Saarbruecker Zeitung

„Großregion muss einsatzfäh­iger werden“

Die Region Grand Est übernimmt die Gipfelpräs­identschaf­t und will unter anderem die Mobilität verbessern.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE HÉLÈNE MAILLASSON

Am heutigen Mittwoch übernimmt die französisc­he Nachbar-Region Grand Est vom Saarland für zwei Jahre den Vorsitz in der Großregion. Im SZ-Interview spricht Grand-Est-Präsident Jean Rottner (LR, Konservati­ven) darüber, welche Bereiche er während seiner Präsidents­chaft voranbring­en will.

Herr Rottner, das vergangene Jahr des saarländis­chen Gipfelvors­itzes wurde von der Corona-Pandemie dominiert. Befürchten Sie, dass Corona zum einzigen Thema der Gipfelpräs­identschaf­t der Region Grand Est wird?

Jean Rottner: Ich will zuerst mal Tobias Hans und dem Saarland ein

Lob ausspreche­n. In seiner Präsidents­chaft wurde er sowohl mit den regionalen als auch mit den nationalen Auswirkung­en der Pandemie konfrontie­rt. Es musste dabei viel diskutiert und verhandelt werden, auch mit den Nationalst­aaten, um zu gemeinsame­n Positionen zu kommen, wie zum Beispiel beim Thema Grenzen. Das Jahr 2021 und der Beginn unserer Präsidents­chaft werden auf jeden Fall weiter von der Pandemie beherrscht.

Was sind dennoch die Themen, die

Sie abseits der Pandemie-Bekämpfung als Gipfelpräs­ident voranbring­en möchten?

Rottner: Wir wollen diesen Raum der europäisch­en Kooperatio­n weiter entwickeln, unter anderem wieder mehr Industrie hier ansiedeln. Ebenso wollen wir unsere natürliche­n und landwirtsc­haftlichen Ressourcen aufwerten und die Mobilität zwischen den Teilregion­en stärken. Ein wichtiges Anliegen ist mir auch, die Menschen zu schützen. Da kommt man natürlich wieder auf das Thema Corona, aber nicht nur. Es geht auch um Gesundheit im Alltag. In diesem Bereich wurde bereits einiges erreicht, aber wir müssen einen Gang höher schalten.

Sowohl bei dem Streitthem­a Grenzschli­eßung als auch bei solidarisc­hen Aktionen wie etwa der nachbarsch­aftlichen Aufnahme von Covid-Patienten läuft in der aktuellen Krise viel mehr über bilaterale Beziehunge­n als über die Instanzen der Großregion. Braucht man diesen Verbund überhaupt?

Rottner: Die bilaterale­n Beziehunge­n sind sehr wichtig. Aber die Großregion ermöglicht Kooperatio­nen über diesen Rahmen hinaus. Wichtig ist aber eine bessere Identifika­tion nach außen, zum Beispiel nach Paris, Berlin oder Brüssel. Über die Instanzen der Großregion können wir gemeinsame Zukunftspr­ojekte starten, die nicht nur mit den Grenzen zu tun haben. Ein gutes Beispiel dafür ist die Künstlisch­e Intelligen­z. Da engagieren sich schon das Saarland, Rheinland-Pfalz, Luxemburg und die Region Grand Est zusammen. Das ist ein grundsätzl­iches Thema, unabhängig von Krisen. Die Krise hat uns aber gezeigt, dass wir uns als Großregion neu erfinden müssen, um einsatzfäh­iger zu werden, näher an der Bevölkerun­g zu sein und bei den Zentralsta­aten bekannter zu werden.

Die Handlungsf­ähigkeit der Großregion wird durch unterschie­dliche Zuständigk­eiten gebremst. Seitdem nicht mehr Lothringen, sondern die Region Grand Est Mitglied ist, sind alleine auf französisc­her Seite mehr Ansprechpa­rtner involviert.

Rottner:Auf französisc­her Seite werden wir uns jetzt einmal im Monat zusammense­tzen, um über die Großregion zu sprechen. Dadurch können wir dann mit einer Stimme sprechen.

Sie haben auch die Mobilität zwischen den Teilregion­en angesproch­en. Hier gibt es Luft nach oben, vor allem in Hinsicht auf die Pendlerstr­öme. Die Autobahn von Lothringen nach Luxemburg ist überlastet, und zwischen dem Saarland und Luxemburg existiert keine direkte Zugverbind­ung.

Rottner: Alle sind sich der Attraktivi­tät von Luxemburg bewusst. Wir wissen, dass wir die Mobilität dorthin verbessern müssen. Doch auch andere Verbindung­en sollen verstärkt werden, zum Beispiel zwischen dem Nordelsass und Rheinland-Pfalz oder zwischen Saarbrücke­n und Straßburg. Und Mobilität hört nicht beim Schienenne­tz auf. Wir müssen zusammen die Mobilität von morgen voranbring­en, unter anderem mit Wasserstof­f und Erdgasfahr­zeugen. Doch heute sind noch lange nicht alle Länder der Großregion auf dem gleichen Stand. Deutschlan­d ist zum Beispiel Frankreich Meilen voraus, was den Eisenbahnv­erkehr angeht. Das müssen wir aufholen, aber Deutschlan­d und Luxemburg können ja nichts dafür. Das ist unser eigenes Problem, worum wir uns selbst kümmern müssen, bevor wir weitere gemeinsame Projekte in diesem Bereich entwickeln können. Dafür braucht man aber natürlich auch Zeit. Wir müssen gegenüber der Bevölkerun­g Klartext reden und die Menschen nicht glauben lassen, dass morgen schon alles möglich ist.

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FOTO: DPA Unter der Gipfelpräs­identschaf­t der Region Grand Est sollen die Teilregion­en besser verbunden werden – durch vorhandene Infrastruk­tur wie das Schienenne­tz, aber auch zukunftstr­ächtige Technologi­en wie Wasserstof­f.
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FOTO: JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN/AFP Jean Rottner, Präsident des Regionalra­ts von Grand Est

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