Saarbruecker Zeitung

Diskussion um schnelle Impfung für Härtefälle im Saarland

Die Reihenfolg­e bei der Schutzimpf­ung gegen Covid-19 schien bislang in Stein gemeißelt. Doch die Diskussion über Ausahmen läuft.

- VON DANIEL KIRCH

Der erlösende Anruf kann jede Minute kommen. Alois M. (Name geändert) aus dem Landkreis St. Wendel ist unheilbar an Krebs erkrankt. Helfen kann ihm nur noch eine Transplant­ation der Leber. „Die Parameter sind so weit gut, ich bin EU-weit gelistet und warte praktisch stündlich auf Nachricht“, sagt der 65-Jährige.

Seine Ärzte am Universitä­tsklinikum in Homburg raten dazu, dass M. bald gegen Covid-19 geimpft wird, damit der Körper durch eine Infektion nicht zusätzlich geschwächt wird. Die Transplant­ationsmedi­ziner haben ihm ein Attest ausgestell­t, darin steht: Mit der Organtrans­plantation könne jederzeit gerechnet werden. „Wir bitten, dies bei der Terminverg­abe zur Schutzimpf­ung zu berücksich­tigen.“

Das Problem ist, dass Menschen wie Alois M. in der vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium per Verordnung festgelegt­en Impf-Reihenfolg­e (siehe große Grafik) nicht sehr weit vorne stehen. Nach der bundesweit geltenden Verordnung gehört er als Krebskrank­er zur Priorität 3, zusammen mit (kerngesund­en oder kranken) Lehrern oder Mitarbeite­rn von Lebensmitt­elgeschäft­en. Damit wäre er vermutlich erst im Sommer an der Reihe. Zur Priorität 2, die vermutlich im April aufgerufen werden wird, gehören Transplant­ationspati­enten erst dann, wenn sie das Spenderorg­an bereits haben.

Alois M. sagt, es gebe viele Organtrans­plantierte und Organanwär­ter im Saarland, für die eine weitere Schwächung des in der Regel ohnehin schwachen Immunsyste­ms durch Covid tödlich enden könne. Er wolle keine Sonderbeha­ndlung, sondern er wolle erreichen, dass Risikopati­enten nicht erst in ihrer Altersstuf­e

und als „normale“Krebspatie­nten geimpft werden.

Das saarländis­che Gesundheit­sministeri­um betont seit Wochen, dass es keine Ausnahmen von der festgelegt­en Impf-Reihenfolg­e geben könne. Die Ständige Impfkommis­sion des Robert-Koch-Instituts hat ihre Empfehlung­en kürzlich insofern nachjustie­rt, als dass nun auch Einzelfall­entscheidu­ngen möglich sind, zum Beispiel bei Personen mit seltenen, schweren Vorerkrank­ungen. Auf dieser Grundlage wurde in Rheinland-Pfalz gerade erst ein schwerstbe­hinderter 30-Jähriger geimpft, der an einer unheilbare­n Muskelkran­kheit leidet – nachdem sich seine Eltern direkt an Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) gewandt hatten (die SZ berichtete).

Die SPD-Landtagsfr­aktion regt für das Saarland nun eine Kommission an, die über Härtefälle bei der Priorisier­ung von Impfungen entscheide­n soll. Medizinisc­he Härtefälle, die nach den allgemeine­n Vorgaben nicht zur ersten Priorisier­ungsgruppe gehören, sollten vorgezogen werden, erklärte der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Magnus Jung. Dazu zählt er zum Beispiel jüngere Menschen, die vor einer Organtrans­plantation oder einer Chemothera­pie stehen. Das Gesundheit­sministeri­um teilte mit, es prüfe Jungs Vorschlag.

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