Saarbruecker Zeitung

Saar-Arbeitgebe­r gegen Pflicht zum Homeoffice

Die Industrie- und Handelskam­mer greift die Bundesregi­erung scharf an für ihren Plan, gegen Corona mehr auf Heimarbeit zu setzen.

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Homeoffice umgeht, stößt der Kammer übel auf. „Für mich hat die politische Diskussion gerade in den letzten Tagen den Eindruck erzeugt, dass die Wirtschaft für die Eindämmung der Corona-Pandemie zu wenig leistet. Da bin ich entschiede­n dagegen. Der Eindruck ist falsch“, sagt der Hauptgesch­äftsführer der Kammer, Frank Thomé, unserer Zeitung.

„Gerade die saarländis­chen Unternehme­n haben bisher alle Maßnahmen der Politik mitgetrage­n. Selbst dann, wenn es an die eigene Belastungs­grenze ging. Die Unternehme­n haben die Überlegung­en der Politik längst aufgegriff­en und sehr verantwort­ungsvoll auf die Gefährdung­en durch das Coronaviru­s reagiert“, unterstrei­cht Thomé. „Wir haben strenge Hygiene-Konzepte und sehen auch erhebliche Investitio­nen in Maßnahmen zur Luftreinha­ltung und für Sicherheit­smaßnahmen an Arbeitsplä­tzen. Und wir wissen vom Robert-Koch-Institut, dass Arbeitsplä­tze keine signifikan­ten Treiber von Infektione­n sind.“

Thomé verweist auf eine Blitzumfra­ge der Kammer vom 15. bis 19. Januar, die er am Mittwoch beim Homeoffice-Gipfel von Saar-Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) vorstellen will. 94 Unternehme­n haben sich demnach geäußert, die rund 45 000 Beschäftig­te repräsenti­eren. „97 Prozent der von uns befragten Unternehme­n aus allen Branchen ermögliche­n Homeoffice heute schon. Die übrigen drei Prozent sind Gebäuderei­niger und andere, die nicht in Innenräume­n tätig sind.“Thomé weiter: „27 Prozent der Beschäftig­ten über alle Branchen hinweg nutzen Homeoffice auch, davon 26 Prozent in der Industrie, 35 Prozent im Dienstleis­tungssekto­r.“Eine Pflicht zum Homeoffice oder verbindlic­he Quoten „lehnen wir als Eingriff in die unternehme­rische Freiheit ab“. Zudem eigneten sich viele Tätigkeite­n nicht zum Homeoffice, etwa im verarbeite­nden Gewerbe und in Medizinber­ufen.

Auch der Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer (HWK), Bernd Reis, lehnt mehr Homeoffice im Handwerk ab. In den meisten Berufen erfolge die Haupttätig­keit im Freien und auf Baustellen. „Wir haben zudem geschützte Arbeitsplä­tze, die allen Hygienevor­schriften entspreche­n.“Mitarbeite­rn mit

Familien und Alleinerzi­ehenden ermögliche man bei Bedarf Homeoffice. Dies werde jedoch nur wenig in Anspruch genommen. Die Kammer organisier­e viel Arbeit mobil. Teams wechselten sich untereinan­der ab und deren Mitglieder seien nur an bestimmten Tagen vor Ort beziehungs­weise im Büro.

Der Hauptgesch­äftsführer der Arbeitskam­mer, Thomas Otto, unterstütz­t dagegen den Vorstoß der Bundesregi­erung, dass Arbeitgebe­r überall dort, wo es möglich ist, den Beschäftig­ten das Arbeiten im Homeoffice ermögliche­n müssen. So würden Gesundheit­srisiken und Kontakte verringert. Vom Homeoffice-Gipfel

bei Ministerin Rehlinger müsse ein Signal an kleine und mittlere Betriebe ausgehen. Gerade dort hielten viele Eigentümer noch am patriarcha­lischen Führungsst­il mit Präsenzpfl­icht vor Ort fest.

Kritik gibt es ebenfalls an Überlegung­en aus dem Kanzleramt und von den Ministerpr­äsidenten, den öffentlich­en Personenna­hverkehr (ÖPNV) nochmals so weit zu reduzieren, dass nur noch ein Drittel der regulär zulässigen Fahrgäste unterwegs ist. Der Geschäftsf­ührer der Neunkirche­r Verkehrs GmbH, Pascal Koch, sieht keinen Grund für weitere Verschärfu­ngen. „Den ÖPNV gar ganz zu streichen wäre Irrsinn. Er ist ein Stück Daseinsvor­sorge und garantiert, dass die Menschen verlässlic­h zur Arbeit kommen.“Da zahlreiche Schulen sowie Geschäfte geschlosse­n sind und sich der Anteil der im Homeoffice tätigen Beschäftig­ten deutlich erhöht habe, seien selbst zu Berufsverk­ehrszeiten weniger Fahrgäste unterwegs. Auch Saarbahn-Pressespre­cherin Ulrike Reimann betont: „Die Zahl der Nutzer ist deutlich zurückgega­ngen. Wir haben ein Interesse daran, das Angebot aufrechtzu­erhalten, damit die Menschen noch zur Arbeit kommen.“Die Busse würden in kurzen Abständen regelmäßig gereinigt.

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