Autobranche kämpft mit Mangel an Mikrochips
Ohne Halbleiter, den Grundelementen von Computerchips, geht im modernen Autobau nichts mehr. Doch die sind derzeit kaum lieferbar.
Deutschen Autoherstellern gehen die Computerchips aus. Gründe sind eine weltweit gestiegene Nachfrage und Lieferengpässe von Halbleitern, die Bausteine von Mikrochips sind. Der Mangel führt bereits zu Produktionsausfällen.
HANNOVER/FRANKFURT (dpa) Europas Autobauer bleiben verwundbar – auch wenn viele zerstörte Lieferketten nach dem Corona-Absturz gerade erst repariert sind. Aber eine unverzichtbare Gruppe von Bauteilen fehlt immer häufiger: Halbleiter-Module, das Herz aller elektronischen Systeme und Mikrochips. Manche Auto-Fertigungslinien müssen erneut dichtmachen, weil die Versorgung stockt. Und simples Umschwenken auf andere Partner ist oft nicht drin, weil die verfügbare Gesamtmenge schon so äußerst knapp ist.
Die deutsche Elektronikindustrie sieht eine recht gemischte Lage, zumindest bezogen aufs kurzfristige Autogeschäft. „Seit dem Frühjahr war die Abnahme der Autoindustrie im Zuge der Corona-Situation zunächst stark zurückgegangen“, erklärt der Geschäftsführer des Branchenverbands ZVEI, Wolfgang Weber. „Chiphersteller mussten ihre Kapazitäten umstellen und neue Abnehmer finden, was geglückt ist.“
In der Unterhaltungselektronik mit TV, Hi-Fi oder Spielkonsolen habe es einen Aufschwung gegeben. Und auch in Sektoren wie Medizintechnik mit Beatmungsgeräten und Monitoren oder dem IT-Kerngeschäft sei der Halbleiter-Bedarf hoch. Die Autoproduktion habe nun rascher wieder angezogen als vermutet. Die Chiphersteller benötigten daher „ein paar Monate, um ihre Produktion wieder umzustellen und die Nachfrage wieder decken zu können. Schneller geht es leider nicht – das sollten die Autohersteller verstehen und künftig stärker berücksichtigen.“
Insgesamt konnte das Pandemie-Jahr 2020 der global eng verflochtenen Halbleiterindustrie mit deutschen Vertretern wie Infineon,
Carl Zeiss SMT oder Siltronic/Wacker relativ wenig anhaben. Nachdem es 2019 noch eher unterdurchschnittlich gelaufen war, gab es auf dem Weltmarkt ein Umsatzplus um vier Prozent auf 428 Milliarden Dollar (354 Milliarden Euro). Der Autobranche aber bereitet die frühe Erholung des eigenen Absatzes akute Probleme. Es werde „intensiv daran gearbeitet, die Versorgung mit Halbleitern sicherzustellen“, sagt der Automobilverband VDA in Berlin. Man sei „hierzu auch mit der Bundesregierung in Kontakt“.
Bei Volkswagen, Audi oder Daimler etwa waren zuletzt schon Schichten ausgefallen. Es gibt auch wieder mehr Kurzarbeit. Im VW-Stammwerk Wolfsburg wurde die Betriebsruhe nach Neujahr verlängert, für das Braunschweiger Komponentenwerk gilt ein Vorratsbeschluss zu möglichen Reduzierungen. Vor Weihnachten hatte der Autokonzern eine „massiv eingeschränkte Liefersituation“beklagt. Betriebsratschef Bernd Osterloh warnte: „Wir haben ein gravierendes Problem – aber das hat nicht nur die Autoindustrie allein.“Der VDA sorgt sich ebenso: „Von dieser Verknappung sind auch die weltweite Automobilindustrie und Elektronik-Lieferanten betroffen.“Externe Weiterverarbeiter und Autozulieferer wie Hella oder Continental sprachen von Engpässen.
Auch für Chiphersteller in Asien soll die aktuelle Nachfragespitze bei Halbleitern überraschend kommen. Dabei dürften die Rohstoffmärkte ebenfalls eine Rolle spielen. Schon in ihrem Monitoring-Bericht 2019 zählte die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) – eine Fachbehörde in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe – den zentralen Halbleiter-Rohstoff Silizium zu den Ressourcen mit „hohen potenziellen Beschaffungsrisiken“.
DERA-Chef Peter Buchholz sieht kein Risiko länger anhaltender Versorgungsprobleme. Ein Grund zur Entwarnung sei das aber nicht. Der ZVEI betont, Europas Chiphersteller müssten noch mehr eigene Produktionsmöglichkeiten aufbauen. Von „technologischer Souveränität“ist die Rede. Denn auch aus der Autobranche und dem Maschinenbau werde mittelfristig mehr Nachfrage kommen – Stichworte autonomes Fahren und „Industrie 4.0“.
„Wir haben ein gravierendes Problem.“
Bernd Osterloh
Betriebsratschef bei Volkswagen