe ich etwas nicht vermisst. Es ist mir zuerst gar nicht aufgefallen. Die Sehnsucht nach so vielen Dingen, die immer selbstverständlich waren und nun scheinbar wie hinter einer gläsernen Kuppel unerreichbar scheinen, ist zu einem lauten Grundrauschen geworden, das einiges übertönt.
Manchmal, aber immer seltener, spreche ich zum Beispiel die Frage noch aus: Was machen wir heute Abend? Und noch während ich es sage, ist da der Stich: keine Kneipe, kein Kino, kein Theater. Und am Wochenende keine Tour nach Belgien, keine Besuche bei den Schwiegereltern in Vorarlberg. Das Filmfestival „Max Ophühls Preis“findet in diesem Jahr vor dem Fernseher statt – immerhin zumindest das, da hat sich die Festivalleitung etwas Gutes einfallen lassen. Die Sehnsucht nach dem Menschengewimmel im Kino, nach den langen Nächten vor der Leinwand, nach all den Menschen, die man nur einmal im Jahr genau dort trifft, verscheucht das aber nicht.
Und als diese Woche die Nachricht vom Tod des Brasserie-Wirts Micha Weber kam, hatte ich einen Gedanken, den viele hatten, die ihn kannten: Betrinken wir uns alle gemeinsam und feiern ihn und sein Leben. Das muss wohl gerade jeder für sich tun.
Etwas habe ich diese Woche aber nicht vermisst: die Neujahrsempfänge. Ob den großen der Landeshauptstadt im E-Werk oder die vielen kleineren der Parteien. Das ist mir aufgefallen, als ich vor ein paar Tagen einen Kommunalpolitiker zufällig auf der Straße getroffen habe. Wir standen da, wie sonst auf einem dieser Empfänge: Wir plauderten, haben uns aber wohl beide an einen anderen, faszinierenderen Ort gewünscht.