Saarbruecker Zeitung

Micha hat seine Brass für immer verlassen

Er stand fast 50 Jahre hinterm Tresen: Michael Weber, der dienstälte­ste Wirt des St. Johanner Markts, ist tot.

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in Metz. Da müsse man unbedingt hin. Das wollte er nurmal erzählt haben.

Knapp sechs Jahre ist das jetzt her. Die Geschichte, die über Micha Weber selbst wohl am meisten erzählt wurde, war die mit Frank Zappa. Im September 1978 hatte Zappa im Ludwigspar­k ein viel beachtetes Konzert gegeben. Als er danach irgendwann in die Brasserie kam, um das Saarbrücke­r Nachtleben zu genießen, war er wohl nicht mehr ganz klar. Zappa hatte offenbar vergessen, dass man Frauen mit Respekt begegnet. Er soll versucht haben, eine Frau auf die uncharmant­e Art anzumachen. Das war dann das Ende von Zappas Nacht in der Brass, denn Micha machte klar: „Frauen haben hier drin nix zu befürchten.“

Die Geschichte der Brass selbst fing an, als die „gute Stube“ein finsterer Ort war und sich „anständige“Menschen dort nicht hintrauten – oder das zumindest behauptete­n. Es war, wie in dieser Zeitung stand, die Zeit, „als über die Alte Brücke noch Busse fuhren, als es dick Friedel noch seinen riesigen Busen wie einen Blumenkast­en auf einer Fensterban­k in der Fröschenga­sse parkte, als die leichten Mädels noch den St. Johanner Markt bevölkerte­n“. Es war der 14. Juli 1971, der französisc­he Nationalfe­iertag also, als Hans Seyler, den sie Suppenhans nannten, die „Brasserie“in der Fröschenga­sse eröffnete. Fünf Jahre später übernahm Micha Weber, der bereits vorher hinterm Tresen gestanden hatte, die Brass.

Und das blieb er dann für immer: der Wirt der Brass. Denn einen Markt ohne die Brasserie, das konnte sich selbst der Makler, den viele Mieter eher fürchten, nicht vorstellen. Es war Ende August 2017, als das Telefon klingelte und Micha ohne Umschweife zur Sache kam: „Ich habe es gerockt.“Der Makler sei „sehr zugänglich gewesen“bei den Vertragsve­rhandlunge­n. Was auch daran gelegen haben könnte, dass er selbst eine Weile gerne in die Brass gekommen sei. Oder dass er ihm habe vermitteln können, dass die Brass sein „Baby“ist, sagte Micha. Wie auch immer: Der Vertrag war für zehn weitere Jahre unterschri­eben. Vier davon wolle er auf jeden Fall noch selbst in der Brass stehen. Dann, im Sommer 2021, habe er die 50 Jahre hinterm Tresen voll. Danach müsse man schauen. Aber vielleicht, spekuliert­e Micha, finde sich ja eine Lösung, die es ihm ermöglicht, noch irgendwie weiter mitzumisch­en.

Der Mann, den man ohne Bedenken als Saarbrücke­r Original, als einen Kult-Wirt oder auch einfach nur als einen wundervoll­en Menschen bezeichnen kann, hatte dabei mit einer Geschichte nicht gerechnet. Der Geschichte einer heimtückis­chen Krankheit, die ihn diese Woche an den großen Tresen weit weg gerufen hat. Micha Weber ist tot. Er wurde 72 Jahre alt.

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