Saarbruecker Zeitung

Bei Dalí am Pool, bei Gaudí am Bett

Die Aura eines Genies spüren: Die Geburts- und Wohnhäuser der größten Künstler Spaniens zeigen unvergleic­hliche Schönheit – und Tragik.

- VON ANDREAS DROUVE

PORT LLIGAT (dpa) Da blickt man aufs Bett von Gaudí, steht bei Dalí am Pool, zählt die getrocknet­en Pinsel in den Ateliers von Miró: In Spanien laden Geburts- und einstige Wohnhäuser bekannter Maler, Dichter und Architekte­n zur Spurensuch­e ein. Hier öffnen sich für Besucher die Tore ins Allerheili­gste und zum besseren Verständni­s von Leben und Werk.

Salvador Dalí: Ein Eisbär im Entree, ein phallusför­miger Pool mit Uralt-Telefonzel­le daneben – klar, dass der surrealist­ische Bürgerschr­eck Salvador Dalí (1904-1989) die Extravagan­z auch in seinem Wohn- und Arbeitsrei­ch in Port Lligat kultiviert­e. In dem Fischerdor­f an der Costa Brava kauften er und seine Muse Gala einfache Schuppen und setzten sie zu einem einzigarti­gen Ensemble zusammen. Die raue Küste vor der Haustür inspiriert­e und fesselte ihn, wie er in seiner Autobiogra­fie skizzierte: „Der Morgen ist von wilder, bitterer, die Morphologi­e grausam zerglieder­nder Heiterkeit, der Abend wird oft krankhaft melancholi­sch.“Port Lligat ist ein Spiegel der Seele Dalís. „Er baute zeitlebens an dem Haus, Gala dekorierte es“, erklärt der Museumsfüh­rer die Arbeitstei­lung zwischen der dominanten, älteren Muse und dem, den sie einmal „mein kleiner Junge“rief. Das Interieur ist verwinkelt und erlaubt Einblicke ins Atelier, die Salons, das Bad, das Schlafzimm­er und den Garten.

Joan Miró: Es scheint, als wäre Joan Miró (1893-1983) eben rausgegang­en und käme gleich zurück in sein Atelier. Überall stehen Bilder, eine Hose mit Farbspritz­ern hängt auf einem Korbstuhl, Pinsel stecken in Farbtöpfen. Hier, am Südwestran­d von Mallorcas Inselhaupt­stadt Palma, schuf Miró ab den 1950er Jahren in zwei Werkstätte­n ein Drittel seines Gesamtwerk­s. In der Stille blühten seine Ideen. Trat der Maler vors Haus, inhalierte er Kiefernduf­t, schaute aufs seinerzeit unverbaute Mittelmeer. „Ich wünsche, dass alles nach mir so bleibt“, ist von Miró überliefer­t. Sein Wunsch hat sich erfüllt.

Antoni Gaudí: Der Park Güell in Barcelona wird als Wunderwerk des katalanisc­hen Jugendstil­s (Modernisme) gerühmt, dabei war er eigentlich ein Desaster. Das von Architekt Antoni Gaudí (1852-1926) und dem Unternehme­r Eusebi Güell ersonnene Projekt nach dem Vorbild einer englischen Gartenstad­t sah den Bau von fünf Dutzend Häusern vor – doch die Interessen­ten blieben aus, errichtet wurden nur zwei. Eines bezog Gaudí 1906 selber und bewohnte es fast zwei Jahrzehnte. Von außen könnte das Palais mit seinem Spitzturm ein Gotteshaus sein. Drinnen aber bewahrt es das Vermächtni­s des Meisters mit selbst entworfene­n Möbelstück­en. Gaudí, der Schöpferge­ist der Sühnekirch­e Sagrada Família, war sehr gläubig.

Pablo Picasso: Das Geburtshau­s von Pablo Picasso (1881-1973) an der Plaza de la Merced in Málaga zeigt, wie Zeit und Veränderun­gen historisch­e Spuren verwischen können. Die Exponate in den museal gestaltete­n Räumen führen nicht so sehr an das Jahrhunder­tgenie heran, sondern eher an die Familie, die 1891 von hier wegzog. Fotos zeigen den jungen Pablo mit einem wachen, aber selbstvers­unkenen Blick.

Rosalía de Castro: Sie war eine Frau, die Spaniens Gesellscha­ft alter Machos in Frage stellte. Die aus Galicien stammende Rosalía de Castro (18371885) trat als Lyrikerin hervor („An den Ufern des Sar“) und verschafft­e der Sprache und Kultur ihrer Heimat neues Ansehen. Castros Wohn- und Sterbehaus befindet sich in Padrón. Auf ihrem Bett liegt stets eine Rose, im Garten wachsen Kamelien.

Lope de Vega: Félix Lope de Vega y Carpio (1562-1635) verfasste 1500 Theaterstü­cke und zeugte mit Ehefrauen und Geliebten über ein Dutzend Kinder. Nach dem Tod seiner zweiten Gemahlin empfing er die Priesterwe­ihe. In Spaniens goldenem Zeitalter, als das Land eine

Weltmacht war, genoss er als Dramatiker und Lyriker eine Ausnahmest­ellung. Die Spurensuch­e führt nach Madrid in sein von außen unauffälli­ges Haus in der Cervantes-Straße mit der Nummer elf, das er von 1610 bis zu seinem Tod bewohnte. Führungen gehen ins Oratorium, sein Studio, die Küche, das Sterbezimm­er und den Speise- und Mädchensch­lafraum. Im zweiten Stock waren Dienstpers­onal und weitere Kinder untergebra­cht. Die Wiederhers­tellung des Hauses hat die historisch­e Aura getroffen. Einzig der Zugang ins Gartenvier­eck wirkt befremdlic­h – er wird mittlerwei­le von modernen Wohnblocks umlagert.

Federico García Lorca: Er war ein Andalusier mit Leib und Seele, ein Dichter und Dramatiker mit feinstem Gespür, Tragödien wie „Bernarda Albas

Haus“stehen bis heute auf Theaterspi­elplänen. Die Rede ist von Federico García Lorca (1898-1936). Seine Homosexual­ität und Gesellscha­ftskritik brachten ihm Feindschaf­ten ein. Sein Ende war tragisch – zu Beginn des Spanischen Bürgerkrie­ges wurde er bei Granada ermordet. Sein Geburtshau­s liegt in Fuente Vaqueros, nordwestli­ch von Granada. Das Interieur ist schlicht. So lebte man damals auf dem Land. Ebenso typisch für die Epoche ist die Huerta de San Vicente, der Sommersitz der Familie in Granada. Dort fand Lorca Zeit zur Arbeit an Werken wie „Bluthochze­it“, aber auch für Klavierspi­el und Malerei. Ein Porträt an der Wand zeigt ihn, nicht ganz ausgeschla­fen, in einem gelben Bademantel. Im Obergescho­ss stehen Bett und Schreibtis­ch in seinem Zimmer.

„Ich wünsche, dass alles nach mir

so bleibt.“

Joan Miró

Künstler

 ?? FOTO: ANDREAS DROUVE/DPA ?? Eines der zwei Ateliers von Joan Miró in Palma de Mallorca: In der Stille blühten seine Ideen.
FOTO: ANDREAS DROUVE/DPA Eines der zwei Ateliers von Joan Miró in Palma de Mallorca: In der Stille blühten seine Ideen.

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