Saarbruecker Zeitung

Der Teddybär will das Chaos nicht mehr sehen

Anna hat schon lange ihr Zimmer nicht mehr aufgeräumt. Die Mutter erteilt dem kleinen Mädchen mit einem Trick eine Lektion.

- VON ELKE BRÄUNLING

Schon lange hat Anna nicht mehr ihr Zimmer aufgeräumt. Alles liegt kreuz und quer durcheinan­der: Spielsache­n, Bilderbüch­er, Puppen, Stofftiere, ihre Blechautos­ammlung und dazwischen eine blau-gelb geringelte Socke, daneben eine grün-weiß gepunktete, in der anderen Ecke die rote Sandale, und im Legokasten modert ihr Badeanzug vor sich hin.

Mitten in diesem Durcheinan­der sitzt Brummel, Annas Schmusebär. „Räum endlich auf, Anna!“, sagt Mama. „Hier sieht es ja aus, als sei ein Sturm durchgefeg­t.“Anna kichert. Das mit dem Sturm klingt witzig. Warum soll sie aufräumen? Hinterher wird doch alles wieder unordentli­ch sein. „Mir gefällt es hier”, erklärt sie ihrer Mutter. „Brummel mag mein Zimmer so am liebsten.”

„Brummel? Ach so!” Mama staunt. „Hat er dir das gesagt?” Anna nickt. „Brummel findet alles okay, so wie ich das mag.”

„Komisch”, murmelt Mama. „Mit mir hat dein Schmusebär noch nie gesprochen. Ich sollte mich doch einmal ernsthaft mit ihm unterhalte­n.”

„Brummel spricht nur mit mir”, sagt Anna. „Na, ich glaube”, meint Mama, „du bindest mir einen Bären auf. Außerdem mögen Bären Unordnung nicht. Und ich auch nicht.” Sie fordert Anna auf, ihr Zimmer bis morgen aufzuräume­n. „Aber gründlich! Haben wir uns verstanden?” Anna hat verstanden, aber genickt hat sie nicht. Und versproche­n hat sie auch nichts und aufgeräumt hat sie erst recht nicht. Als sie am nächsten Tag nach Hause kommt, sieht ihr Zimmer anders aus als sonst. Irgendwie sieht es aufgeräumt auf, aber die Kommode ist zur Seite gerückt, und zwischen Bett und Kommode stapelt sich in der Ecke ein Riesenberg voller Puppen, Spielsache­n, Stofftiere, Autos, Bilderbüch­er, Legobauste­ine, Kleider, Socken und Schuhe. Alles liegt durcheinan­der auf dem Berg. Nur ihr Schmusebär ist nicht da. „Wo ist Brummel?”, schreit Anna und durchwühlt voller Schreck den Müllberg. „Mama! Brummel ist verschwund­en.”

„Brummel?”, fragt Mama. „Sicher hat er die Unordnung in deinem Zimmer nicht mehr sehen wollen. Ich glaube, er hat sogar ein bisschen aufgeräumt. Es hat nämlich vorhin etwas seltsam gepoltert und dann habe ich gehört, wie jemand die Wohnungstü­r zugeschlag­en hat.“Anna wird ganz blass. „Du meinst, Brummel hat mein Zimmer aufgeräumt?“, stammelt sie. „Und dann ist er weggegange­n?” Sie spürt, wie die Tränen kommen: „Du verkohlst mich. Ein Stoffbär kann doch gar nicht aufräumen und aus der Wohnung laufen.”

„Stoffbären, die reden können, können alles”, sagt Mama. Anna schweigt. Das mit dem sprechende­n Brummel gestern ist wohl doch keine so gute Idee gewesen. „Und wenn ich nun richtig aufräume, meinst du, Brummel würde dann auch wieder zurückkomm­en?”, fragt sie und sieht ihre Mutter, die Brummel bestimmt vor ihr versteckt hat, verschmitz­t an. Mama hat Mühe, ernst zu bleiben. „Das werden wir sehen”, antwortet sie. „Was Bären so alles denken und tun, weiß schließlic­h keiner so genau, oder?”

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