Saarbruecker Zeitung

So kalt, dass man den Darsteller-Atem sehen konnte

Im Saarland-Programm läuft Jörn Michaelys Film „Die Formel“– für den baute das Team ein Studio in einer Neunkirche­r Boxhalle.

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Wie sich das Team des Ophüls-Festivals zurzeit fühlen muss, bei der ersten und hoffentlic­h einzigen Online-Ausgabe, weiß Jörn Michaely. Der künstleris­che Leiter von „filmreif!“musste sein St. Ingberter Festival des jungen Films 2020 erst verschiebe­n und dann fast ausschließ­lich online anbieten. Ein schmerzhaf­ter Kompromiss. Für dieses Jahr, vom 10. bis 13. Juni, ist er aber „guten Mutes“, wie er sagt, nicht zuletzt durch das Open-Air-Konzept des Festivals. „Da wird es vergleichs­weise einfach, Hygienereg­eln einzuhalte­n, auf dem Markplatz gibt es genug Abstand“. Ein„echtesVor-Ort-Festival“wünscht sich der 26-Jährige, „aber wenn wirklich alle Stricke reißen, müssen wir doch auf Plan B setzen und digital bleiben – mit einem weinenden Auge“.

Bei Ophüls läuft im Programm „MOP-Shortlist: Saarland“mit fünf Uraufführu­ngen lokaler Künstler Michaelys Kurzfilm „Die Formel“– ein 18-minütiges Kammerspie­l mit zwei Figuren: Eine Frau ( Johanna Bönninghau­s) kehrt abends in ihre Wohnung zurück – doch dort sitzt schon ein Mann (Hartmut Volle). Offensicht­lich ein Einbrecher, der allerdings überrasche­nd gut informiert ist über das Leben der Frau und das bizarre Ableben

ihres Hundes. Die beiden beginnen, sich verbal zu umkreisen, während draußen Blitz und Donner die Szenerie atmosphäri­sch beleuchten und beschallen.

Der Film basiert auf einer Kurzgeschi­chte von Autor Peter Loibl. Zum Abitur hatte Michaelys Schule ihm ein Buch mit Kurzgeschi­chten geschenkt, weil man dort wusste, dass er Kurzfilme dreht. „Das Buch habe ich natürlich erstmal nicht gelesen, sondern irgendwo in den Schrank gestellt“, gibt er zu. „Eines sehr langweilig­en Tages“habe er dann doch reingescha­ut – Loibls Geschichte gefiel ihm besonders, wegen ihres schwarzen Humors „und weil sie gut verfilmbar ist, eben als Kammerspie­l“.

Der Film entstand bei Michaelys Studium zwischen 2016 und 2020 an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) in Saarbrücke­n – betreut von Professori­n und Ophüls-Gewinnerin Sung-Hyung Cho („Full Metal Village“). Für das Kammerspie­l brauchte Michaely erst einmal die passende Kammer: „Wenn es schon ein Film auf begrenztem Raum ist, dann musste der auch toll aussehen“, sagt er. „Wir brauchten einen atmosphäri­schen Ort, an dem wir flexibel arbeiten konnten.“Den fand das Filmteam nicht, „und deshalb haben wir wohl das erste Filmstudio der HBK hochgezoge­n“, in einer alten und mietfreien Boxhalle in Neunkirche­n. Einen Monat lang baute das gesamte Team, von morgen bis abends, ein Studio mit den beiden Räumen der Handlung. Durchaus teambilden­d, aber auch ziemlich zugig. „Wir haben den ganzen Tag in einer unbeheizte­n Halle gekniet und gestanden, es war wirklich saukalt.“So saukalt, dass einige Filmaufnah­men nicht zu gebrauchen waren, weil man den Atem der Darsteller sehen konnte.

Nach seinem HBK-Studium absolviert Michaely zurzeit ein journalist­isches Volontaria­t beim SWR. Von dort aus könnte es für ihn in viele Richtungen gehen – „etwa in Filmredakt­ionen“, wie er sagt. Dem Filmemache­n will er sowieso treu bleiben – nach der „Formel“drehte er den Pilotfilm einer Webserie namens „Mitbewohne­r gesucht“. Gesucht werden jetzt interessie­rte Sender oder Plattforme­n, die eine Serienfort­setzung in Auftrag geben. www.joern-michaely.de

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AN KNÖBBER ?? Regisseur Jörn Michaely beim Dreh in Neunkirche­n.
FOTO: SEBASTI AN KNÖBBER Regisseur Jörn Michaely beim Dreh in Neunkirche­n.

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