„Das Lesen ist wie ein Anker in dieser Zeit“
Kleine Fluchten aus der Pandemie: Fragen an Buchhändlerinnen und Buchhändler im Regionalverband zu neuen Lesegewohnheiten.
REGIONALVERBAND Lockdown-Zeit, Lesezeit? Wir haben in Buchhandlungen quer durch den Regionalverband um Belletristik-Tipps gebeten, wollten aber auch wissen, ob es „dank“Corona Änderungen im Leseverhalten gibt. Die Erfahrungen sind da wohl etwas unterschiedlich, doch unterm Strich lässt sich sagen, dass tatsächlich wieder mehr zum Buch gegriffen wird.
„Gelesen wird jetzt besonders gerne, was einen in andere Welten entführt“, formuliert es Franziska Mebold von Bock&Seip in Saarbrücken. – Corona dürfte da schon eine Rolle spielen: Die Pandemie-Realität hinter sich lassen und in eine andere Welt eintauchen. Daher seien derzeit Belletristik-Werke wie Historische Romane und Krimis besonders gefragt, Sachbücher nicht so sehr, und Reisebücher – wen wundert’s? – laufen schlechter als in normalen Zeiten. Georg Carle von der Buchhandlung St. Johann sagt ebenfalls, dass momentan Belletristik noch mehr als üblich bevorzugt wird, „wir haben aber auch einige Kunden, die gerne Bücher aus dem Bereich Philosophie lesen“.
„Kinder, die gerne lesen, besorgen sich jetzt noch mehr Bücher“, erklärt Christina Barbian von der Püttlinger Buchhandlung Balzert, „auch Beschäftigungs-Sachen für Kinder sind stärker gefragt – und leider auch Lernhilfen, weil es da wohl, Corona-bedingt, Bedarf gibt.“Alban Sunde von der Dudweiler Buchhandlung am Markt sieht das ähnlich: Jetzt, im zweiten Lockdown, sei die entsprechende Nachfrage nicht mehr so stark, aber beim ersten Lockdown, „da wurden sehr viel mehr Kinderbücher und auch Bastelsachen gekauft, mit denen sich die Kunden eingedeckt haben“.
Sibylle Gardlo von der Riegelsberger Bücherstube schildert, kurz vor dem ersten Lockdown in der Vorweihnachtszeit, „da haben sich wahre Dramen abgespielt – das
Buch hat da wirklich eine zentrale Rolle gespielt“, auch Spiele und Puzzles seien oft verlangt worden. Und die Kunden seien sehr froh, Bücher wenigstens telefonisch bestellen und abholen zu können. In Berlin – man merkt ihr an, dass sie von dieser Idee angetan ist – gebe es inzwischen Bestrebungen, Bücher zum „Non-Food-Lebensmittel“zu erklären, weil sie einem Grundbedürfnis der (lesenden) Bürger dienen: „Das Lesen ist wie ein Anker in dieser Zeit.“Lesende Familien hätten jedenfalls noch mehr Bücher als sonst nachgefragt. Dass auch Nicht-Leser im Lockdown zu Büchern greifen, glaubt sie eher nicht, „da muss dann schon so etwas auf den Markt kommen wie Harry Potter, aber das ist sehr selten“.
Kurt Hoffmann, Inhaber der Buchhandlung Raueiser am St. Johanner Markt, geht dagegen schon davon aus, dass doch zumindest ein paar Eltern den Kindern, die bisher dem Lesen nicht so zugetan waren, die Welt der Bücher näher gebracht haben, „mit dem ein oder anderen Buch zum Einstieg“. Zumal vor dem ersten Lockdown hätten sich auch erwachsene Leser mit mehr Lesestoff als üblich eingedeckt, und auch mehr Kinderbücher gingen über die Ladentheke. Und wenn Corona zu sonst so gar nichts taugt, wenn dadurch ein paar Kinder das Abenteuer Buch für sich entdeckten, dann war es wenigstens zu etwas nütze.