Staatstheater in Saarbrücken will erst Ostern wieder spielen
Das Saar-Staatstheater will erst an Ostern wieder öffnen. Produziert werde zurzeit nur, was auch aufgeführt werden könne, sagt Intendant Busse.
In allen staatlichen Theatern werden derzeit mit großem organisatorischen Umplanungs-Aufwand Stücke auf Halde produziert – ohne Gewissheit, ob sie jemals vor Publikum gezeigt werden können. Bundesweit wird deshalb darüber diskutiert, ob es nicht besser wäre, bereits jetzt eine längere Schließungsphase zu vereinbaren. Mit dem Saarbrücker Staatstheater-Intendanten Bodo Busse sprachen wir über das, was bis zur Sommerpause von der ersten Corona-Spielzeit 20/21 überhaupt noch realisierbar ist. Noch eine ganze Menge, sagt er.
Manche Theaterintendanten haben sich mit ihren Trägern darauf verständigt, dass sie bis Ende Februar – das ist in Sachsen so – oder sogar bis Ostern zu bleiben, das gilt für hessische Theater. Auch das Pfalztheater Kaiserslautern hat bis Anfang April geschlossen.Wie beurteilen Sie solche vorsorglichen Schließungen?
BUSSE Bundesweit herrscht fast überall Konsens, dass im Februar nicht gespielt wird. Wir haben jetzt schon fast Ende Januar, die gegenwärtige „Corona“-Lage scheint sich zu verschärfen, es würde also keinen Sinn machen, am 1. Februar zu öffnen. Selbst wenn wir das im SST könnten, weil vieles ja zu Ende geprobt wurde. Für die Aufnahme des Spielbetriebs braucht es aber vor allem aus Marketing-Sicht einen gewissen Vorlauf: Die Erfahrungen aus dem letzten Lockdown haben uns gezeigt, dass es mindestens vier Wochen dauert, bis die Kommunikationsmaßnahmen greifen und es sich herumgesprochen hat, dass die Theaterpforten wieder offen sind. Und genügend Zeit, um zu planen und Karten zu kaufen, müssen wir unseren Besuchern und Besucherinnen ja auch einräumen.
Was heißt das konkret?
BUSSE Wir haben uns entschieden, im Februar geschlossen zu bleiben, das lässt sich gut machen, weil wir sowieso Fastnachtferien hätten. Es wird also keinen Spielbetrieb geben, frühestens öffnen wir am 1. März wieder. Als wirklich idealen Termin für einen Wiedereinstieg sehen wir allerdings einen etwa vier Wochen späteren Termin, Ostern. Das ließe sich dann als ein Premieren-Festival organisieren, bei dem wir die neuen Stücke vorstellen. Wie gesagt: Wir könnten jederzeit früher wieder öffnen, aber für Werbung und Stimmung wäre es doch wunderbar zu sagen, lasst uns warten, bis die Blumen wieder blühen und dann richtig loslegen. Die Menschen müssen doch auch erst mal wieder Lust haben, ins Theater zu gehen. Derzeit herrscht große Verängstigung.
Die „Corona“-Spielzeit endet ja bereits am 16. Juli wieder, mit der Sommerpause.Welche Premieren sind überhaupt noch geplant?
BUSSE Wir freuen uns darauf, nach dem Ende des Lockdowns, wann immer das sein wird, sieben Neuproduktionen präsentieren zu können: Das sind die Produktionen, die wir seit Anfang November bis zur Premierenreife durchgeprobt haben, aber nicht mehr herausbringen konnten. Und es sind auch die Stücke, die in den kommenden Wochen noch zu Ende geprobt werden. Ob es möglich und sinnvoll ist, darüber hinaus noch weitere Neuproduktionen anzusetzen, hängt vom Zeitpunkt ab, an dem der Spielbetrieb wieder starten kann. Je später der Wiedereinstieg, desto weniger Neuproduktionen oder Wiederaufnahmen können überhaupt realisiert werden. Für den schlechtesten Fall eines sehr späten Spielbeginns, etwa im Juni oder Juli, werden nur noch Projekte improvisiert.
Nennen Sie uns die Produktionen, die sozusagen auf Abruf stehen?
BUSSE „Premierenfertig“sind das Schauspiel „Eine kurze Chronik des künftigen China“, der Singspiel-Klassiker „Im weißen Rössl“sowie Stijn Celis’ neuer Ballettabend „Winterreise“. Für vier weitere Stücke beginnen in den nächsten Wochen die Endproben: für Molières Komödie „Der Geizige“, für „Puck träumt eine Sommernacht“nach Shakespeares „Sommernachtstraum“sowie für die Deutsche Erstaufführung der Dusapin-Oper „Macbeth Underworld“und für die Uraufführung von Mandy Thierys Schauspiel „Das Fenster“. Die beiden letztgenannten Stücke entstehen in Koproduktion mit Les Théâtres de la Ville de Luxembourg und werden als Gastspiele später auch dort zu sehen sein. Gerade in diesen Zeiten sind grenzüberschreitenden Kooperationen als Hoffnungszeichen wichtig, dass Strukturen Corona Stand halten.
Kann das SST kaum gezeigte Produktionen, die im Oktober herauskamen, und nur wenige Male – und das auch nur vor kleinem Publikum – liefen, im Repertoire halten?
BUSSE Selbstverständlich! Produktionen wie „Il Trovatore“, „Hair“, „Sound & Vision“, „Trüffel Trüffel Trüffel“, „Gespräch mit einer Stripperin“und „Nora_Spielen!“bleiben im Repertoire: Wir werden diese Stücke bis Ende der Saison noch mit einigen Vorstellungen spielen, manche werden zudem in die kommende Spielzeit übernommen und werden ab August als Wiederaufnahme erneut auf dem Programm stehen.
Sind mit einer Wiederaufnahme Probleme verbunden?
BUSSE Wiederaufnahmen benötigen immer einen gewissen Probenvorlauf, egal, ob es sich dabei um eine geplante Wiederaufnahme von Repertoirestücken handelt, also von Produktionen, die schon ein paar Mal gespielt wurden, oder um die Wiederaufnahme von Produktionen, die durchgeprobt, aber noch nicht zur Aufführung gelangt sind. Die fertig geprobten, aber nicht zur Premiere gebrachten Stücke dieser Spielzeit müssen mit wenigen Bühnenproben, im Musiktheater mit einer weiteren zusätzlichen Bühnenorchesterprobe auskommen; bei „richtigen“Wiederaufnahmen bereits gespielter und gegebenenfalls umbesetzter Stücke braucht es ein paar Tage länger. Gerade Stücke im Musiktheater benötigen nach längerer „Liegezeit“intensivere musikalische Ensemblevorproben, weil auch Besetzungen sich ändern. Überhaupt gilt: Jede neue Verlängerung des Lockdowns, selbst wenn es sich nur um wenige Tage handelt, zieht eine Veränderung der Gesamtplanung nach sich, weil Produktionsphasen verschoben werden oder ganz entfallen. So entstehen derzeit fast täglich neue Planungsszenarien.
Das klingt nach unnötiger Arbeit.Wie ökonomisch ist denn die Weiterproduktion von neuen Stücken, wenn sie womöglich nie gezeigt werden können?
BUSSE Wir produzieren nur das, was wir auch tatsächlich aufführen können. Ab Ende der jetzigen Winter-Produktionsphase, die die genannten sieben Neuproduktionen umfasst, wird erst einmal nichts Neues mehr produziert – und wenn doch, dann nur unter der Maßgabe, dass wir dieses Stück auch oft genug aufführen können.
Sollte der Probenbetrieb für Neuzugänge auf dem Spielplan nicht bis auf Weiteres ganz eingestellt werden?
BUSSE Diese Verschärfung könnte uns drohen. Neue Corona-Regeln könnten uns das Proben untersagen wie beim ersten Lockdown. Aber wir haben Glück, denn wir sind Anfang Februar mit allen Proben für die Spielzeit durch. Nach jetzigem Stand stellen wir aber alle Produktionen, die derzeit schon in der Proben- und Werkstattphase sind, fertig. Das ist auch sinnvoll. „Macbeth Underworld“beispielsweise könnten wir auch gar nicht zu einem späteren Zeitpunkt fertig proben, weil der Regisseur ab März an einem anderen Haus verpflichtet ist.
Das hört sich beinahe nach einem normalen Theaterbetrieb an, sollte es rechtzeitig vor Juni mal wieder losgehen.
BUSSE Nicht ganz. Wir haben ja im September vorausschauend einige Produktionen aufgrund der Corona-Einschränkungen nach Maßgabe des Hygiene- und Sicherheitskonzeptes auf eine der nächsten Spielzeiten verschoben oder ganz gestrichen. Das betrifft unter anderem die gesamte „Ring“-Planung: Hier können wir erst ab dem Moment, in dem eine sichere langfristige Planung auch im Sinne des Zyklusgedankens und der damit verbundenen Einheit der Besetzung möglich ist, wieder einsteigen. Aufgrund der Verlängerung des Lockdowns hat es nun leider keinen Sinn mehr, für die „Walküre“eine Ersatzproduktion zu planen. Ebenfalls verschoben: die Kinderoper „Wanda Walfisch“, in die kommende Spielzeit. Wie wir mit der für Sommer 2020 geplanten Bizet-Oper „Die Perlenfischer“umgehen, wissen wir auch noch nicht abschließend. Im Schauspiel wollten wir jetzt im Frühjahr den „Hamlet“herausbringen, haben ihn nun aber durch die Wiederaufnahme von „Amadeus“ersetzt. Denn auch dieses wunderbare Stück konnten wir ja bislang leider erst ganz selten spielen. Ich bin zuversichtlich: Mit den wärmeren Temperaturen wird auch die Theatersonne wieder scheinen.