Der letzte Strohhalm heißt Polen
Die deutschen Handballer brauchen Schützenhilfe, um bei der WM noch ins Viertelfinale zu kommen. Samstag geht es gegen Brasilien.
(sid) Andreas Wolff schlurfte mit hängenden Schultern und finsterem Blick durch die Lobby des deutschen Teamhotels. Und auch Alfred Gislason schaute grimmig drein. „Es heißt ja, die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagte der Bundestrainer der deutschen Handballer, „realistisch gesehen, müssen wir aber schon sehr viel Glück haben.“
Und so war es am Freitag die Aufgabe des „Alterspräsidenten“Johannes Bitter, die junge Mannschaft wieder aufzurichten und auf die verbleibende Restchance auf das WM-Viertelfinale hinzuweisen. „Es ist noch alles möglich, wir sind nicht raus“, sagte der schlachtenerprobte Weltmeister von 2007: „So etwas hat es alles schon gegeben.“
Nach dem bitteren 28:32 gegen Spanien sind die Chancen auf den anvisierten Sprung in die K.o.-Runde deutlich gesunken. Und doch kann die von Gislason angesprochene „Glücksformel“noch funktionieren: Das deutsche Team muss seine verbleibenden Spiele gegen Brasilien am Samstag (20.30 Uhr/ ZDF) und gegen Polen am Montag (20.30 Uhr/ARD) zwingend gewinnen und auf einen Sieg der Polen am Samstag gegen Ungarn hoffen.
Noch in der Nacht zu Freitag setzte sich das deutsche Team im Hotel zusammen und schwor sich auf die kommenden Aufgaben ein. „Es ist nicht vorbei. Wir müssen alle zusammen wieder gute Laune finden“, appellierte der 38-jährige Bitter an seine Kollegen. DHB-Vizepräsident Bob Hanning betonte: „Die Mannschaft
wird aufgerichtet und nicht hingerichtet.“Mit aller Kraft klammert sich das DHB-Team an den letzten Strohhalm. „Solange wir die Chance haben, gebe ich nicht auf“, sagte auch Torhüter Wolff. Er rechnete alle Szenarien durch und kam zum Schluss: „Ich bin frohen Mutes, dass wir die Chance haben werden.“
Dafür bedarf es aber einer Leistungssteigerung. Vor allem in Sachen Chancenverwertung – und im
Tor. Gerade einmal vier Paraden bei 18 Würfen verbuchte Stammtorhürter Wolff gegen Spanien. „Die gehaltenen Bälle und Quoten waren nicht gut, aber es ist immer ein Zusammenspiel zwischen Abwehr und Torwart“, sagte der frühere Weltklasse-Torhüter Henning Fritz.
Entsprechend niedergeschlagen war Wolff auch am Freitag noch. „Ich bin richtig, richtig sauer“, sagte er. Bitter, der immerhin zehn von 27Würfen hielt, spendete seinem Gespanns-Partner Trost. „Er ist sicher jemand, der es mit sich rumträgt. Ich bin mir aber sicher, dass er heute Abend im Training wieder richtig Bock hat, Bälle zu halten“, so Bitter. Ob Wolff auch am Samstag im Tor steht oder Silvio Heinevetter stattdessen in den Kader rückt, behielt Trainer Gislason für sich.
Auch der Isländer hatte mit der vermeidbaren Niederlage gegen Spanien zu kämpfen. „Ich ärgere mich schwarz, weil wir uns selbst um diese Chance bringen“, sagte Gislason. 25:22 hatte das deutsche Team geführt, doch am Ende fehlte die Cleverness. Die wird auch gegen Brasilien gefordert sein. In der Vorrunde trotzten die Südamerikaner den Spaniern überraschend ein 29:29 ab. Für Gislason ist das aber nebensächlich. Ziel seiner Mannschaft könne jetzt nur sein, „gute Leistungen zu zeigen und gleichzeitig die Punkte einzufahren“. Doch klar ist: Den Einzug in das Viertelfinale kann das deutsche Team nicht mehr aus eigener Kraft schaffen.
„Realistisch gesehen, müssen wir aber schon sehr viel Glück haben.“
Alfred Gislason
Handball-Bundestrainer