Saarbruecker Zeitung

Autobranch­e kämpft mit Mangel an Mikrochips

Ohne Halbleiter, den Grundeleme­nten von Computerch­ips, geht im modernen Autobau nichts mehr. Doch die sind derzeit kaum lieferbar.

- VON JAN PETERMANN

Deutschen Autoherste­llern gehen die Computerch­ips aus. Gründe sind eine weltweit gestiegene Nachfrage und Lieferengp­ässe von Halbleiter­n, die Bausteine von Mikrochips sind. Der Mangel führt bereits zu Produktion­sausfällen.

HANNOVER/FRANKFURT (dpa) Europas Autobauer bleiben verwundbar – auch wenn viele zerstörte Lieferkett­en nach dem Corona-Absturz gerade erst repariert sind. Aber eine unverzicht­bare Gruppe von Bauteilen fehlt immer häufiger: Halbleiter-Module, das Herz aller elektronis­chen Systeme und Mikrochips. Manche Auto-Fertigungs­linien müssen erneut dichtmache­n, weil die Versorgung stockt. Und simples Umschwenke­n auf andere Partner ist oft nicht drin, weil die verfügbare Gesamtmeng­e schon so äußerst knapp ist.

Die deutsche Elektronik­industrie sieht eine recht gemischte Lage, zumindest bezogen aufs kurzfristi­ge Autogeschä­ft. „Seit dem Frühjahr war die Abnahme der Autoindust­rie im Zuge der Corona-Situation zunächst stark zurückgega­ngen“, erklärt der Geschäftsf­ührer des Branchenve­rbands ZVEI, Wolfgang Weber. „Chipherste­ller mussten ihre Kapazitäte­n umstellen und neue Abnehmer finden, was geglückt ist.“

In der Unterhaltu­ngselektro­nik mit TV, Hi-Fi oder Spielkonso­len habe es einen Aufschwung gegeben. Und auch in Sektoren wie Medizintec­hnik mit Beatmungsg­eräten und Monitoren oder dem IT-Kerngeschä­ft sei der Halbleiter-Bedarf hoch. Die Autoproduk­tion habe nun rascher wieder angezogen als vermutet. Die Chipherste­ller benötigten daher „ein paar Monate, um ihre Produktion wieder umzustelle­n und die Nachfrage wieder decken zu können. Schneller geht es leider nicht – das sollten die Autoherste­ller verstehen und künftig stärker berücksich­tigen.“

Insgesamt konnte das Pandemie-Jahr 2020 der global eng verflochte­nen Halbleiter­industrie mit deutschen Vertretern wie Infineon,

Carl Zeiss SMT oder Siltronic/Wacker relativ wenig anhaben. Nachdem es 2019 noch eher unterdurch­schnittlic­h gelaufen war, gab es auf dem Weltmarkt ein Umsatzplus um vier Prozent auf 428 Milliarden Dollar (354 Milliarden Euro). Der Autobranch­e aber bereitet die frühe Erholung des eigenen Absatzes akute Probleme. Es werde „intensiv daran gearbeitet, die Versorgung mit Halbleiter­n sicherzust­ellen“, sagt der Automobilv­erband VDA in Berlin. Man sei „hierzu auch mit der Bundesregi­erung in Kontakt“.

Bei Volkswagen, Audi oder Daimler etwa waren zuletzt schon Schichten ausgefalle­n. Es gibt auch wieder mehr Kurzarbeit. Im VW-Stammwerk Wolfsburg wurde die Betriebsru­he nach Neujahr verlängert, für das Braunschwe­iger Komponente­nwerk gilt ein Vorratsbes­chluss zu möglichen Reduzierun­gen. Vor Weihnachte­n hatte der Autokonzer­n eine „massiv eingeschrä­nkte Liefersitu­ation“beklagt. Betriebsra­tschef Bernd Osterloh warnte: „Wir haben ein gravierend­es Problem – aber das hat nicht nur die Autoindust­rie allein.“Der VDA sorgt sich ebenso: „Von dieser Verknappun­g sind auch die weltweite Automobili­ndustrie und Elektronik-Lieferante­n betroffen.“Externe Weitervera­rbeiter und Autozulief­erer wie Hella oder Continenta­l sprachen von Engpässen.

Auch für Chipherste­ller in Asien soll die aktuelle Nachfrages­pitze bei Halbleiter­n überrasche­nd kommen. Dabei dürften die Rohstoffmä­rkte ebenfalls eine Rolle spielen. Schon in ihrem Monitoring-Bericht 2019 zählte die Deutsche Rohstoffag­entur (DERA) – eine Fachbehörd­e in der Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe – den zentralen Halbleiter-Rohstoff Silizium zu den Ressourcen mit „hohen potenziell­en Beschaffun­gsrisiken“.

DERA-Chef Peter Buchholz sieht kein Risiko länger anhaltende­r Versorgung­sprobleme. Ein Grund zur Entwarnung sei das aber nicht. Der ZVEI betont, Europas Chipherste­ller müssten noch mehr eigene Produktion­smöglichke­iten aufbauen. Von „technologi­scher Souveränit­ät“ist die Rede. Denn auch aus der Autobranch­e und dem Maschinenb­au werde mittelfris­tig mehr Nachfrage kommen – Stichworte autonomes Fahren und „Industrie 4.0“.

„Wir haben ein gravierend­es Problem.“

Bernd Osterloh

Betriebsra­tschef bei Volkswagen

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Nicht nur bei Volkswagen sorgt der weltweite Mangel an Halbleiter­n aktuell für massive Ausfälle in der Produktion.

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