Diskussion um schnelle Impfung für Härtefälle im Saarland
Die Reihenfolge bei der Schutzimpfung gegen Covid-19 schien bislang in Stein gemeißelt. Doch die Diskussion über Ausahmen läuft.
Der erlösende Anruf kann jede Minute kommen. Alois M. (Name geändert) aus dem Landkreis St. Wendel ist unheilbar an Krebs erkrankt. Helfen kann ihm nur noch eine Transplantation der Leber. „Die Parameter sind so weit gut, ich bin EU-weit gelistet und warte praktisch stündlich auf Nachricht“, sagt der 65-Jährige.
Seine Ärzte am Universitätsklinikum in Homburg raten dazu, dass M. bald gegen Covid-19 geimpft wird, damit der Körper durch eine Infektion nicht zusätzlich geschwächt wird. Die Transplantationsmediziner haben ihm ein Attest ausgestellt, darin steht: Mit der Organtransplantation könne jederzeit gerechnet werden. „Wir bitten, dies bei der Terminvergabe zur Schutzimpfung zu berücksichtigen.“
Das Problem ist, dass Menschen wie Alois M. in der vom Bundesgesundheitsministerium per Verordnung festgelegten Impf-Reihenfolge (siehe große Grafik) nicht sehr weit vorne stehen. Nach der bundesweit geltenden Verordnung gehört er als Krebskranker zur Priorität 3, zusammen mit (kerngesunden oder kranken) Lehrern oder Mitarbeitern von Lebensmittelgeschäften. Damit wäre er vermutlich erst im Sommer an der Reihe. Zur Priorität 2, die vermutlich im April aufgerufen werden wird, gehören Transplantationspatienten erst dann, wenn sie das Spenderorgan bereits haben.
Alois M. sagt, es gebe viele Organtransplantierte und Organanwärter im Saarland, für die eine weitere Schwächung des in der Regel ohnehin schwachen Immunsystems durch Covid tödlich enden könne. Er wolle keine Sonderbehandlung, sondern er wolle erreichen, dass Risikopatienten nicht erst in ihrer Altersstufe
und als „normale“Krebspatienten geimpft werden.
Das saarländische Gesundheitsministerium betont seit Wochen, dass es keine Ausnahmen von der festgelegten Impf-Reihenfolge geben könne. Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts hat ihre Empfehlungen kürzlich insofern nachjustiert, als dass nun auch Einzelfallentscheidungen möglich sind, zum Beispiel bei Personen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen. Auf dieser Grundlage wurde in Rheinland-Pfalz gerade erst ein schwerstbehinderter 30-Jähriger geimpft, der an einer unheilbaren Muskelkrankheit leidet – nachdem sich seine Eltern direkt an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gewandt hatten (die SZ berichtete).
Die SPD-Landtagsfraktion regt für das Saarland nun eine Kommission an, die über Härtefälle bei der Priorisierung von Impfungen entscheiden soll. Medizinische Härtefälle, die nach den allgemeinen Vorgaben nicht zur ersten Priorisierungsgruppe gehören, sollten vorgezogen werden, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Magnus Jung. Dazu zählt er zum Beispiel jüngere Menschen, die vor einer Organtransplantation oder einer Chemotherapie stehen. Das Gesundheitsministerium teilte mit, es prüfe Jungs Vorschlag.