Aus dem Festival-Wohnzimmer wird gefunkt
Der Ophüls-Preis findet zwar dieses Jahr online statt, aber auf Filmgespräche und Rahmenprogramm müssen die Fans doch nicht verzichten. Ein Besuch bei den Aufnahmen zum MOPFestivalfunk im KubaKulturzentrum.
SAARBRÜCKEN Die Kantine des KuBa am Eurobahnhof ist kaum wiederzuerkennen. In der einstigen Küche des Kulturzentrums sitzen Leute an langen Tischen und hämmern auf Laptops, um sie herum herrscht emsiges Treiben. Ab und zu verschwindet jemand durch die Tür in den Speise- und Ausstellungsraum – und taucht dann plötzlich auf einem Fernsehbildschirm wieder auf.
Es ist morgens, kurz nach elf, und man spürt es plötzlich, so wie früher, in der alten Normalität: Das Max-Ophüls-Festival-Fieber, wenn viele Leute nur noch Kino im Kopf haben und begeistert drüber reden.
Dieses „Fieber“, das Festivalchefin Svenja Böttger und ihr Team dieses Jahr ins Digitale zu retten versuchen: Hier, in der KuBa-Kantine, wird es gemacht.
Vier Stunden „Sendung“täglich für den MOP-Festival-Funk auf Streaming-Plattformen produziert ein Team aus Mitarbeitenden des Festivals und des Saarländischen Rundfunks (SR) seit Anfang der Woche.
Ein „Monster“sei das, sagt Dennis Scherer, der bisher immer beim MOP-Festival die Regie für die Eröffnung und die Preisverleihung übernommen hat und jetzt von Festival-Seite aus den Überblick über die Festivalfunk-Produktion behalten muss.
Sabine Janowitz, so etwas wie sein Pendant auf Seiten des Saarländischen Rundfunks, hält als leitende Redakteurin die Fäden für die audiovisuelle Produktion in der Hand. Schon im Dezember habe man angefangen, das Format des Festivalfunks gemeinsam zu planen, erzählt
Janowitz.
Es ging nicht nur darum, Atmosphäre zu retten, der SR wollte auch nicht seine eigenen Festival-Live-Formate, die Mitternachts-Talks mit den Filmcrews und die SR-Lounge, bei einer Corona-Version unter den Tisch fallen lassen.
Eingequetscht zwischen Garderobenständer, Topfpflanze und Live-Monitor auf einem alten Sessel sitzend und seitenweise komplizierte Ablaufpläne in ihren Laptop tippend, wirkt Sabine Janowitz trotz all der Hektik um sie herum äußerlich doch wie die Ruhe selbst. Eine Woche lang haben sie vorher im KuBa aufgebaut.
Das MOP-Team war für die Einrichtung der Filmstudios, also Mobiliar und Atmosphäre zuständig, der SR, erzählt sie, habe die Technik besorgt. Dazu gehörte es, auch „mal eben“auf die Schnelle ein Wlan und Glasfaserkabel zu verlegen.
Nun verschwindet gerade SR-Frau Sonja Marx durch die Tür zu den Studios. Die sehen kein bisschen nach Fernseh-Studio aus, sondern gleichen eher einem rustikalen Wohnund Esszimmer, mit Retro-Sesseln, Bücherregalen und Couchtisch. „Meine Idee war: Die Zuschauer erleben den Max-Ophüls-Preis dieses Jahr doch in ihrem Wohnzimmer, deshalb verbringen wir die Festivalwoche auch in unserem Wohnzimmer“, erläutert Dennis Scherer, warum das so ist.
Vier Moderatorinnen und Moderatoren wechseln sich bei diesem Festivalfunk ab, präsentieren Ausschnitte aus Wettbewerbsfilmen und unterhalten sich über Zoom mit zugeschalteten Mitgliedern der
Filmteams.
Disponentin Julia Lafontaine empfängt die Talkgäste jeweils vorab auf ihrem Laptop im virtuellen „Vorzimmer“, um ihnen das weitere Vorgehen zu erklären, bevor sie sie an die Film-Regie weiterleitet, die im hinteren Teil des Speisesaals Live-Bilder, Zoom-Bilder und
Filmeinspieler zusammenführen muss. „14 Talks mit 50 bis 60 Leuten werden es heute“, sagt Lafontaine. Ganz schön viele.
Was die Arbeit zusätzlich erschwert, sind die strengen Hygieneauflagen. Maximal 24 Leute halten sich am Tag in der Kantine auf, alle müssen sich registrieren, desinfizieren und, außer die Moderatoren vor der Kamera, Mundschutz tragen. Hinzu kommt: „Alle 70 Minuten müssen wir unterbrechen, eine halbe Stunde lüften und dabei nach draußen gehen, frische Luft schnappen“, erklärt Sabine Janowitz. Falls es zu Verzögerungen im Ablaufplan komme, müsse man dann schon mal mitten im Gespräch abbrechen.
Aber alle akzeptierten es natürlich klaglos, denn die Alternative hieße, dass man den Festivalfunk gar nicht realisieren könnte. Und auf diesen Festivalfunk, der immer einen Tag später zweimal hintereinander gestreamt wird, möchte auch Svenja Böttger auf keinen Fall mehr verzichten. „Wir haben schon für die Blaue Woche ein tolles Feedback bekommen, dass wir die Filmschaffenden und die Filme gut vorstellen, dass man richtig in ein Festivalfeeling hineinkommt“, schwärmt die Festivalleiterin. Und auch die Streaming-Einschaltzahlen für die Festival-Eröffnung machten Böttger glücklich. 2700 waren es und es gucken immer noch neue Menschen zu. Das kann jetzt eine Woche so weitergehen.
„Alle 70 Minuten müssen wir unterbrechen, eine halbe Stunde lüften und dabei nach draußen gehen, frische Luft schnappen“Sabine Janowitz