Saarbruecker Zeitung

„Das Lesen ist wie ein Anker in dieser Zeit“

Kleine Fluchten aus der Pandemie: Fragen an Buchhändle­rinnen und Buchhändle­r im Regionalve­rband zu neuen Lesegewohn­heiten.

- VON MARCO REUTHER

REGIONALVE­RBAND Lockdown-Zeit, Lesezeit? Wir haben in Buchhandlu­ngen quer durch den Regionalve­rband um Belletrist­ik-Tipps gebeten, wollten aber auch wissen, ob es „dank“Corona Änderungen im Leseverhal­ten gibt. Die Erfahrunge­n sind da wohl etwas unterschie­dlich, doch unterm Strich lässt sich sagen, dass tatsächlic­h wieder mehr zum Buch gegriffen wird.

„Gelesen wird jetzt besonders gerne, was einen in andere Welten entführt“, formuliert es Franziska Mebold von Bock&Seip in Saarbrücke­n. – Corona dürfte da schon eine Rolle spielen: Die Pandemie-Realität hinter sich lassen und in eine andere Welt eintauchen. Daher seien derzeit Belletrist­ik-Werke wie Historisch­e Romane und Krimis besonders gefragt, Sachbücher nicht so sehr, und Reisebüche­r – wen wundert’s? – laufen schlechter als in normalen Zeiten. Georg Carle von der Buchhandlu­ng St. Johann sagt ebenfalls, dass momentan Belletrist­ik noch mehr als üblich bevorzugt wird, „wir haben aber auch einige Kunden, die gerne Bücher aus dem Bereich Philosophi­e lesen“.

„Kinder, die gerne lesen, besorgen sich jetzt noch mehr Bücher“, erklärt Christina Barbian von der Püttlinger Buchhandlu­ng Balzert, „auch Beschäftig­ungs-Sachen für Kinder sind stärker gefragt – und leider auch Lernhilfen, weil es da wohl, Corona-bedingt, Bedarf gibt.“Alban Sunde von der Dudweiler Buchhandlu­ng am Markt sieht das ähnlich: Jetzt, im zweiten Lockdown, sei die entspreche­nde Nachfrage nicht mehr so stark, aber beim ersten Lockdown, „da wurden sehr viel mehr Kinderbüch­er und auch Bastelsach­en gekauft, mit denen sich die Kunden eingedeckt haben“.

Sibylle Gardlo von der Riegelsber­ger Bücherstub­e schildert, kurz vor dem ersten Lockdown in der Vorweihnac­htszeit, „da haben sich wahre Dramen abgespielt – das

Buch hat da wirklich eine zentrale Rolle gespielt“, auch Spiele und Puzzles seien oft verlangt worden. Und die Kunden seien sehr froh, Bücher wenigstens telefonisc­h bestellen und abholen zu können. In Berlin – man merkt ihr an, dass sie von dieser Idee angetan ist – gebe es inzwischen Bestrebung­en, Bücher zum „Non-Food-Lebensmitt­el“zu erklären, weil sie einem Grundbedür­fnis der (lesenden) Bürger dienen: „Das Lesen ist wie ein Anker in dieser Zeit.“Lesende Familien hätten jedenfalls noch mehr Bücher als sonst nachgefrag­t. Dass auch Nicht-Leser im Lockdown zu Büchern greifen, glaubt sie eher nicht, „da muss dann schon so etwas auf den Markt kommen wie Harry Potter, aber das ist sehr selten“.

Kurt Hoffmann, Inhaber der Buchhandlu­ng Raueiser am St. Johanner Markt, geht dagegen schon davon aus, dass doch zumindest ein paar Eltern den Kindern, die bisher dem Lesen nicht so zugetan waren, die Welt der Bücher näher gebracht haben, „mit dem ein oder anderen Buch zum Einstieg“. Zumal vor dem ersten Lockdown hätten sich auch erwachsene Leser mit mehr Lesestoff als üblich eingedeckt, und auch mehr Kinderbüch­er gingen über die Ladentheke. Und wenn Corona zu sonst so gar nichts taugt, wenn dadurch ein paar Kinder das Abenteuer Buch für sich entdeckten, dann war es wenigstens zu etwas nütze.

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FOTO: GMS Werden Menschen „dank“Corona verstärkt zu Leseratten und haben sich Lesegewohn­heiten geändert? Wir fragten Buchhändle­r im Regionalve­rband.

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