Saarbruecker Zeitung

Volksnah und beliebt trotz wachsender Corona-Krise

Die Portugiese­n sind am Sonntag zur Wahl eines Präsidente­n aufgerufen. Als großer Favorit gilt der 72-jährige Amtsinhabe­r Marcelo Rebelo de Sousa.

-

(dpa) Wenn die Umfragen vor der Präsidente­nwahl in Portugal an diesem Sonntag nicht völlig danebenlie­gen, hätten sich die sieben Kandidatin­nen und Kandidaten den Wahlkampf gut und gerne sparen können. Die Meinungsfo­rschungsin­stitute sagen alle eine Wiederwahl von Amtsinhabe­r Marcelo Rebelo de Sousa gleich in der ersten Runde voraus – und zwar mit einem Kantersieg.

Der konservati­ve Politiker kann auf knapp 70 Prozent der Stimmen hoffen. Das wäre eine deutliche Verbesseru­ng gegenüber seiner ersten Wahl 2016, als er 52 Prozent holte. Die anderen Bewerber bewegen sich im einstellig­en Prozentber­eich. Aber auf Wahlkampf zu verzichten, liegt dem 72-Jährigen nicht. Dann könnte man ihm Arroganz vorwerfen – und das wäre wohl eine Kritik, die ihn schwer träfe.

Das Staatsober­haupt versteht sich als Bürger wie alle anderen auch. Rebelo de Sousa spricht Klartext, spendet Trost bei nationalen Unglücken wie den verheerend­en Waldbrände­n 2017 und überrumpel­t Mitmensche­n gern mal mit einer innigen Umarmung – zumindest bis Corona. Im vergangene­n August stürzte sich der drahtige Katholik an der Algarve sogar ins Meer, um bei der Rettung zweier Frauen zu helfen, deren Kajak gekentert war.

Auch solche Aktionen sind es, die

Rebelo de Sousa Anerkennun­g und Ansehen verschaffe­n. Und wie: Bei mehreren Beliebthei­tsumfragen landete der Lissabonne­r auf Platz eins – mit großem Vorsprung vor Fernsehsta­rs und Musikern und sogar vor Fußball-Ikone Cristiano Ronaldo.

Dem Staatsober­haupt, das in Portugal relativ großen politische­n Handlungss­pielraum hat, wird zudem hoch angerechne­t, dass er die linke Regierung von Ministerpr­äsident António Costa kritisiert und kontrollie­rt und zugleich das Wohlergehe­n

der Bevölkerun­g und die politische Stabilität im Blick hat. Seine Zusammenar­beit mit Costa, unter anderem bei Ausrufung und Ausgestalt­ung des Corona-Ausnahmezu­stands, klappt nahezu reibungsfr­ei.

„Marcelo“oder „Professor“, wie seine Landsleute den Juristen, früheren Hochschull­ehrer und Fernseh-Kommentato­r meist nennen, bestritt nur einen Wahlkampfa­uftritt pro Tag. Mehr ist angesichts der strengen Einschränk­ungen mit Ausgangssp­erren rund um die Uhr kaum möglich. Bei einem Termin in Azambuja nördlich von Lissabon empörten sich kürzlich Passanten, als er auf der Straße mit einer Gruppe Journalist­en sprach, wie die Zeitung Público berichtete. „Gibt es etwa kein Corona mehr? Können hier alle dicht zusammenst­ehen?“, rief eine Frau.

Rebelo de Sousa antwortete, ganz auf Wahlkampf zu verzichten, wäre ihm zu distanzier­t. Die Wahl ist aber auch nicht frei von Gefahren. Público schrieb, neben dem Risiko, die Infektions­zahlen in die Höhe zu treiben, könnten Anhänger des Präsidente­n angesichts seines derart sicher erscheinen­den Sieges den Wahlurnen fern bleiben. Das könnte extremen Kandidaten zugute kommen – allen voran André Ventura, dem Vorsitzend­en der rechtspopu­listischen Partei Chega! (Es reicht!). Ein Sieg des 38-Jährigen gilt als ausgeschlo­ssen. Beim Blick über die Grenze zum Nachbarn Spanien, wo die Rechtspopu­listen von Vox drittstärk­ste Kraft im Parlament sind, wird vielen mulmig.

Das Land am südwestlic­hen Rand Europas kam lange vergleichs­weise glimpflich durch die Pandemie. Seit Herbst wird die Lage aber immer schlechter. Zuletzt steckten sich binnen 14 Tagen 1215 Menschen je 100 000 Einwohner an. Seit einer Woche gilt in dem Land mit 10,3 Millionen Einwohnern ein harter Lockdown. Am Freitag wurden auch noch Kitas, Schulen und Universitä­ten für zwei Wochen geschlosse­n. Viele hatten aus Angst vor dem Virus eine Wahlverleg­ung gefordert – umsonst.

 ?? FOTO: FRANK HORMANN/DPA ?? Seine Wiederwahl gilt als sicher: Marcelo Rebelo de Sousa, Präsident von Portugal.
FOTO: FRANK HORMANN/DPA Seine Wiederwahl gilt als sicher: Marcelo Rebelo de Sousa, Präsident von Portugal.

Newspapers in German

Newspapers from Germany