Saarbruecker Zeitung

Hans muss nicht zu allem seinen Senf dazugeben

Die Fußball-Bundesliga darf spielen, Kinder dürfen aber nicht kicken. Das findet der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans seltsam. Dabei ist er doch mit dafür verantwort­lich, dass das genau so ist.

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Es gehört zum Wesen von Politikern, dass sie sich zu vielen Dingen äußern. Ja – auch mal äußern müssen, wenn sie auf dem Gebiet nicht unbedingt die notwendige Expertise mitbringen. Das ist in vielen Bereichen auch gar nicht möglich. Einen Überblick über alle Themen zu haben – das kann nun wahrlich niemand schaffen. Nicht einmal Tobias Hans (CDU), der Ministerpr­äsident des Saarlandes, dürfte das von sich behaupten.

Hans hat sich in der Corona-Krise seit Monaten ein Image als Mahner und Warner aufgebaut – regional und auch auf nationaler Bühne. Talkshows, Interviews in Funk und Fernsehen und in überregion­al großen Blättern – die Bühne für den Landesvate­r ist derzeit groß. Diese Bühne nutzt der in den sozialen Medien omnipräsen­te Hans weidlich aus – und donnert dort auch Sätze zu Themen heraus, in denen er, um es höflich zu formuliere­n, bislang nicht gerade als Experte aufgefalle­n ist.

Auch sein jüngster Coup sorgt für Schlagzeil­en. Dem Saarländis­chen Rundfunk sagte Hans am Montag in einem Interview: „Kinder dürfen nicht Fußball spielen, während man in der Fußball-Bundesliga so weitermach­t, als wäre nichts gewesen – auch mit der Mutation, die jetzt im Spiel ist.“Eine Aussage, für die Hans vehemente Kritik kassiert und die landauf, landab für großes Kopfschütt­eln sorgt. Zurecht, denn Hans hat sich hier deutlich vergaloppi­ert.

Wie sehr Hans hier daneben gegriffen hat, beschreibt Klaus Hoffmann. Der aus Saarlouis-Fraulauter­n stammende TV-Produzent für die Fußball-Bundesliga und andere europäisch­e Fußball-Großereign­isse gilt als intimer Kenner der

Szene, ist vernetzt wie kein Zweiter im Fußball-Geschäft. Er schrieb bei Facebook: „Unserem Ministerpr­äsidenten sollte man mal vor Augen halten, dass der Profifußba­ll komplett ohne finanziell­e staatliche Unterstütz­ung weiterläuf­t und nebenbei in dieser Zeit Hunderte Arbeitsplä­tze bei vielen Gewerken sichert. Und nebenbei, soweit mein Kenntnisst­and richtig ist, über einer Milliarde Steuern und Abgaben an das Finanzamt geleistet sowie Sozial- und Unfallvers­icherung gezahlt hat. Kann ja sein, dass er dies nicht weiß.“

Hoffmanns Post ist eine von Hunderten Reaktionen auf Hans – die meisten mit dem gleichen Tenor. Was der MP offenbar auch nicht weiß: Im Profifußba­ll wird ein ausgeklüge­ltes Hygienekon­zept und extrem engmaschig­es Kontrollne­tz angewendet, das komplett aus der eigenen Tasche gezahlt wird und übrigens von Professor Tim Meyer, dem Leiter des Instituts für Sport und Präventivm­edizin an der Universitä­t des Saarlandes und Arzt der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft, maßgeblich mitentwick­elt wurde und für viele Sportwettb­ewerbe weltweit Vorreiter ist.

„Es gibt so viele Ungereimth­eiten, über die wir reden müssen“, hatte Hans beim SR gesagt. Recht hat er – und eine dieser Ungereimth­eiten ist auch, dass Politiker derzeit zu jedem Themenbere­ich ihren Senf dazugeben müssen, auch wenn er noch so unnötig ist. Deshalb sei für Unwissende noch einmal kurz erwähnt: Selbst wenn die Fußball-Bundesliga nicht weiterspie­lt, ist keinem Kind damit geholfen. Denn die dürfen weiter nicht kicken – weil es ihnen die Politik und damit auch Tobias Hans verboten hat.

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