Friseure im Saarland bangen um ihre Existenz
Überbrückungshilfen können nicht beantragt werden, während immer mehr Betrieben das Aus droht. Die Branche fordert Taten statt Worte.
Der verlängerte Lockdown macht den saarländischen Friseuren besonders zu schaffen. Wenn sie nicht zügig weitere Staatshilfen bekämen, drohe eine Kündigungs- und Pleitewelle, warnen Verbände.
soll. All meine Kosten laufen seit fünf Wochen weiter. Ich kann mich noch nicht einmal darauf verlassen, dass die vom Staat zugesagte Finanzhilfe auch fließt“, beklagt Gerstner, die ihren Friseurladen in Lisdorf betreibt. Sie rechnet vor: „Anfang Februar fallen wieder sämtliche Sozialbeiträge für meine Mitarbeiter an. Wie soll ich das denn alles noch bezahlen außer von meinen privaten Reserven. Ich habe meine Leute nicht entlassen, weil ich als Unternehmerin ja auch eine Verantwortung habe.“Es sei ein Irrglaube, wenn Menschen denken, Friseure bekämen jetzt große Hilfe vom Staat. „Wir sind eine vierköpfige Familie und ich lebe jetzt von Reserven, die ich eigentlich als Altersversorgung ansparen wollte. Allein um die Fixkosten abzudecken, habe ich 2020 schon meinen Bausparvertrag geopfert.“
Auch der Arbeitgeberverband des Saarländischen Handwerks warnt: „Bald ist es zu spät. Das Handwerk ist in größter Not.“Bei Friseuren und Betriebsinhabern in anderen Branchen „laufen die Fixkosten weiter.
Das hält auch ein gesunder Betrieb nicht lange aus.“Das Kurzarbeitergeld und selbst die angekündigte Überbrückungshilfe III seien keine ausreichenden Maßnahmen gegen den Umsatzausfall. Die Landesregierung müsse erneut ein Soforthilfeprogramm vorlegen. „Ohne entsprechende staatliche Unterstützung werden in den nächsten Tagen und Wochen viele Traditionsbetriebe ihre Mitarbeiter und Auszubildenden entlassen und letztendlich für immer schließen müssen“, prognostiziert der Verband. Das liege dann nicht an der Misswirtschaft der Firmen, sondern an einer Pandemie, für die niemand etwas kann, „deren Folgen aber durch kluge Wirtschaftspolitik und die richtigen Anreize sehr wohl abgemildert werden können“.
Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks sieht ebenfalls „viele Friseurbetriebe vor dem Aus“. Er „befürchte eine Insolvenzwelle in unserem Handwerk in den nächsten Monaten, wenn den Betrieben nicht sofort geholfen wird“, warnt Verbandspräsident Harald Esser. „Die zugesagten Hilfen müssen passgenauer und schneller bei den Betrieben ankommen.“Immerhin begrüßt Esser die Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die Beantragung der Überbrückungshilfen zu vereinfachen. Nur noch ein Kriterium soll ausschlaggebend sein, um für einen bestimmten Monat Hilfe zu beantragen. Es zähle ein Umsatzminus von mindestens 30 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Zudem verspricht Altmaier erste Abschlagzahlungen.
Es klemmt jedoch noch an vielen Stellen. In einem Brandbrief an die Bundesregierung, das Bundeswirtschafts-, und das Bundesfinanzministerium beklagt die Vereinigung Intercoiffure Deutschland, dass neben den weiterlaufenden Kosten „auch private Verpflichtungen hinzukommen, die in keinster Weise abgedeckt sind. Auch hierdurch geraten Unternehmer zunehmend in existenzielle Nöte.“Den Mitarbeitern in Friseursalons fehle zudem „Trinkgeld, das für Arbeitnehmer der Friseurbranche eine erhebliche Quelle zur Existenzsicherung ist, die zur Zeit vollständig entfällt“.
Die Vereinigung vertritt mehr als 300 Friseurunternehmen „im höheren Qualitäts- und Preissegment“mit zusammen über 10 000 Mitarbeitern. Sie fordert die Bundesregierung auf, „schnellstens einen Kostenausgleich vorzunehmen und Regelungen für eine Unterstützung der zurzeit nicht möglichen Privatentnahmen der Unternehmer zu entwickeln und anzubieten“. Die Berufsgenossenschaft selbst habe aufgezeigt, dass „die Ansteckungsgefahr mit Covid 19 in Friseursalons so gut wie nicht existent ist“. So gab es nach Angaben der Berufsgenossenschaft „2020 nur acht bestätigte Infektionen in den über 80 000 Friseursalons mit mehr als 24 000 Mitarbeitern und 700 000 täglichen Kundenkontakten“.
Angesichts dessen fordert Vorstandsmitglied Nico Ganster, Chef des Friseursalons Ganster in St. Ingbert,
ein schnelles Wiederöffnungsszenario für die Friseurbranche. Es könne nicht sein, „dass man als Friseurmeister auch noch auf viel privates Geld zurückgreifen muss. Da fragt sich doch jeder, ob es sich für ihn überhaupt noch lohnt weiterzumachen.“
Nach Ansicht von Michael Leistenschneider, Präsident der Steuerberaterkammer des Saarlandes, könnten die über den Steuerberater beantragten Finanzhilfen deutlich schneller fließen, würden die Anträge nicht noch einmal ausführlich im Bundeswirtschaftsministerium geprüft. „Warum werden diese Anträge nicht sofort positiv beschieden und man zahlt das Geld aus? Hinter einem solchen Antrag steht doch schon ein hochqualifizierter Spezialist“, sagt Leistenschneider. Jeder Streuerberater stehe bereits in der Verantwortung für seine Angaben. „Er trägt selbst ein Risiko. Er kann nicht nur haftungsmäßig oder strafrechtlich belangt werden, sondern auch noch berufsrechtlich durch seine Kammer.
Trotzdem wird ein Prüfprozess angesetzt, obwohl das Geld so dringend gebraucht wird.“
Leistenschneider hat einen Tipp für alle, die Überbrückungshilfe III beantragen wollen. Betroffene des Lockdowns ab dem 16. Dezember 2020 könnten auch rückwirkend für November und Dezember 2020 diese Überbrückungshilfe unter dem Stichwort „Novemberhilfe Plus“und „Dezemberhilfe Plus“beantragen. Zudem könne man neuerdings auch einen Antrag auf Förderung ab Januar 2021 ohne beihilferechtliche Begrenzungen im Rahmen einer „Kleinbeihilferegelung“stellen.
Leistenschneider hofft, dass auch die Software zur Bearbeitung der Anträge schnell zur Verfügung stehen wird. Die Programmierer hätten beim zweiten Lockdown wohl einen deutlich größeren Aufwand gehabt. Auch Tanja Gerstner setzt darauf, dass es Mitte Februar endlich wieder weitergeht. Ein Termin, auf den sicher auch so mancher Kunde sehnlichst wartet.