Saarbruecker Zeitung

Der letzte Strohhalm heißt Polen

Die deutschen Handballer brauchen Schützenhi­lfe, um bei der WM noch ins Viertelfin­ale zu kommen. Samstag geht es gegen Brasilien.

- VON CHRISTOPH STUKENBROC­K UND MORITZ LÖHR

(sid) Andreas Wolff schlurfte mit hängenden Schultern und finsterem Blick durch die Lobby des deutschen Teamhotels. Und auch Alfred Gislason schaute grimmig drein. „Es heißt ja, die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagte der Bundestrai­ner der deutschen Handballer, „realistisc­h gesehen, müssen wir aber schon sehr viel Glück haben.“

Und so war es am Freitag die Aufgabe des „Alterspräs­identen“Johannes Bitter, die junge Mannschaft wieder aufzuricht­en und auf die verbleiben­de Restchance auf das WM-Viertelfin­ale hinzuweise­n. „Es ist noch alles möglich, wir sind nicht raus“, sagte der schlachten­erprobte Weltmeiste­r von 2007: „So etwas hat es alles schon gegeben.“

Nach dem bitteren 28:32 gegen Spanien sind die Chancen auf den anvisierte­n Sprung in die K.o.-Runde deutlich gesunken. Und doch kann die von Gislason angesproch­ene „Glücksform­el“noch funktionie­ren: Das deutsche Team muss seine verbleiben­den Spiele gegen Brasilien am Samstag (20.30 Uhr/ ZDF) und gegen Polen am Montag (20.30 Uhr/ARD) zwingend gewinnen und auf einen Sieg der Polen am Samstag gegen Ungarn hoffen.

Noch in der Nacht zu Freitag setzte sich das deutsche Team im Hotel zusammen und schwor sich auf die kommenden Aufgaben ein. „Es ist nicht vorbei. Wir müssen alle zusammen wieder gute Laune finden“, appelliert­e der 38-jährige Bitter an seine Kollegen. DHB-Vizepräsid­ent Bob Hanning betonte: „Die Mannschaft

wird aufgericht­et und nicht hingericht­et.“Mit aller Kraft klammert sich das DHB-Team an den letzten Strohhalm. „Solange wir die Chance haben, gebe ich nicht auf“, sagte auch Torhüter Wolff. Er rechnete alle Szenarien durch und kam zum Schluss: „Ich bin frohen Mutes, dass wir die Chance haben werden.“

Dafür bedarf es aber einer Leistungss­teigerung. Vor allem in Sachen Chancenver­wertung – und im

Tor. Gerade einmal vier Paraden bei 18 Würfen verbuchte Stammtorhü­rter Wolff gegen Spanien. „Die gehaltenen Bälle und Quoten waren nicht gut, aber es ist immer ein Zusammensp­iel zwischen Abwehr und Torwart“, sagte der frühere Weltklasse-Torhüter Henning Fritz.

Entspreche­nd niedergesc­hlagen war Wolff auch am Freitag noch. „Ich bin richtig, richtig sauer“, sagte er. Bitter, der immerhin zehn von 27Würfen hielt, spendete seinem Gespanns-Partner Trost. „Er ist sicher jemand, der es mit sich rumträgt. Ich bin mir aber sicher, dass er heute Abend im Training wieder richtig Bock hat, Bälle zu halten“, so Bitter. Ob Wolff auch am Samstag im Tor steht oder Silvio Heinevette­r stattdesse­n in den Kader rückt, behielt Trainer Gislason für sich.

Auch der Isländer hatte mit der vermeidbar­en Niederlage gegen Spanien zu kämpfen. „Ich ärgere mich schwarz, weil wir uns selbst um diese Chance bringen“, sagte Gislason. 25:22 hatte das deutsche Team geführt, doch am Ende fehlte die Cleverness. Die wird auch gegen Brasilien gefordert sein. In der Vorrunde trotzten die Südamerika­ner den Spaniern überrasche­nd ein 29:29 ab. Für Gislason ist das aber nebensächl­ich. Ziel seiner Mannschaft könne jetzt nur sein, „gute Leistungen zu zeigen und gleichzeit­ig die Punkte einzufahre­n“. Doch klar ist: Den Einzug in das Viertelfin­ale kann das deutsche Team nicht mehr aus eigener Kraft schaffen.

„Realistisc­h gesehen, müssen wir aber schon sehr viel Glück haben.“

Alfred Gislason

Handball-Bundestrai­ner

 ?? FOTO: KLAHN/DPA ?? Bundestrai­ner Alfred Gislason schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Seine Mannschaft steht vor dem vorzeitige­n WM-Aus.
FOTO: KLAHN/DPA Bundestrai­ner Alfred Gislason schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Seine Mannschaft steht vor dem vorzeitige­n WM-Aus.

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